Hörbuchcover
Autor: Robert Pobi
Sprecher: Martin Keßler
Länge: 11 Std. 17 Min. (ungekürzt)
Anbieter: HörbucHHamburg HHV GmbH
Originaltitel: Bloodman
Preis: 14,95 € (9,95 € im Flexi-Abo von Audible.de)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Niemand würde Jake Cole trauen. Das Leben auf der Straße hat ihn hart gemacht. Trotzdem ist er einer der besten Sonderermittler des FBI. Keiner versteht Tatorte so gut wie der Mann mit den vielen Tattoos. Doch dann tauchen die brutal zugerichteten Leichen einer jungen Frau und ihres Sohnes auf. Für Jake gibt es keinen Zweifel: Der Mörder seiner Mutter ist zurück. Die Jagd nach ihm treibt Jake an den Rand des Wahnsinns, denn der Bloodman kennt ihn gut. Besser als Jake sich selbst.

Meine Hörbuchbesprechung:
Seit Jahren hat Jake Cole, Sonderermittler beim FBI, schon keinen Fuß mehr in seine Heimat, das Küstendorf Montauk im US-Bundesstaat New York, gesetzt. Nun machen dringende Familienangelegenheiten eine Rückkehr jedoch unumgänglich: Jakes Vater, der berühmte Maler Jacob Coleridge, hat sich als Folge seiner fortschreitenden Alzheimer-Erkrankung selbst in Brand gesteckt und wurde in die örtliche Klinik eingeliefert. Zwar ist das Verhältnis zwischen Jake und seinem alten Herrn nicht das beste, er kommt nun aber nicht drumherum, ein paar bürokratische Formalitäten zu regeln und die Pflege seines Vaters zu organisieren.

Grausamer Doppelmord erschüttert ein beschauliches amerikanisches Küstendorf

Während Jakes Aufenthalt in Montauk wird das Dorf von einem brutalen Doppelmord erschüttert, bei dem der Täter eine Frau und ihr Kind nicht nur getötet, sondern auch vollständig gehäutet hat. Der regionalen Polizei kommt die zufällige Anwesenheit eines FBI-Ermittlers daher sehr gelegen und so dauert es nicht lange, bis Jake Cole zu dem schockierenden Fall hinzugezogen wird. Als dieser jedoch am Tatort eintrifft und die grausam verstümmelten Leichen sieht, kommt ihm der Anblick erschreckend vertraut vor: Genauso wurde vor Jahren auch Jakes Mutter zugerichtet, die damals ebenfalls einem brutalen Mord zum Opfer fiel. Für Jake ist sofort klar, dass es sich bei dem aktuellen Fall nur um den gleichen Täter handeln kann…

Ein düsteres, sprachgewaltiges, besonderes Romandebüt

Bei der unglaublich hohen Anzahl an Thrillern, welche die Literaturszene in den letzten Jahren überflutet, gibt es kaum noch Werke, die sich nachhaltig aus der Masse herausheben und den hartgesottenen Leser über das Romanende hinaus faszinieren oder verstören. Glücklicherweise gibt es aber immer wieder hervorstechende Ausnahmen, wie es auch bei Robert Pobis Debütroman „Bloodman“ der Fall ist. Dass man es bei diesem Buch mit etwas besonderem zu tun hat, merkt man bereits in den ersten Szenen der Geschichte. Nach einer sehr düsteren und sprachgewaltigen Einleitung macht man das erste Mal Bekanntschaft mit Jacob Coleridge Jr., der das heruntergekommene Haus seines Vaters auf der Suche nach einer Erklärung durchwühlt – einer Erklärung dafür, warum sich der früher so geniale Künstler selbst die Hände abgefackelt hat. Reicht die Alzheimer-Diagnose alleine aus, um den rapiden geistigen Verfall und das unheimliche Chaos in dem Haus nachzuvollziehen? Dem Leser geht es dabei genauso wie Jacob: Man will nichts wie raus aus dem Müll, die gruseligen und allgegenwärtigen Gemälde hinter sich lassen und lieber nach Hause, wo Frau und Kind auf Jacob warten.

