Hörbuchcover
Autor: Jeffery Deaver
Sprecher: Dietmar Wunder
Länge: 13 Std. 03 Min. (ungekürzt)
Anbieter: Random House Audio, Deutschland
Originaltitel: The Bone Collector
Preis: 29,95 € (9,95 € im Flexi-Abo von Audible.de)

Inhaltsbeschreibung von Audible.de:
Ex-Detective Lincoln Rhyme ist nach einem Arbeitsunfall querschnittsgelähmt und zieht sich immer mehr zurück. Bis ein Serienkiller die Stadt in Angst versetzt: an jedem Tatort hinterläßt er einen Hinweis auf seinen nächsten Mord. Lincolns Interesse wird geweckt – denn langsam kommt ihm der Verdacht, daß er den Mörder kennen muß…

Meine Hörbuchbesprechung:
Eigentlich sollte es für Amelia Sachs der letzte Tag als Streifenpolizistin werden, bevor ihre Arthritis-bedingte Versetzung in den Innendienst in Kraft tritt. Als sie jedoch in der Nähe von Bahngleisen eine grausige Entdeckung macht, werden ihre Pläne erst einmal auf Eis gelegt: Aus dem Boden ragt eine Hand, an deren Ringfinger das Fleisch vollständig entfernt wurde und nur noch ein Ring am blanken Knochen steckt. Sachs reagiert geistesgegenwärtig und sperrt den Fundort umgehend großräumig ab – sehr zum Ärger ihres Vorgesetzten, da davon auch wichtige Straßen und der Bahnverkehr betroffen ist. Doch der Aufwand zahlt sich aus, denn der Täter hat dort offenbar absichtlich Spuren hinterlassen, die dank Amelias beherztem Eingreifen nun sichergestellt werden können.

Die New Yorker Polizei jagt einen Serienmörder mit Vorliebe für menschliche Knochen

Die Polizei findet schnell heraus, dass die Hand zu der Leiche eines Geschäftsmannes gehört, der kurz zuvor mit einer Kollegin in ein Taxi gestiegen ist und danach nicht mehr gesehen wurde. Da die Frau nach wie vor vermisst wird, die Detectives aber mit den fingierten Spuren nicht viel anfangen können, bittet Lieutenant Lon Sellitto seinen ehemaligen Kollegen Lincoln Rhyme zur Hilfe. Dieser war lange Jahre bei der Spurensicherung der New Yorker Polizei beschäftigt und hat sich in dieser Zeit aufgrund seiner akribischen Tatortuntersuchungen einen Legendenstatus erarbeitet. Seit einem tragischen Unfall ist Rhyme jedoch vom Kopf abwärts gelähmt und an das Bett in seinem Appartement gefesselt. Von dem Mordfall will der Ex-Detective aber zunächst nichts wissen, doch nach hartnäckiger Überzeugungsarbeit seitens Sellitto sagt Lincoln schließlich doch seine Unterstützung zu. Dessen erste Erkenntnisse sind jedoch wenig beruhigend, denn für ihn deutet alles auf die Tat eines Serienmörders hin…

Erster Auftritt des querschnittsgelähmten Ermittlers Lincoln Rhyme

„Der Knochenjäger“ ist der Auftakt der mittlerweile weltberühmten Thrillerreihe des US-Autors Jeffery Deaver um den ehemaligen Detective Lincoln Rhyme und dürfte dem breiten Publikum wohl vor allem durch den gleichnamigen Hollywoodfilm mit Denzel Washington und Angelina Jolie bekannt sein. Wer den Streifen gesehen hat, wird sich auch in der Romanvorlage direkt heimisch führen, denn in der ersten Buchhälfte verläuft die Geschichte sehr ähnlich zu der Filmhandlung. Es beginnt mit der verhängnisvollen Taxifahrt des Geschäftspärchens und geht weiter mit dem ersten Auftritt von Amelia Sachs, welche die grausig inszenierten Überreste des Mannes entdeckt. Sie reagiert geistesgegenwärtig und sperrt sofort und gegen großen Widerstand den Tatort ab, damit von dem nahenden Eisenbahnverkehr keine Spuren zerstört werden. Das bringt ihr nicht nur Ärger von ganz oben ein, da durch ihr Eingreifen auch der Verkehr rund um den anstehenden UN-Gipfel zum Erliegen kommt, sondern zieht sie auch tiefer in den Fall hinein, als ihr lieb ist – denn mit der Arbeit auf der Straße hat sie aufgrund der geplanten Versetzung schon so gut wie abgeschlossen.

