Autor: Hanna Winter
Sprecher: Vera Veltz
Länge: 06 Std. 31 Min (ungekürzt)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Eine junge Frau irrt verzweifelt durch den Wald. In einer abgelegenen Hütte findet sie Zuflucht. Zur gleichen Zeit erhält die Schriftstellerin Fiona Seeberg in Berlin eine schreckliche Nachricht. Zwei Jahre nach dem Verschwinden ihrer Tochter werden erneut Kinder entführt. Die Spur führt Fiona und Kommissar Piet Karstens zu einer einsamen Hütte im Spreewald. Offenbar wurden die Kinder dort einem grausamen Ritual unterzogen. Und jede Hilfe scheint zu spät…

Meine Hörbuchbesprechung:
Eine junge Frau aus Rostock ist mit ihrem Freund auf dem Weg in den Urlaub, doch während der Autofahrt nach Italien kommt es zwischen den beiden schon sehr schnell zu einem heftigen Streit. Wutentbrannt springt Anne daraufhin aus dem Auto, rennt frustriert und planlos durch die Gegend und hat sich wenig später hilflos im Wald verlaufen. Umso erleichterter ist sie, als sie mitten zwischen den Bäumen einen kleinen Bungalow findet. In der Hoffnung auf Hilfe klopft sie zaghaft an die Tür, doch statt Rettung erwartet sie ein Schlag auf den Kopf. Als Anne wieder erwacht, befindet sie sich in einem dunklen Raum – und neben ihr liegt ein verletzter kleiner Junge…

Eine Serie von Kindesentführungen schockiert die deutsche Hauptstadt

In Berlin wird währenddessen die Schriftstellerin Fiona Seeberg von Kommissar Piet Karstens und seiner Kollegin Frauke Behrendt aufgesucht. Vor zwei Jahren wurde die gemeinsame Tochter von Fiona und ihrem Verlobten Adrian entführt und von der kleinen Sophie fehlt immer noch jede Spur. Allerdings hat Karstens keine guten Nachrichten für die Eltern: Statt Hinweisen auf den Verbleib ihres Kindes teilt Karstens Fiona mit, dass weitere Kinder verschwunden sind und aktuell ein Vierjähriger vermisst wird. Alle Entführungsfälle haben eine makabre Gemeinsamkeit, denn den Eltern der Kinder wurde kurz nach dem Verschwinden eine weiße Lilie geschickt…

Abrupter Einstieg in die Handlung wirkt zuweilen etwas holprig

„Die Spur der Kinder“ ist der Debütroman der in Berlin lebenden deutschen Autorin Hanna Winter und erschien bereits vor rund zwei Jahren als Taschenbuch. Seit kurzem gibt es den Thriller aber auch als ungekürztes Hörbuch (gelesen von Vera Teltz) und so bin ich erst jetzt richtig auf das Buch aufmerksam geworden. Der Einstieg in die Geschichte ist auf jeden Fall einmal ziemlich rasant und wirft den Hörer direkt ins Geschehen. Zunächst verfolgt man im Prolog die dramatischen Szenen um die junge Anne, die sich im Wald verlaufen hat und ins Verderben läuft. Anschließend geht es genauso unvermittelt weiter, denn plötzlich gibt es einen Sprung zu Fiona Seeberg und die Geschichte um die verschwundenen Kinder wird zügig umrissen. Diese Phase ist für den Hörer nicht ganz einfach, denn in kurzer Zeit werden die wichtigsten Figuren der Story eingeführt, die sich auf den ersten Blick aber sehr ähnlich sind und aus einem ähnlichen Umfeld stammen: Fiona Seeberg als Mutter einer vermissten Tochter, diverse Mitarbeiter einer Kindertagesstätte sowie weitere Kinder und ihre Mütter. Hier ist es zu Beginn nicht immer einfach den Überblick zu behalten und so ist mir der Einstieg in die Geschichte nicht ganz so leicht gefallen.

In der ersten Hälfte mehr Familiendrama statt Kriminalroman

Zudem ist die Erzählung anders angelegt als zunächst von mir vermutet: Statt einer Polizeiermittlung um die Ermittler Piet Karstens und Frauke Behrendt wird das Geschehen in „Die Spur der Kinder“ vor allem aus der Sicht von Fiona Seeberg geschildert. Die parallel verlaufenden Ermittlungen der Beamten bleiben überwiegend im Hintergrund und werden meist nur dann thematisiert, wenn sich ihr Handlungsstrang mit dem von Fiona überschneidet. Somit ist „Die Spur der Kinder“ in der ersten Hälfte auch weniger ein Kriminalroman und geht eher in Richtung Familiendrama. Der Hörer erfährt viel über die persönliche Situation der weiblichen Hauptfigur und darüber, wie das tragische Verschwinden das Leben von Fiona und ihrem Lebenspartner beeinflusst hat. So ist die Beziehung zu Adrian inzwischen deutlich abgekühlt, Fiona hat seit zwei Jahren keine einzige Seite mehr geschrieben und der Alkohol ist ihr seitdem ein treuer Begleiter. Allerdings bricht die Schriftstellerin nun langsam aus ihrem Schneckenhaus aus, geht zu Treffen der Anonymen Alkoholiker und versucht die Trauer um ihre Tochter in einem neuen Roman zu verarbeiten.