Drastische und verstörende Gewaltausbrüche

Daraus wird aber nichts, denn die Meldung von einem fürchterlichen Doppelmord macht die Runde, und aus Jacob Coleridge, dem Sohn des gleichnamigen Malers, wird Jake Cole, Sonderermittler des FBI und spezialisiert auf die besonders schockierenden Fälle voller menschlicher Abgründe. In einen solchen muss Cole sich auch begeben, als er von der örtlichen Polizei in Montauk um Amtshilfe gebeten wird. Eine Frau und ihr Kind wurden bestialisch ermordet, und „bestialisch“ ist dabei noch ein gnadenloser Euphemismus. Beide Opfer sind kaum noch als menschliche Wesen wiederzuerkennen, denn ihnen wurde am ganzen Körper äußerst sorgfältig die Haut abgezogen. Es sind keine angenehmen Bilder, denen die Hauptfigur in dieser Situation gegenübertreten muss, und Robert Pobi gibt diese Bilder nahezu 1:1 an den Hörer weiter. Das schlägt gehörig auf den Magen, vor allem weil der Autor hier offenbar auch keine Hemmungen hat, gewisse Grenzen zu überschreiten oder zumindest anzukratzen. Allerdings muss man einschränkend auch konstatieren, dass „Bloodman“ keineswegs so brutal ist, wie man anhand mancher Leserkommentare vielleicht annehmen könnte – Leser von Cody McFadyen oder Chris Carter sollten die heiklen Szenen eigentlich problemlos wegstecken können. Zudem setzt Pobi die heftigen Gewalt- und Ekelpassagen recht sparsam und wohldosiert ein, sodass diese zu keinem Zeitpunk reißerisch wirken.

FBI Sonderermittler Jake Cole: gestört, geschädigt, genial

Bemerkenswert ist dann auch noch die Hauptfigur selbst. Mit dem Klischee vom anzugtragenden und bürokratisch wirkenden FBI-Agenten hat Jake Cole aber mal gar nichts gemeinsam. Über den gesamten Körper hat er den Text von Dante’s Inferno eintätowiert – wie es dahingekommen ist, weiß der Träger aber selbst nicht. Jakes Vergangenheit ist geprägt von brutaler Straßenkriminalität und schonungslosem Drogenmissbrauch, dem er nun das Tragen eines Herzschrittmachers zu verdanken hat. Mit den Drogen hat er zwar abgeschlossen, die körperlichen Folgen seines exzessiven Lebensstils bekommt er aber immer noch mit schöner Regelmäßigkeit zu spüren. Immerhin findet er nun Rückhalt in seiner Familie, bestehend aus seiner nicht weniger ungewöhnlichen Frau Kay (optisch ähnlich „beeindruckend“ und mit Freude an handfesten Fesselspielen) und seinem Sohn Jeremy, dem er den Spitznamen „Moriarty“ gegeben hat – weil der Kleine den Namen so mag. Kein Wunder, dass Jake Cole von seiner Umwelt kritisch beäugt wird und selbst bei Polizeikollegen teilweise sogar Angst auslöst. Viele schreiben ihm übersinnliche Fähigkeiten zu – was Cole in ihren Augen noch unheimlicher macht – doch der Ermittler ist lediglich ein guter Beobachter und weiß die Gabe seines eidetischen Gedächtnisses gewinnbringend einzusetzen.

Ein zerstörerischer Hurrikan als zweite Hauptfigur

Neben Jake Cole hat „Bloodman“ aber noch eine zweite Hauptfigur zu bieten, und zwar einen Hurrikan der Stufe 5 – also vom zerstörerischen Ausmaß des Horrorsturms „Katrina“, der 2005 weite Teile der Ostküste Amerikas heimsuchte. Immer wieder unterbricht Robert Pobi seine Romanhandlung kurzzeitig, um das Aufziehen des Sturms zu schildern, was das ohnehin schon vermittelte Gefühl der Beklemmung und Bedrohung noch einmal verstärkt. Diese Einschübe sind nicht weniger bildgewaltig als Pobis Gewaltdarstellungen, so beschreibt er z.B. die Betrachtung des Hurrikans aus dem Weltall heraus. Im Gleichschritt steuern nun die Story und der Sturm auf ihren Höhepunkt zu, was aus atmosphärischer Sicht eine perfekte Choreografie ergibt.

Zuweilen etwas geschwätzig und wenig zielgerichtet

Bei allem Lob über die packende düstere Stimmung und den beeindruckenden Schreibstil ist „Bloodman“ aber auch nicht ohne Schwächen. So widmet sich der Autor gerade in der ersten Hälfte viel zu sehr der Figur des Jacob Coleridge Sr. und dessen foranschreitenden Wahnsinns. Das ist in Ordnung, solange es für den Ausgang der Story wichtig ist, aber das enorme Ausmaß dieser Fokussierung ist aus meiner Sicht letzten Endes nicht gerechtfertigt. Dadurch kommt nämlich die Ermittlungsarbeit in den ersten Stunden brutal zu kurz, denn bis zur Mitte des Hörbuches passiert in dieser Hinsicht streng genommen überhaupt nichts. Wer also gerne mit den Ermittlerfiguren eines Romans miträtselt und selbst die gegebenen Hinweise zusammensetzt, der kommt bei Robert Pobis Debüt ganz klar zu kurz. Zwar ist die Handlung zu keinem Zeitpunkt langatmig oder einschläfernd, allerdings wirkt sie oft wenig zielgerichtet und schweift zu oft und zu lange von dem Fall an sich ab. Darüber hinaus fand ich die Hauptfigur Jake Cole bei aller Begeisterung über dessen Unangepasstheit und Einzigartigkeit auch nicht immer hundertprozentig glaubwürdig. So habe ich doch starke Zweifel, ob das FBI eine Person mit solch einer bewegten Vergangenheit und seinem gesundheitlichem Handicap wirklich als Sonderermittler einsetzen würde – denn so überragend wie im Text behauptet sind dessen Ermittlerfähigkeiten bei näherer Betrachtung eigentlich auch nicht.

