Autor: John Katzenbach
Sprecher: Simon Jäger
Länge: 12 Std. 56 Min. (ungekürzt)
Anbieter: Audible GmbH
Originaltitel: Red 123
Preis: 29,95 € (9,95 € im Flexi-Abo von Audible.de)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Ihr kennt mich nicht, aber ich kenne euch. Ihr seid drei. Und ich habe mich entschlossen, euch umzubringen. Er ist 65, Schriftsteller, erfolglos – und will mit einem spektakulären Verbrechen unsterblich werden. Seine mörderische Inspiration: das alte Märchen vom „Rotkäppchen“. Seine Opfer: drei rothaarige Frauen zwischen siebzehn und Anfang fünfzig. In einem anonymen Brief teilt ihnen der „große böse Wolf“ mit, dass er sie umbringen wird. Denn in Wirklichkeit habe das Märchen ein ganz anderes Ende. Die Frauen wissen nichts voneinander – außer dass es noch zwei andere Opfer gibt. Und sie haben keine Ahnung, wie der Täter Jagd auf sie machen wird. Zermürbt von ihrer Angst versuchen sie, sich gegen den Unbekannten zur Wehr zu setzen…

Meine Hörbuchbesprechung:
Er ist Autor und versucht sich seit Jahren am Schreiben eines Bestsellers, doch bis auf ein paar durchschnittlich gute und wenig beachtete Thriller hat er in seiner Schriftsteller-Karriere bisher nicht vorzuweisen – und das, obwohl seine Romane ein dunkles Geheimnis umgibt. Die Morde in seinen Geschichten haben sich nämlich tatsächlich ereignet, denn der Autor verabeitet in seinen Büchern seine eigenen Verbrechen und hat mehrere unschuldige Menschen auf seinem Gewissen. Allerdings haben auch seine grausamen Taten keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, schließlich wurde er nicht einmal ansatzweise der Morde verdächtigt. Mittlerweile ist er schon 65 Jahre alt und der Gedanke, er könnte in absehbarer Zeit aus dem Leben treten und dann in Vergessenheit geraten, macht ihn wahnsinnig.

Ein erfolgloser Thrillerautor plant einen spektakulären Dreifach-Mord

Um dieser drohenden Anonymität entgegenzuwirken, plant der Schriftsteller einen letzten großen Roman: Er will den perfekten Mord begehen und sein vor Genialität nur so strotzendes Verbrechen bis ins kleinste Detail für die Nachwelt festhalten – in Form eines neuen Buches, welches ihn für immer unsterblich machen soll. Um seiner Tat auch einen angemessenen Rahmen zu verpassen, orientiert er sich dabei am bekannten Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf. Allerdings nimmt er als Vorlage nicht die heute verbreitete Version mit dem glücklichen Ende für das Mädchen und seine Großmutter, sondern die ursprüngliche und brutalere Fassung, in der zum Schluss der böse Wolf triumphiert. Und damit später auch niemand an der Einzigartigkeit seines Verbrechens zweifeln kann, hat er sich gleich drei potenzielle Opfer ausgesucht…

Das neue Werk vom Meister des Psychothrillers

Der Name John Katzenbach steht im Thriller-Genre seit Jahren für garantierte Spannung und Nervenkitzel. Seine Romane bieten weniger brutale Morde und reißerische Action, sondern zeichnen sich in der Regel durch packende und tiefsinnige Psychospielchen aus, bei denen sich das Grauen oft hinter einer harmlosen Fassade verbirgt und dann umso überraschender zuschlägt. Ich persönlich hege darüber hinaus eine ganz besondere Beziehung zu den Katzenbach-Büchern, denn dessen Psychothriller „Der Patient“ war mein erstes Hörbuch überhaupt und zählt für mich nach wie vor zu den besten Thrillern, die ich je gehört bzw. gelesen habe. Seit diesem Buch habe ich in den letzten Jahren alle weiteren Katzenbach-Titel verschlungen und fiebere dem Erscheinen neuer Werke entgegen wie es sonst nur bei den Harry-Potter-Romanen oder Büchern von Sebastian Fitzek und Dan Brown der Fall war bzw. ist. Natürlich landete auch „Der Wolf“ unmittelbar nach Veröffentlichung auf meinem iPod und musste wie immer umgehend konsumiert werden.