Ein lebensmüder Ex-Detective als genialer Tatortermittler

Auch Lincoln Rhyme hat abgeschlossen – allerdings gleich mit seinem gesamten Leben. Ihm ist nämlich jegliche Lebensfreunde abhanden gekommen, seit ihn vor Jahren bei der Untersuchung eines Tatortes ein herabfallender Stützbalken getroffen und seine Wirbelsäule irreparabel verletzt hat. Nun kann er nur noch seinen Kopf und einen Finger bewegen und verbringt Tag für Tag in seinem Krankenbett, wo er auf die Hilfe eines Pflegers angewiesen ist. Um seinem Elend ein Ende zu setzen, hat sich Rhyme bereits mit einer Sterbehilfeorganisation in Verbindung gesetzt und die notwendigen Schritte eingeleitet. Da passt es ihm eigentlich überhaupt nicht, dass sein alter Freund Lon Sellitto plötzlich dazwischenfunkt und ihn um Hilfe bittet. Der Fall weckt aber letztlich doch Lincolns Neugier und so nimmt er sich den vom Mörder platzierten Hinweisen an. Als er von der Arbeit der Streifenpolizistin Amelia Sachs hört, ist er von deren Spurensicherung sehr angetan und nötigt sie förmlich zur Mitarbeit. Gemeinsam finden sie heraus, dass ein Serienmörder in New York sein Unwesen treibt und dessen Arbeit noch lange nicht abgeschlossen ist.

Akribische und detaillierte Spurenanalyse statt handfeste Action

Wer schon mal einen Lincoln-Rhyme-Thriller gelesen oder gehört hat, kennt das Schema von Jeffery Deaver vermutlich bereits. Auch bei „Der Knochenjäger“ geht es in erster Linie um die Untersuchung von Tatorten und die Auswertung der dort gefundenen Spuren. Handfeste Action sucht man über weite Strecken vergeblich, dies ist alleine schon aufgrund des Zustandes der männlichen Hauptfigur schwer vorstellbar, da Rhyme den Fall im Prinzip von seinem Bett aus leitet. Dort untersucht er mit seinen technischen Hilfsmitteln akribisch Indizien und Beweise und kombiniert diese mit seinem umfangreichen Fachwissen zu verwertbaren Hinweisen. Amelia Sachs ist weitestgehend für den Außendienst zuständig und übernimmt in Lincolns Auftrag die Laufarbeit, was der selbstbewussten Polizistin gehörig gegen den Strich geht, schließlich wurde sie nicht für die Spurensicherung ausgebildet und möchte auch nicht die zuweilen recht gruseligen Tatorte absuchen. Dies birgt für die Geschichte großes Konfliktpotenzial, zumal Rhyme bei seinen Anweisungen die Grenze des Vertretbaren häufig überschreitet, da für ihn die Beweissicherung an oberster Stelle steht und dafür zur Not auch mal eine Leiche vor Ort zersägt werden soll.

Hohes Erzähltempo und ausufernde Beweismittel-Untersuchungen

Die Story selbst ist wie eigentlich immer bei Jeffery Deaver spannend geschrieben und weist keinerlei Längen auf. Rhyme und Sachs jagen in einem Höllentempo von Spur zu Spur und von Tatort zu Tatort, da der Serienkiller der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Während der Ermittlungen werden unzählige Beweismittel untersucht, sodass man als Hörer schon mal gelegentlich etwas den Überblick verliert – vor allem, da der querschnittsgelähmte Ex-Detective diese unglaublich schnell auswertet. Normalerweise hat Deaver hierfür in seinen Büchern aber ein geniales Hilfsmittel parat, welches seinem Publikum das Miträtseln etwas erleichtert: die Beweistafeln. In Form eines Aktenblattes werden dort alle Hinweise zum Fall zusammengetragen und von Zeit zu Zeit ergänzt. Diese werden dann dem Hörer in regelmäßigen Abständen vorgetragen, um wichtige Zusammenhänge nochmal zu verdeutlichen. Leider fehlen diese Tafeln jedoch in „Der Knochenjäger“ und scheinen somit erst in den späteren Bänden zum Einsatz zu kommen. Zwar werden auch hier die Ergebnisse gelegentlich an eine Tafel geschrieben, allerdings weniger akribisch als in den Folgebänden.

Leicht verunglückte Täterperspektive

Gewöhnungsbedürftig sind zudem die zahlreichen Perspektivwechsel, und zwar immer dann, wenn man als Hörer in die Sicht des Täters hineinschnuppern darf. Diese Passagen sind anfangs schwer nachzuvollziehen und fügen sich nicht immer harmonisch in die Handlung ein, da der Killer meist das historische und das heutige New York miteinander vermischt. Gut gelungen ist hingegen der persönliche Hintergrund der Protagonisten, vor allem bei Lincoln Rhyme sorgt das Nachdenken über den eigenen Tod für etwas mehr Tiefgang in einem ansonsten primär auf leicht verdauliche Unterhaltung ausgerichteten Roman.

Der Sprecher:
Wie gewohnt wird auch „Der Knochenjäger“ wieder von Dietmar Wunder gelesen, der inzwischen fest mit der Lincoln-Rhyme-Reihe verbunden ist. Wenig überraschend ist ebenfalls, dass es auch diesmal wieder an der Sprecherleistung wenig auszusetzen gibt. Wunder liest den Thriller routiniert und greift vor allem das hohe Tempo der Vorlage sehr gut auf, allerdings wurde es mir persönlich manchmal eine Spur zu hektisch. Ansonsten fühlt sich Wunder aber gut in die Figuren hinein und verschafft ihnen durch seine Lesung viel Persönlichkeit.