Der Sprecher:
Ein düsterer und schockierender Thriller mit hartgesottener Hauptfigur – wer fällt einem da sofort als möglicher Sprecher ein? Richtig, Martin Keßler. Dessen Stimme ist einfach nun einmal von Natur aus saucool und passt alleine dadurch schon zur Figur des Jake Cole. Natürlich muss man bei Keßler wie gewohnt ein wenig Abstriche in der Vielseitigkeit machen – so klingen viele Charaktere doch schon sehr ähnlich und auch Frauenstimmen sind nicht unbedingt die Stärke des Sprechers – doch das Wichtigste, nämlich die bedrückende und bedrohliche Atmosphäre wird von Keßler sehr gut eingefangen. Gerade wenn dieser dem Hörer leise das Wort „gehäutet“ ins Ohr flüstert, sorgt das alleine schon für Gänsehaut.

Schlussfazit:
Robert Pobis „Bloodman“ ist einer dieser Titel, der das Publikum in zwei Lager spalten wird. Die einen werden von der packenden Story, der düsteren und zuweilen fast apokalyptischen Atmosphäre sowie der Sprachgewalt des Autors begeistert sein, andere werden sich aufgrund der grauenvollen Thematik und den schonungslosen Gewaltbeschreibungen mit Schrecken abwenden. Das Buch ist zwar in der Brutalität nicht so drastisch wie ein Jack Ketchum oder Jack Kilborn, allerdings in der Wirkung dieser Darstellungen oft um einiges intensiver. Wer sowas nicht vertragen kann, macht am besten direkt einen Bogen um „Bloodman“.

Gewaltiger und gewalttätiger Thriller mit verstörender Wirkung

Lässt man sich aber darauf ein, bekommt man einen faszinierenden und unbequemen Thriller geboten, der sicherlich noch eine Weile nachhallen wird. Dafür sorgt alleine schon das überraschende und schockierende Ende, welches einen der besten Storytwists der letzten Jahre bietet und schlichtweg als „grandios“ bezeichnet werden muss. Diese Auflösung alleine ist den Kauf wert und macht auch die etwas geschwätzige erste Hälfte der Geschichte mehr als wett. Man muss das Buch nicht unbedingt mögen, aber wer als Thrillerfan was auf sich hält, sollte Robert Pobis „Bloodman“ schon gelesen haben.

Meine Wertung: 8/10

Informationen:
„Bloodman“ von Robert Pobi hat eine Spieldauer von 11 Std. und 17 Min. und ist ungekürzt für 14,95 € bei audible.de erhältlich. Im Flexi-Abo kostet der Titel wie gewohnt nur 9,95 €. Weitere Informationen gibt es auf der Detail-Seite bei Audible.

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Eine Anwort zu diesem Beitrag

  • Ha! Wusste ich doch, dass dir ‚Bloodman‘ gefällt. *grinst triumphierend*

    Bei den Abschweifungen der ersten Buchhälfte bin ich ganz bei dir – eine der wenigen Schwächen des Thrillers, meines Erachtens. Deine Kritik an der etwas zu starken Fokussierung auf Jake’s Vater kann ich nachvollziehen, sehe das aber etwas anders. Kann ich leider hier nicht weiter ausführen, weil ich nicht spoilern möchte. Musst du eben mal zum nächsten Bloggertreffen kommen! 😉

    ‚Ein düsteres, sprachgewaltiges, besonderes Romandebüt‘ – auch da stimme ich dir voll zu. Den Sprachstil fand ich außergewöhnlich. Poesie und Profanität so kunstvoll gemischt und düster gepinselt – das hebt sich hervor aus der Masse. Kommt im amerikanischen Original vielleicht noch etwas besser raus als auf Deutsch.

    Ich habe mir ‚Bloodman‘ jetzt übrigens auch mal auf Deutsch besorgt. Das von Luke Daniels absolut perfekt vorgetragene Ideal ist zwar unangreifbar, aber ich mag Keßler ja sehr und möchte mal vergleichen können.

    Das Ende ist der helle Wahnsinn, oder? Jedenfalls bin ich froh, dass dich der Twist am Schluss offenbar genauso überwältigt hat wie mich. Bei jemandem wie dir, der fast nur Thriller liest, ist das schon eine Seltenheit!

    Liebe Grüße,

    papercuts1