Autor: Jürgen Rath
Umfang: 272 Seiten
Verlag: Sutton Krimi
Erscheinungsdatum: 27. April 2012

Klappentext:
Nicht gerade eine Traumaufgabe für Aushilfsarchivar Steffen Stephan: das verlotterte Archiv der Inselgemeinde Nordhörn auf Vordermann bringen. Im Winter. Auf einer sturmumtosten Nordseeinsel, auf der das Wirtschaftswunder auch 1959 immer noch nicht angekommen ist. Wenn wenigstens die Einheimischen etwas zugänglicher wären. Aber nein, irgendwie scheint sich hier jeder davor zu fürchten, dass Stephan im Archiv etwas Belastendes entdeckt. Als er erfährt, dass sein Vorgänger vor drei Jahren unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist, wird ihm langsam mulmig. Doch als pflichtbewusster Beamter macht Stephan unbeirrbar weiter. Bis die Verbindung zum Festland vom Eisgang unterbrochen wird und die Feindseligkeit in offene Gewalt umschlägt. Stephan wird gejagt. Auf einer Insel!

Meine Buchbesprechung:
Das Jahr 1959 könnte für Steffen Stephan zugegebenermaßen besser starten, als mit der Fährüberfahrt auf die kleine Nordsee-Insel Nordhörn, die gerade im Januar alles andere als einladend wirkt. Immerhin soll seine Aushilfsstelle als Archivar nicht von allzu langer Dauer sein, geplant ist lediglich ein Aufenthalt von drei Monaten. Allerdings scheint selbst diese Zeit zu kurz, um in das chaotische Archiv der Insel wieder Ordnung hineinzubringen, wie Steffen bei seinem ersten Besuch seiner Arbeitsstelle entsetzt feststellen muss. Auch der Empfang verläuft alles andere als herzlich, denn sein neuer Chef, der Amtsvorsteher Christiansen, scheint von der Ankunft seines neuen Archivars wenig begeistert – vor allem als sich dieser als pflichtbewusster Paragrafenreiter entpuppt.

Welches Geheimnis verbirgt das heruntergekommene Archiv der Insel Nordhörn?

Überhaupt scheint Steffens Anwesenheit auf Nordhörn nicht erwünscht, wie der Neuankömmling in seinen ersten Tagen zu spüren bekommt. Die meisten Inselbewohner wollen nichts mit ihm zu tun haben, von einigen besonders knurrigen Männern erhält er sogar erste Drohungen, er möge doch besser sofort wieder verschwinden. Während Steffen dann aber doch noch erste Kontakte knüpft, kommt ihm der Verdacht, dass die Nordhörner ihn anscheinend vom Archiv fernhalten wollen. Ist in den verlotterten Aktenbergen irgendetwas verborgen, was nicht ans Tageslicht gebracht werden soll? Noch beunruhigter wird der Aushilfsarchivar, als er zufällig erfährt, dass sein Vorgänger unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist…

Kühle und ungemütliche Grundstimmung

Von der ersten Seite an erzeugt der Autor Jürgen Rath in seinem ersten Kriminalroman „Nordhörn“ eine düstere, trostlose und abweisende Atmosphäre. Schon die Fährüberfahrt auf die kleine Nordseeinsel fällt durch das unwirtliche Wetter äußerst unangenehm aus und die ersten Personen, denen die Hauptfigur begegnet, reagieren überwiegend ablehnend auf den Besucher. Ob Vorgesetzter oder Schiffskapitän – niemand will mit dem Neuankömmling viel zu tun haben. Dazu kommt noch, dass auch Steffen Stephans neue Arbeitsstelle wenig einladend aussieht. Das Archiv hat von einem schweren Brand einige Spuren davongetragen und die kahlen Kellerräume sind überfüllt von Aktenbergen, sodass man sich kaum bewegen kann.