Schlussfazit:
Jeffery Deaver hat mit „Der Knochenjäger“ einen gelungenen Auftakt der Lincoln-Rhyme-Serie hingelegt, der durchweg sehr spannend geraten ist und mit Lincoln Rhyme und Amelia Sachs über zwei interessante Hauptfiguren verfügt, wenngleich die Chemie zwischen den beiden anfangs noch nicht wirklich stimmt. Ein hohes Erzähltempo und viele Wendungen sorgen für Nervenkitzel ohne größere Verschnaufpausen, zudem punktet das Buch durch die detaillierten Spurenanalysen, welche die Ermittler Stück für Stück näher an den Täter führen.

Spannender Auftakt der Lincoln-Rhyme-Reihe und gute Thrillerkost

Kleine Kritikpunkte bleiben allerdings nicht aus, so ist die Täterperspektive meiner Meinung nach nicht optimal geschildert und wirkt zuweilen wie ein Fremdkörper. Außerdem ist „Der Knochenjäger“ zwar ein guter bis sehr guter Thriller, hat mich aber insgesamt nicht ganz so gepackt wie die neueren Werke – das mag aber auch damit zusammenhängen, dass ich den Film mehrfach gesehen habe und mir die Handlung daher über weite Strecken bekannt war. Trotzdem lohnt sich auch in diesem Fall die Lektüre, da die Geschichte in der zweiten Hälfte doch recht deutlich von der Filmhandlung abweicht und auch die Auflösung ein wenig anders ist als auf der Leinwand. Wer die Rhyme-Reihe bisher noch nicht kannte, für den ist „Der Knochenjäger“ der perfekte Einstieg in das Universum von Jeffery Deaver, doch auch für Kenner der späteren Hörbücher lohnt sich der Blick auf die Anfänge der Serie. Für Thrillerfans gibt es also eine uneingeschränkte Hörempfehlung, denn langweilig wird es mit Lincoln Rhyme und seiner impulsiven Partnerin sicherlich nicht.

Meine Wertung: 8/10

Informationen:
Das Hörbuch “Der Knochenjäger” von Jeffery Deaver hat eine Länge von 13 Std. und 03 Min. und ist ungekürzt für 29,95 Euro bei audible.de erhältlich. Kunden mit Flexi-Abo bezahlen natürlich wieder nur 9,95 Euro. Weitere Infos gibt es auf der Detail-Seite bei audible.de.

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4 Antworten zu diesem Beitrag

  • Ich kenne den Film und werde das Buch wohl nicht mehr lesen. Beides liegt ja offenbar dicht beeinander. Gelesen habe ich erst einen Deaver, und das war kein Lincoln/Rhyme. Deine Rezi macht mich allerdings neugierig auf die ‚Aktenblätter‘ in den Folgeromanen. Hört sich ja fast Sherlock Holmes-mäßig an, und für dessen Logik hab ich ein Faible.
    In Kombination mit Dietmar Wunder werde ich dem ein oder anderen Deaver bestimmt eine Chance geben.

    • Jeffery Deaver ist eigentlich immer empfehlenswert, auch wenn ich im Fall des Knochenjägers den Film sogar noch etwas besser finde.

      Diese Beweistafeln sind wohl Geschmackssache und ich habe auch schon von Leuten gehört, die diese ständigen Wiederholungen nervig finden. Ich hingegen finde diese echt hilfreich, vor allem in der Hörbuchversion, da man da ja gelegentlich schon mal was überhört und so immer alle wichtigen Infos und Zusammenhänge parat hat.

      Welchen Deaver ich dir übrigens wirklich ans Herz legen möchte, ist „Carte Blanche“, der neueste Bond-Roman. Zusammen mit Dietmar Wunder ist das Hörbuch wirklich genial!

      Rezi findest du hier:
      http://buechermonster.wordpress.com/2012/03/12/carte-blanche-jeffery-deaver-horbuch/

      • Ja, ‚Carte Blanche‘ steht auf meiner Liste. Allerdings schwanke ich total zwischen der deutschen und englischen Version. Einerseits liebe ich Dietmar Wunder, andererseits bin ich ja so ein Fetischist von Originalversionen. Außerdem habe ich noch NIE einen Bond-Roman gelesen oder gehört. Da hat man Respekt vor dem ‚ersten Mal‘. Danke jedenfalls für den Tipp!

        • Das große Plus von Dietmar Wunder bei diesem Hörbuch ist einfach, dass er nun mal auch die deutsche Synchronstimme von Daniel Craig ist. Somit hast du beim Hören ständig den Leinwand-Bond vor Augen, was meiner Meinung nach perfekt zu dem in „Carte Blanche“ dargestellten Bond passt. Also gib Dietmar Wunder eine Chance 😉

          Gruß,
          Sebastian