Offene Handlungsstränge werden geschickt miteinander verbunden

Diese Phasen sind zwar nicht immer hochspannend, geben aber ein glaubwürdiges Bild über die Psyche der Hauptfigur und die Auswirkungen eines solchen Traumas auf das Leben im Alltag. Doch „Die Spur der Kinder“ wäre kein Thriller, wenn die Story um die verschwundenen Kinder nicht auch langsam vorangetrieben würde. Immer wieder stößt Fiona Seeberg nämlich auf Ungereimtheiten oder macht ungewöhnliche Entdeckungen, die ihre Neugier wecken und sie so dem Geheimnis um ihre Tochter näher und näher kommen lassen. Personen aus ihrem Umfeld verhalten sich plötzlich merkwürdig und so werden die Nachforschungen der Mutter immer intensiver. Ab diesem Punkt legt die Autorin Hanna Winter auch ein größeres Augenmerk auf ihre beiden Ermittlerfiguren und die bislang eher blassen Polizistin Piet Karstens und Frauke Behrendt bekommen mehr Profil. Besonders interessant fand ich die Rolle der weiblichen Kommissarin, da diese meist ein wenig aufbrausend und draufgängerisch ist und es dadurch häufig zu Konflikten innerhalb des Ermittler-Duos kommt. Je weiter das Hörbuch voranschreitet, desto packender wird auch die Geschichte. Hanna Winter führt die offenen Handlungsstränge gut zusammen und liefert ein sehr eindringliches Finale, welches den Hörer auch ein wenig erschüttert zurücklässt.

Die Sprecherin:
Gelesen wird „Die Spur der Kinder“ von Vera Teltz, einer deutschen Schauspielerin und Synchronsprecherin. Am ehesten kennt man sie vielleicht als deutsche Stimme von Naomie Harris in den „Fluch der Karibik“-Filmen. Mir persönlich gefällt vor allem ihre Synchronisation von Robin Tunney (als Agent Teresa Lisbon) in der US-Serie „The Mentalist“, weshalb die Sprecherin für mich auch ein starker Kaufgrund für das aktuelle Hörbuch war.

Vera Teltz – starke Sprecherin mit „Berliner Schnauze“

Ich hatte mich also sehr auf die Sprecherin gefreut und bin mit ihrer Leistung auch durchweg hochzufrieden. Vera Teltz liest vielseitig und gibt vielen Figuren einen eigene Note und damit einen Wiedererkennenswert und setzt die Emotionen im Text ebenfalls gut um. Auch mit männlichen Charakteren hat Teltz keine Probleme, was für mich bei weiblichen Sprecherinnen immer sehr wichtig ist. Highlights bei der Lesung des Hörbuches waren vor allem die Stimmen der AA-Gruppenleiterin (die wunderbar nach esoterischem Öko klingt) sowie die Figuren mit Berliner Dialekt wie z.B. eine weiblichen Kellnerin. Schade, dass Vera Teltz im Thriller-Bereich so wenige Titel liest, denn ihre Stimme würde ich wirklich gerne öfter hören.

Schlussfazit:
„Die Spur der Kinder“ von Hanna Winter ist ein gelungener Thriller mit deutschem Setting, der vor allem zum Ende hin immer stärker und überzeugender wird. Die Anfangsphase ist aufgrund des recht abrupten Einstiegs ein wenig holprig und reißt auch nicht direkt mit, doch spätestens ab der Mitte des Hörbuches steigt die Spannungskurve rasant an. Besonders interessant ist die Perspektive der weiblichen Hauptfigur, welche die Auswirkungen einer Kindesentführung auf die Hinterbliebenen sehr glaubwürdig aufzeigt. Auch die Vermischung aus Kriminalfall und Familiendrama hat mir gut gefallen, wenngleich es am Anfang ein wenig dauert bis man mit der Figur der Fiona Seeberg „warm“ wird.

Spannender Mix aus Kriminalroman und Familiengeschichte

Auch die Story ist gut konstruiert und führt die aufgeworfenen Fragen zu einem befriedigen Abschluss. Auf dem Weg dahin wird der Hörer noch das ein oder andere Mal auf die falsche Fährte gelockt, was ebenfalls für willkommene Abwechslung sorgt. Richtig überzeugend ist dann das atmosphärische Finale im Berliner Spreewald, welcher der aufkommenden Dramatik eine würdige Umgebung liefert. Da die Sprecherin Vera Teltz ebenfalls eine sehr gute Leistung abliefert, ist „Die Spur der Kinder“ ein fast rundum zufriedenstellendes Hörbuch mit nur wenigen Schwachstellen. Für Freunde deutscher Thriller ist das Debüt von Hanna Winter allemal einen Blick wert.

Meine Wertung: 8/10

Informationen:
Das Hörbuch hat eine Länge von 6 Std. und 31 Min. und ist ungekürzt für 20,95 Euro bei audible.de erhältlich. Kunden mit Flexi-Abo bezahlen natürlich wieder nur 9,95 Euro.

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Eine Anwort zu diesem Beitrag

  • Hört sich ja nicht schlecht an, aber das mit verschwundenen Kindern und einem erschütternden Ende ist nichts mehr für mich, seit ich selbst Mutter bin. Früher war das kein Thema. Albern, aber wahr.
    Trotzdem – informative Rezi, wie immer.