Cover des Buches
Autor: Aurélien Molas
Umfang: 480 Seiten
Verlag: Piper Taschenbuch
Erscheinungsdatum: 01. November 2011
Originaltitel: La Onzième Plaie
Preis: Taschenbuch: 9,99 €/eBook: 8,49 €

Klappentext:
Die Pariser Polizistin Blandine Pothin wird zu einem Noteinsatz gerufen: zwei Mädchen wurden von der Metro überfahren. Selbstmord, Unfall oder Mord? Nach der Auswertung der Videoaufnahmen ist klar, die beiden Opfer wurden absichtlich vor den Zug gestoßen. Schnell ist eines der Mädchen identifiziert: Amandine Clerc, Psychologiestudentin. Die junge Frau forschte auf dem Gebiet der Pädophilie. Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Mord und einem Kinderschänderring, der zurzeit im Internet mit grausamen Websites handelt und Frankreich seit Monaten in Atem hält?

Meine Buchbesprechung:
Capitaine Alain Broissard gehört zu einer dreiköpfigen Sondereinheit, die vom französischen Innenministerium zur Zerschlagung großer Kinderpornografie-Netzwerke eingerichtet wurde. Zu den weiteren Mitarbeitern dieser speziellen Dienststelle zählen Léopold Apolline, ein junger Computerspezialist, sowie Kommissar Maxime Kolbe, ein erfahrener Ermittler, der die Leitung der Abteilung innehat. Allerdings steht die Sondereinheit kurz vor dem Aus, nachdem der aufsehenerregende Gerichtsprozess gegen die „Bestie von Jarnages“, einen mutmaßlichen Kinderschänder, aufgrund der nicht legalen Vorgehensweise von Kolbe geplatzt ist. Als in einem Frachtcontainer in Le Havre Unmengen von pädophilen Videos sichergestellt werden, müssen Broissard und Apolline die Ermittlungen ohne ihren Vorgesetzten übernehmen und tauchen ein in einen Sumpf des Schreckens…

Ein mysteriöser Doppelselbstmord und der Kampf gegen ein Kinderschänder-Netzwerk

Gleichzeitig kommt es in der Pariser Metro zu einem tragischen Unfall: Eine junge Frau und ein kleines Mädchen stürzen von der Bahnsteigkante und werden von der einfahrenden Bahn erfasst – beide erliegen noch vor Ort ihren schweren Verletzungen. Alle Zeugenaussagen sprechen für Selbstmord, zumal zufällig auch ein hochrangiges Mitglied der Polizei während der Tragödie anwesend war und die offensichtliche Theorie bestätigt. Die Kommissarin Blandine Pothin, die mit ihrem Kollegen Paul Garcia von der Mordkommission routinemäßig zum Unfallort beordert wird, zweifelt aber an der Selbstmord-Theorie und ermittelt auf eigene Faust weiter – sehr zum Ärger ihres Vorgesetzten, der den Fall schnell zu den Akten legen will…

Mehrfach ausgezeichneter Debütroman des französischen Autors Aurélien Molas

„Die elfte Geißel“ ist der Debütroman des Franzosen Aurélien Molas und hat dem Autor in seinem Heimatland bereits zahlreiche Preise beschert. Ich bin eher zufällig auf das Buch aufmerksam geworden und habe mich vor allem durch die Buchtipp-Empfehlung der Krimi-Couch zur Lektüre verleiten lassen. Auch das dunkle Cover, auf dem ein Mädchen im rosa Kleid mitten auf einer verlassenen Bahnstrecke entlangläuft, hat mich direkt angesprochen und bei mir Assoziationen zu dem Film „Schindlers Liste“ geweckt, in dem der rote Mantel eines Mädchens der einzige Farbtupfer in dem ansonsten in Schwarz/Weiß abgedrehten Streifen war. Inhaltlich geht es in Molas‘ Thriller zwar nicht um die Judenverfolgung im Zweiten Weltkirge, dafür aber um ein ähnlich trauriges und erschütterndes Thema, nämlich das Gebiet der Pädophilie.

Heikle Thematik, mühsamer Einstieg in die Geschichte

Keine leichte Kost also, und ich habe auch tatsächlich fast zweihundert Seiten gebraucht, bis ich richtig in der Geschichte drin war. Das liegt aber weniger an dem Thema an sich, sondern vielmehr an dem etwas eigenwilligen Erzählstil des Autors und an der teilweise sehr komplexen und komplizierten Handlung. Zunächst einmal hat man es aufgrund der beiden parallel verlaufenden Erzählstränge um die aufgefundenen Kinderpornos einerseits und dem vermeintlichen Doppelselbstmord andererseits gleich von Beginn an mit ungewöhnlich vielen Ermittlerfiguren zu tun, die man nicht immer sofort auseinander halten und den richtigen Fällen zuordnen kann, zumal man als Leser sehr früh ahnt, dass die beiden Ereignisse miteinander in Verbindung stehen. Hier musste ich beim Lesen mehrmals kurz stoppen und überlegen, welcher der Polizisten über welche Erkenntnisse verfügt und ob das Leser- und Protagonistenwissen deckungsgleich ist oder ob man als Leser aufgrund der Parallelhandlung bereits schon über weitergehende Informationen als die handelnden Figuren verfügt. Molas macht es seinem Publikum aber auch nicht gerade leicht und lässt seine Ermittler häufig bereits zurückliegende Fälle reflektieren, die möglicherweise mit den aktuellen Ereignissen in Verbindung stehen könnten. Hier braucht man eine ganze Weile, bis man die vielen Namen und Fakten für sich geordnet und einen vernünftigen Überblick über das Geschehen hat.