Die Eingewöhnung auf der Insel gestaltet sich äußerst schwierig

Ausführlich beschreibt der Autor anschließend, wie sich der Archivar in seine neue Umgebung einzuleben versucht. Er beginnt motiviert mit ersten Aufräumarbeiten, um sich einen Überblick über das Chaos zu verschaffen und knüpft zaghaft erste Kontakte, vorrangig mit seinen beiden weiblichen Arbeitskolleginnen Julia Hansen und Henny Herwege sowie dem Machinisten Jens, der auf der Fähre arbeitet. Nach und nach werden weitere Personen eingeführt, bis man sich als Leser einen recht guten Überblick über die Situation auf der Insel verschafft hat. Gleichzeitig wird man auch mit Nordhörn selbst vertraut gemacht, obwohl das kleine Stück Land abgesehen von ein paar Kneipen und dem Schiffsanleger nicht wirklich viel zu bieten hat.

Allerdings macht es auch Steffen Stephan den Einwohnern nicht allzu leicht, denn der Charakter des jungen Mannes ist auch nicht immer einfach. Gleich in den ersten Begegnungen zeigt er wenig Fingerspitzengefühl und macht sich durch sein sprödes und oft ein wenig besserwisserisches Auftreten nicht gerade viele Freunde. So hält er seinem neuen Vorgesetzten beim Dienstantritt erst einmal einen Vortrag über die Vorschriften bezüglich der Aufbewahrung historischer Dokumente und beschwert sich über seinen neuen Arbeitsplatz – nicht der beste Einstieg in einen neuen Job. Auch die Tatsache, dass er auf der Nordseeinsel schon in der ersten Mittagspause seine strikte Ablehnung gegenüber Fisch zum Ausdruck bringt, macht ihn ebenfalls nicht unbedingt beliebter. Dadurch wirkt der Protagonist auch auf den Leser oft etwas verbissen und spießig, sodass er anfangs nicht gerade zum Sympathieträger wird. Dadurch betrachtet man das Geschehen immer auch ein wenig distanziert und wird nicht so richtig warm mit den Charakteren, wodurch sich die ablehnende Grundstimmung des Buches noch ein wenig verstärkt.

Zwei verschiedene Erzählebenen – überschaubares Spannungsniveau

Was die Entwicklung der Geschichte betrifft, so lässt es Jürgen Rath eher gemächlich angehen. Hat man sich mit den Figurenkonstellationen auf der Insel erst einmal vertraut gemacht, so lenkt der Autor die Aufmerksamkeit des Leser anschließend langsam auf die Geheimnisse rund um das Archiv, indem er immer wieder kleine Köder verstreut, welche die Neugier der Hauptfigur und des Lesers wecken. So erfährt man z.B. vom Tod des früheren Archivars, von dunklen Machenschaften der Inselbewohner oder der Vergangenheit der ein oder anderen Nebenfigur. All diese kleinen Informationen werfen Fragen auf und halten das Publikum so bei Laune, wenngleich sich die Story über weite Strecken auf einem recht beschaulichen Spannungsniveau bewegt. Neben der Haupthandlung im Jahr 1959 lässt Rath auch noch einen kleinen Nebenstrang in die Geschichte einfließen, indem er über eine abenteuerliche Schiffsfahrt im Herbst 1938 berichtet, die sich in der Nordsee abgespielt hat. Diese kurzen Kapitel wirken in der ersten Romanhälfte ein wenig wie aus dem Zusammenhang gerissen, fügen sich im späteren Verlauf aber homogen in die Hauptstory ein. Sowohl in der Haupthandlung als auch in den kleinen 1938er-Episoden merkt man die berufliche Erfahrung des gelernten Seemanns und Historikers Jürgen Rath, der sich auf seinem Terrain sichtlich wohlfühlt und gerade im Schifffahrtssektor mit seinem Fachwissen überzeugen kann.