Vielversprechende Ausgangssituation

Wie fast immer bei John Katzenbach ist die Ausgangssituation bereits sehr interessant und vielversprechend, vor allem, da es sich praktisch um eine Buch-im Buch-Story handelt. Hauptfigur ist wie eingangs erwähnt ein alternder Schriftsteller, der mit seinen bisherigen Werken eher mäßigen Erfolg vorzuweisen hat. Dem Selbstbewusstsein des Autors hat dies aber offenbar keinen Abbruch getan, da der (namentlich übrigens im ganzen Buch nicht genannte) Mann nach wie vor von seinem Intellekt und seinen Geschichten überzeugt ist, bisher aber nur nicht die verdiente Anerkennung einheimsen durfte. Das soll sich mit seinem nächsten und gleichzeitig letzten Coup jedoch ändern – zu ungunsten von drei unschuldigen Frauen, die aufgrund des Größenwahns eines Mannes plötzlich zur Zielscheibe werden.

„Rotkäppchen und der böse Wolf“ – Reloaded

Der Autor plant ein blutiges Remake der klassischen Rotkäppchen-Geschichte, dessen reale Umsetzung ihm letztlich zu dem wohlverdienten und längst überfälligen Ruhm verhelfen soll. Ziel ist der ultimative Dreifachmord nach Vorlage des bekannten Märchens – mit ihm in der Haut des bösen Wolfes und drei Frauen in der Opferrolle. Im Visier des Mannes stehen die Ärztin Karen Jayson, die Lehrerin Sarah Locksley und die Schülerin Jordan Ellis. Alle haben eines gemeinsam: die feuerroten Haare, die sie für den Schriftsteller jeweils zu perfekten Rotkäppchen-Kopien machen. Um seinem perfiden Spiel einen gewissen Reiz zu verleihen, weiht er seine Opfer von Anfang an in seinen Plan ein, indem er ihnen in einem Brief ihren baldigen Tod ankündigt. Damit seine „Auserwählten“ ihn auch ernst nehmen und nicht als harmlosen Irren abtun, schickt er allen dreien einen Link zu einem YouTube-Video, welches zeigt, wie der „Böse Wolf“ ihnen im Alltag hinterherspioniert.

Starkes erstes Drittel, schwacher und langatmiger Rest

In meinen Augen stellt dieses Ausgangs-Szenario eine gelungene Eröffnung für den Roman dar und bietet viel Potenzial für einen spannenden Psychothriller. Dazu trägt auch die gewählte Erzählweise bei, denn Katzenbach schildert das Geschehen abwechselnd aus der Sicht des Täters und seiner drei Zielscheiben. So bekommt der Hörer Einblicke in beide Seiten des mörderischen Spiels: Er verfolgt das irre Treiben des größenwahnsinnigen und selbstverliebten Killers genauso wie die Ängste und Reaktionen der drei Frauen, die von ihm nur „Rote 1“, „Rote 2“ und „Rote 3“ genannt werden.

Das erste Drittel der Geschichte wird den hohen Erwartungen daher absolut gerecht und macht Lust auf ein packendes und dramatisches Katz-und-Maus-Spiel – erst recht, als sich die „Roten“ zusammentun und zum Gegenschlag ausholen. Allerdings verliert die Story danach dramatisch an Fahrt und wird schnell langatmig, was vor allem daran liegt, dass im weiteren Verlauf fast nichts mehr passiert. Es gibt kaum Handlung, stattdessen darf man schier endlos den Gedanken des Mörders und den Diskussionen der drei Frauen folgen. Die dabei thematisierten Aspekte wiederholen sich aber dauernd, sodass die Geschichte völlig auf der Stelle tritt.