Düster, schockierend, packend

Nach dieser relativ langen und mühsamen Eingewöhnungsphase wird das Ganze dann aber ziemlich mitreißend – was nicht unbedingt an einer atemberaubenden Spannung liegt, sondern daran, dass man fast unaufhaltsamen in einen Sumpf hineingerissen wird, den man am liebsten weiträumig umgangen hätte. Hier wirkt die Geschichte wie Treibsand: Hat man den Schritt in die schockierende Thematik und das unfassbare Grauen erst einmal gewagt, kommt man nicht mehr aus diesem Strudel heraus und fühlt sich fast ohnmächtig, während man mit immer erschreckenderen Ausmaßen der schlimmen Verbrechen konfrontiert wird. Zwar verzichtet der Autor dankenswerterweise auf zu explizite Darstellungen der Gewalt, doch alleine die schonungslosen Andeutungen reichen bereits für ein mehr als flaues Gefühl in der Magengegend. Als wäre das Buch so noch nicht bitter und düster genug, lässt Aurélien Molas seine Geschichte auch noch vor dem Hintergrund der Unruhen und Aufstände aus dem Jahr 2005 spielen, als Frankreichs Haupstadt Schauplatz vieler gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei war. Immer wieder kommt es dadurch während der Ermittlungen zu brutalen Zwischenfällen und Straßenschlachten, sodass das Gefühl der Sicherheit in dieser Geschichte komplett verloren geht.

Starke Atmosphäre, etwas farblose Charaktere

Diese packende Atmosphäre kann aber nicht ganz darüber hinwegtäuschen, dass die Charakterzeichnung in „Die elfte Geißel“ durchaus noch ausbaufähig gewesen wäre. Zwar versucht der Autor an einigen Stellen, den Figuren durch persönliche Schicksale etwas mehr Tiefe zu geben, allerdings sind es insgesamt einfach zwei oder drei Charaktere zu viel, um jedem von ihnen gerecht zu werden. Auch bezüglich der Handlung gibt es ein paar unrunde Aspekte, so ist mir zum Beispiel nicht klar geworden, warum sich Broissard und Apolline in ihren Ermittlungen nur ein spezielles Video aus der Razzia vornehmen und die restlichen beschlagnahmten Bänder völlig außer Acht lassen. Dafür entschädigt dann aber das sehr konsequente Ende des Buches, das gut zur hoffnungs- und trostlosen Stimmung der Geschichte passt.

Schlussfazit:
„Die elfte Geißel“ von Aurélien Molas ist ein in vielerlei Hinsicht schwieriger Roman. Schwierig zum einen aufgrund der Thematik, denn was der Autor hier an menschlichen Abgründen auffährt, ist wirklich nur schwer zu ertragen. Die Ausmaße der dargestellten kriminellen Netzwerke sind erschütternd und Gewalt an Kindern ist ja grundsätzlich schon immer eine schockierende und traurige Angelegenheit. Schwierig ist das Buch aber auch in Bezug auf das Textverständnis, denn bis man die ganzen Zusammenhänge zwischen Personen und Ereignissen erst einmal hergestellt hat, kann schon mal locker ein Drittel des Romans vorbei sein.

Schwieriger, erschütternder und packender französischer Thriller

Diese zuweilen auch etwas langatmige und anstrengende Einarbeitungszeit sollte man aber auf sich nehmen, denn ab der Mitte des Buches nimmt die Geschichte deutlich an Fahrt auf und ist dann sehr fesselnd geschrieben. Auch die triste und bittere Stimmung des Romans kann überzeugen, hier merkt man wieder den typisch düsteren französischen Einfluss. Mit den Werken von Jean-Christoph Grangé würde ich „Die elfte Geißel“ trotz eines eben solchen Vergleichs auf dem Buchumschlag nicht vergleichen, da Molas‘ Erstling deutlich realitätsnaher wirkt und keinerlei Mystery-Elemente vorhanden sind. Für Fans von französischen Thrillern, die mit starken Nerven ausgestattet sind, ist das Buch aber trotzdem empfehlenswert.

Meine Wertung: 7/10

Informationen:
„Die elfte Geissel“ von Aurélien Molas ist im Piper Taschenbuch Verlag erschienen und hat einen Umfang von 480 Seiten. Das Buch ist für 9,99 € als Taschenbuch und für 8,49 € als eBook erhältlich.

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6 Antworten zu diesem Beitrag

  • Interessant. Von Molas habe ich noch nie gehört – offenbar zu Unrecht. Ich finde das sehr schön, auf deinem Blog auch mal Kritiken von französischen Thrillern zu lesen! Die Düsternis scheint ihnen ja gemein zu sein, und man sieht im Buchhandel leider viel zu wenig davon. Amerikaner und Deutsche dominieren den Markt, und das ist nicht gerechtfertigt.

    Die Missbrauchsthematik würde mir zu nahe gehen. Sowas kann ich als Mutter einfach nicht gut lesen. Hört sich trotzdem für diejenigen lesenswert an, die da besser mit umgehen können.

    • Ich lese ja ganz gerne mal französische Thriller und es muss ja auch nicht immer nur Jean-Christophe Grangé sein. Es wird auch mal langsam Zeit für den nächsten Fall für Kommissar Servaz von Bernard Minier 😉

Pings: