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Wenn Krimi-Autoren in einen echten Kriminalfall involviert werden, kann das für das Publikum äußerst unterhaltsam werden, wie z.B. die US-Serie „Castle“ zeigt. Auch Harry Dolans Debüt „Böse Dinge geschehen“ ist ähnlich angelegt und verstrickt den Leser in ein cleveres Labyrinth aus falschen Fährten und vielen Anspielungen auf berühmte Kriminalromane.

David Loogan ist Hobbyautor und fühlt sich durch das populäre Krimi-Magazin „Gray Streets“ inspiriert, auch selbst eine eigene Kurzgeschichte zu verfassen. Er reicht sein Manuskript anonym bei der Reaktion ein und arbeitet währenddessen immer weiter an seiner Story, um diese mehr und mehr zu optimieren. Als er wieder einmal eine aktualisierte Fassung bei „Gray Streets“ hinterlegen will, wird er dort von Tom Kristoll, dem Herausgeber der Zeitschrift, abgefangen und in ein Gespräch verwickelt. Kristoll zeigt sich von Loogans Texten und seiner Akribie begeistert und bringt ihn mit ein wenig Überredungskunst dazu, für ihn als Lektor zu arbeiten. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit findet sich Loogan gut in der neuen Umgebung zurecht, pflegt ein blendendes Verhältnis zu seinem Chef und beginnt kurz darauf sogar eine Affäre mit Laura Kristoll, Toms Ehefrau.

Ein Krimi-Lektor wird wider Willen in ein Verbrechen hineingezogen

Eines Abends erhält Loogan dann aber einen Anruf von Kristoll, der ihn bittet, einen Spaten zu organisieren und zu seinem Haus zu kommen. Als David dort eintrifft, wird er von einer Leiche in Kristolls Wohnzimmer überrascht, bei deren Beseitigung er seinem Vorgesetzten nun assistieren soll. Angeblich handele es sich bei dem Toten um einen Einbrecher, den der Hausherr überrascht und in Notwehr getötet habe. Aus Angst um die Konsequenzen seiner Tat und den zu erwartenden Medienrummel soll die Leiche nun verschwinden und in einem Park vergraben werden. Loogan hilft Kristoll tatsächlich, kauft ihm seine Geschichte aber nicht wirklich ab, da er in der ihm aufgetischten Version der Ereignisse zu viele Ungereimtheiten entdeckt. Es kommt aber noch dicker, denn ein paar Tage später ist auch Tom Kristoll tot: Dieser soll aus dem Fenster seines Büros in den Tod gesprungen sein, doch nicht nur David hat hier seine Zweifel – auch die Polizei glaubt nicht an einen Selbstmord und nimmt u.a. auch Loogan ins Visier ihrer Ermittlungen…

Klassisch, verwirrend, überraschend

Harry Dolan hat mit seinem Debütroman „Böse Dinge geschehen“ einen klassischen Whodunit-Krimi hingelegt, der darüber hinaus aber noch mit unglaublich vielen Anspielungen auf berühmte Kriminalromane der Literaturgeschichte gespickt ist. Der Autor greift bei seiner Geschichte nahezu auf alles zurück, was das Genre hergibt und führt seine Leser mit vielen Finten, Wendungen und einer hohen Anzahl Verdächtiger durch einen wahren Irrgarten plausibler Theorien, in der die volle Aufmerksamkeit gefordert wird, um dabei noch den Überblick zu behalten. Nichts ist so, wie es auf den ersten (und manchmal sogar noch auf den zweiten) Blick scheint und fast kapitelweise wird der Status des Hauptverdächtigen von Charakter zu Charakter weitergegeben. Zusätzlich sorgen weitere unerwartete Ereignisse dafür, dass das bisher Gelesene erneut auf den Kopf gestellt wird. Man braucht hier als Leser eine Weile, um für sich ein wenig Ordnung in dieses Gewirr hereinzubringen, doch wenn man sich dort erst einmal hineingearbeitet hat, fällt es schwer, die Lektüre wieder zur Seite zu legen.

Reizvolles Setting rund um die Krimi-Branche

Auch das Setting ist clever gewählt, denn durch die Tatsache, dass die Story rund um ein Krimi-Magazin spielt, werden fast zwangsläufig diverse klassische Szenarien des Genres abgeklappert. Durch das Mitwirken von Krimi-Autoren und ihrem Umfeld (Verleger, Fans, Kritiker…) werden dem Leser so viele mögliche Lösungen des Falls präsentiert, die alle auf ihre Weise glaubwürdig erscheinen und zu einem sehr kritischen Verhältnis gegenüber den Charakteren führen, das meist von Vorbehalten und Misstrauen geprägt ist. Darüber hinaus bekommt man noch ein raffiniertes Katz-und-Maus-Spiel geboten, denn Harry Dolan präsentiert die Geschichte abwechselnd aus der Sicht von David Loogan und der Ermittlerin Elizabeth Waishkey.

Wie ein Best-of-Roman des Genres

Das klingt nun nach einem actionreichen Roman mit wilden Verfolgungsjagden, doch eigentlich ist das genaue Gegenteil der Fall. Ein Großteil der Handlung spielt sich in cleveren und nicht selten äußerst humorigen Dialogen ab, was für ein überaus kurzweiliges Foranschreiten der Geschichte sorgt. Als wäre das aber auch noch nicht genug, lässt der Autor seine Leser zudem noch in Ungewissen über den Protagonisten selbst, den auch die ganze Zeit ein undurchsichtiges Mysterium umgibt. Diese vielen Zutaten ergeben insgesamt ein in höchstem Maße unterhaltsames Best-of des Genres, das für alle Freunde anspruchsvoller und intelligenter Kriminalromane nur zu empfehlen ist – spannend und amüsant ist das Ganze nämlich auch noch. Die Hörbuchversion punktet darüber hinaus mit der stimmigen Lesung von Oliver Siebeck, der den klassischen Charm der Vorlage bemerkenswert gut umsetzt. Allerdings ist „Böse Dinge geschehen“ definitiv kein Hörbuch für nebenbei, dafür ist die Geschichte viel zu komplex.

Fazit:
Anspruchsvolles und spannendes Krimi-Highlight, dessen cleverer Plot mit vielen Finten für so manche Überraschung sorgt und augenzwinkernd mit den Klischees des Genres spielt (9/10).

Hörbuchcover
Autor: Harry Dolan; Originaltitel: Bad things happen; Sprecher: Oliver Siebeck; Spieldauer: 11 Std. 35 Minuten (ungekürzt); Anbieter: Audible GmbH; Veröffentlicht: 2013; Preis: 20,95 €.

Link zum Hörbuch

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