Schwächen in der Charakterzeichnung

Da ist es auch sicher nicht hilfreich, dass die drei Opfer bis auf eine Ausnahme weitestgehend blass bleiben. Zwar versucht Katzenbach, den „Roten“ mit entsprechend traumatischen Erlebnissen in ihrer Vergangenheit etwas mehr Profil zu verpassen, allerdings schlägt sich dieser Hintergrund nur selten im Handeln der Figuren nieder und ist daher überwiegend belanglos. Lediglich die Schülerin Jordan kann sich von ihren Mitstreiterinnen etwas abheben, da diese sich nicht ständig ihrem Selbstmitleid ergibt, sondern tatkräftig voranschreitet – was bei der Ärztin und der Lehrerin nicht immer auf Zustimmung trifft. Gerade wenn man bedenkt, dass Katzenbach die Frauen meist nur „Rote 1“, „Rote 2“ und „Rote 3“ nennt, wäre eine tiefgreifendere Charakterisierung alleine schon zur besseren Unterscheidung sicherlich nicht verkehrt gewesen – so habe ich mich ständig gefragt, welches „Rotkäppchen“ denn nochmal der genannten Nummer zuzuordnen ist. Die Figur des bösen Wolfs ist da schon etwas interessanter, vor allem weil dieser eben nicht der zu erwartende einsame Wolf ist, sondern auch noch einen Alltag als Ehemann mit seinem Mordkomplott vereinbaren muss. Da seine Frau von seinem perfiden Treiben nichts weiß, ergeben sich so einige brisante Szenen, in denen zumindest ansatzweise wieder etwas Spannung aufkommt. Davon abgesehen plätschert die Geschichte aber bis zum immerhin soliden Schluss überwiegend überraschungsarm und sehr vorhersehbar dahin, sodass man „Der Wolf“ eigentlich kaum als richtigen Psychothriller bezeichnen kann.

Der Sprecher:
Kein Katzenbach ohne Simon Jäger – und so ist es nur selbstverständlich, dass die deutsche Synchronstimme von Matt Damon, Josh Hartnett und dem verstorbenen Heath Ledger auch diesmal wieder am Sprecherpult Platz genommen hat. Das ist auch gut so, denn wo es der Geschichte an Thrill und Nervenkitzel fehlt, bringt Jäger durch seine wie immer hervorragende Lesung zumindest ein wenig Dramatik in das Hörbuch. Dabei hat er selbst mit den drei Frauenrollen keine Probleme und schafft es auch hier, den Figuren eine eigene Note zu verleihen. Das gilt darüber hinaus auch für die eigentliche Hauptfigur, den bösen Wolf. Jäger fängt den selbstverliebten und arroganten Ton des Schriftstellers sehr gut ein und bringt auch die von Killer empfundene Belustigung ob des Verhaltens seiner Opfer optimal an den Hörer.

Schlussfazit:
Leider setzt John Katzenbachs neues Werk von der Qualität her da an, wo sein letztes Buch „Der Professor“ aufgehört hat. Zwar ist die Geschichte um einen mordenden Schriftsteller und seine drei Opfer vom Stil her gut erzählt, allerdings fehlt es der Story einfach an Inhalten. Nach der sehr guten Anfangsphase baut „Der Wolf“ schlagartig ab und bietet im weiteren Verlauf nur belanglose 08/15-Thrillerkost – was eigentlich weit unter dem Niveau eines John Katzenbach liegen sollte.

Überraschungsarmer und über weite Phasen langatmiger 08/15-Psychothriller

Überraschende Wendungen sucht man nahezu vergeblich und auch Spannung mag nur selten aufkommen, hier hätte man viel mehr aus dem reizvollen Szenario herausholen können. Dafür hätte es aber auch Charakteren bedurft, die über etwas mehr Persönlichkeit verfügen als die drei „Rotkäppchen“, welche zudem auch nicht immer nachvollziehbar agieren. Zwar ist „Der Wolf“ beileibe kein schlechtes Buch, doch gemessen am Maßstab eines John Katzenbach bleibt der Titel weit hinter den Erwartungen zurück und ist für mich daher eine mittelgroße Enttäuschung. Da der Autor jetzt schon etwas länger keinen überdurchschnittlichen Roman hervorgebracht hat, wächst bei mir langsam die Befürchtung, dass Katzenbach sich entweder auf seinem guten Ruf ausruht oder sein schriftstellerisches Talent einfach nachgelassen hat – beides wäre irgendwie schade.

Meine Wertung: 6/10

Informationen:
Das Hörbuch hat eine Länge von 12 Std. und 56 Min. und ist ungekürzt für 29,95 Euro (9,95 Euro im Flexi-Abo) bei audible.de erhältlich. Weitere Infos auf der Detail-Seite bei audible.de.

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4 Antworten zu diesem Beitrag

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