Schlussfazit:
„Nordhörn“ ist ein eher beschaulicher Kriminalroman, der vor allem mit seiner dichten Atmosphäre punkten kann. Der gesamte Roman bietet eine düstere und ungemütliche Grundstimmung, die vor allem durch Beschreibungen der Landschaft, des Wetters und durch die oft schroffen und unterkühlten Charaktere erzeugt wird. Allerdings gilt diese etwas ablehnende Haltung gelegentlich auch für die ein wenig spießige Hauptfigur, sodass es gerade zu Beginn Schwierigkeiten gibt, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren. Man muss jedoch auch berücksichtigen, dass die Geschichte überwiegend im Jahr 1959 spielt und daher alles eine Portion altmodischer daherkommt. Das regt manchmal auch zum Schmunzeln an, etwa wenn der Archivar ganz aufgeregt und immer auch ein bisschen verschämt ans weibliche Geschlecht denkt, was aus heutiger Sicht eher amüsant wirkt.

Gemütlicher Insel-Krimi mit gelungener Atmosphäre

Die Story selbst ist flüssig geschrieben und lässt sich daher auch leicht lesen, gelegentliches Fachvokabular aus der Seefahrt wird im Glossar erklärt, sodass es auch hier nicht zu Verständnisproblemen kommen sollte. Für meinen persönlichen Geschmack ist die Geschichte jedoch zu gemütlich und könnte an manchen Stellen etwas mehr Tempo und Spannung vertragen. Die Rätsel um die Insel werden zwar plausibel aufgelöst, allerdings gerät die Auflösung recht unspektakulär, zumal diese für den geübten Krimileser auch nicht mehr ganz so überraschend kommt. Für einen gemütlichen und verregneten Sommernachmittag ist das Buch aber eine gute Wahl und sorgt für ein paar unterhaltsame Stunden. Wer also eine Vorliebe für ruhige und ein wenig altmodische Kriminalromane ohne viel Blutvergießen hat, der kommt mit Jürgen Raths „Nordhörn“ sicherlich auf seine Kosten.

Meine Wertung: 7/10

Informationen:
Der Titel „Nordhörn“ von Jürgen Rath ist im Sutton Verlag erschienen und hat einen Umfang von 272 Seiten. Das Buch kann für 12,00 € hier bestellt werden. An dieser Stelle auch vielen Dank an Sutton Belletristik und Bloggdeinbuch.de, die mir das Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben!

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7 Antworten zu diesem Beitrag

  • Ja, ich bin jetzt seit knapp einem Jahr dabei, „Nordhörn“ war glaube ich mein siebtes BdB-Buch.

    Habe mich mit „Nordhörn“ auch ein bisschen beeilt, ich spekuliere nämlich noch ein wenig auf „Der Knochenbrecher“ von Chris Carter, da läuft die Frist ja in wenigen Tagen ab…

    Sebastian

    • Ich hab zur Zeit noch so viele Sachen im Kopf, die geschrieben oder getan werden wollen, dass mir ein wenig die Muse fehlt zum Schnell-lesen. 🙂
      Einen Tag nachdem ich die Mail wegen Nordhörn bekommen habe, sah ich, dass sie bei bloggDeinBuch.de ein Wombat-Kinderbuch haben. 😉 Das hätte ich auch gerne genommen. 🙂

  • Ich sitze gerade auf der Couch, das gleiche Buch umgeschlagen auf dem Bauch, und muss sagen: ich hab vielleicht erst 1/4 gelesen, aber deine Rezension spricht mir aus dem Herzen!

    Liebe Grüße, Antje

    • Hallo Antje,

      der Kommentar kam ja mal fix 😉

      Freut mich, dass wir einer Meinung sind.

      Liest du das Buch auch für Bloggdeinbuch.de?

      Gruß,
      Sebastian

      • Smartphones ermöglichen glücklicherweise schnelle Kommentare. 😉

        Ja, ist mein erstes Blogg-dein-Buch-Buch. 🙂 Du bist da schon länger dabei, oder?

        Antje

  • Hallo, bin durch BdB auf Deine Seite gestoßen. Nordhörn fanden die meisten Leser ja toll,aber mich hat es auch nicht vom Hocker gerissen..Alles zu langatmig und beschaulich. Dein Blog gefällt mir, und die Auswahl Deiner Bücher. Ich habe Dich mal direkt in meinen Blogrroll aufgenommen, damit ich auch weiterhin sehe, wenn es etwas Neues bei Dir gibt. L.G. Annette