Autor: Ernest Cline
Umfang: 512 Seiten
Verlag: Penhaligon
Erscheinungsdatum: 26. März 2012

Klappentext:
Im Jahr 2044 hat die reale Welt für Wade Watts nicht mehr viel zu bieten. Daher flieht er – wie die meisten Menschen – in das virtuelle Utopia von OASIS. Hier kann man leben, spielen und sich verlieben, ohne von der bedrückenden Realität abgelenkt zu werden. Da entdeckt Wade in einem Online-Game den ersten Hinweis auf einen unsagbar wertvollen Schatz, den der verstorbene Schöpfer von OASIS in seiner Cyber-Welt versteckt hat. Plötzlich ist Wade eine Berühmtheit, aber er gerät auch in das Visier eines Killerkommandos – in OASIS und in der Realität. Wade weiß, dass er diese mörderische Hetzjagd nur überleben kann, wenn er das Spiel bis zu seinem ungewissen Ende spielt!

Meine Buchbesprechung:
Wir schreiben das Jahr 2044 und die Welt sieht mittlerweile ungefähr so aus, wie es Pessimisten seit Jahren prophezeihen: Die Weltwirtschaft ist völlig am Ende und ein Großteil der Bevölkerung lebt verarmt in übervölkerten Slums, die aus übereinandergestapelten Wohn-Containern bestehen. Der Mensch hat die Ressourcen der Natur wie z.B. fossile Brennstoffe weitestgehend aufgebraucht und erbarmungslose Großkonzerne beuten ihre Arbeiter gnadenlos aus. Als wäre das noch nicht genug, ist natürlich auch die befürchtete Klimakatastrophe längst eingetreten. Die Menschen haben nicht viel, doch eine Sache haben fast alle: einen Account für die Ontologically Anthropocentric Sensory Immersive Simulation, kurz OASIS, ein Online-Spiel mit gigantischem Ausmaß. Für die gebeutelte Weltbevölkerung bietet diese Parallelwelt einen willkommenen Rückzugsort vom tristen und deprimierenden Alltag.

Eine gigantische Onlinewelt als Rückzugsort aus der tristen Welt im Jahr 2044

Geschaffen wurde die OASIS vom Multimilliardär James Halliday, und als dieser plötzlich stirbt, hat das ungeahnte Folgen. In seinem Testament verkündet der Erfinder nämlich, dass er einen unglaublichen Schatz in seiner Simulation versteckt hat: Wer die verborgenen Hinweise findet und als erster das Rätsel löst, der soll das gesamte Vermögen Hallidays erben. Auf der ganzen Welt beginnt ein nie dagewesener Wettkampf und fast jeder versucht sich an der kniffligen Schatzsuche, doch als nach Monaten immer noch niemand den ersten Hinweis gefunden hat, lässt das Interesse allmählich nach. Nur noch wenige hartgesottene Computerfreaks sind Jahre nach Hallidays Tod noch besessen vom versteckten „Easter Egg“ und verbringen ihr gesamtes Leben mit dem Kampf ums Milliardenerbe. Zu diesen sogenannten „Jägern“ gehört auch der 18-jährige Wade Watts, der schließlich den ersten von Hallidays Hinweisen findet…

Virtuelle Schnitzeljagd mit einem Milliardenerbe als Hauptgewinn

Ernest Cline, der Autor von „Ready Player One“, hat 2009 bereits als Drehbuchautor der charmanten Independent-Komödie „Fanboys“ auf sich aufmerksam gemacht, in der eine Gruppe „Star Wars“-Fans im Jahr 1998 in die Skywalker Ranch von George Lucas einbrechen will, um für ihren krebskranken Freund den kommenden Star Wars-Film „Episode 1: Die dunkle Bedrohung“ zu stehlen, da dieser den Kinostart vermutlich nicht mehr erleben wird. Wie der Klappentext seines ersten Romans verrät, ist Ernest Cline ein großer Fan der 1980er-Jahre und ihrer Popkultur, daher überrascht es nicht, dass genau diese den Rahmen für die Handlung von „Ready Player One“ bildet. So war der oben genannte Milliardär James Halliday ein Kind der Achtziger und auch rund 60 Jahre später immer noch fasziniert von Filmen, Videospielen und Literatur dieser Zeit. Daher hat das kreative Genie, das vom Charakter nicht selten an Apple-Gründer Steve Jobs erinnert, seine Liebe für die 1980er auch in die Rätsel einfließen lassen, welche die OASIS-Nutzer auf der Jagd nach seinem Erbe knacken müssen. Für den Leser bedeutet das, dass Cline mit Zitaten und Anspielungen im gesamten Roman nur so um sich wirft.

Riesige und unglaublich stimmige Parallelwelt

Herzstück des Buches ist jedoch eindeutig die grandiose Online-Welt der OASIS, die vom Konzept her an die 2003 veröffentlichte Simulation „Second Life“ erinnert – allerdings um ein Vielfaches gigantischer (und auch erfolgreicher). Die OASIS hat das reale Leben fast vollständig abgelöst und es gibt mehr Spieler als heutzutage Facebook-Accounts – fast jeder hat ein Benutzerkonto und spaziert mit seinem Avatar durch Online-Welten unfassbaren Ausmaßes. Da die Technik im Jahr 2044 deutlich ausgereifter ist, wirkt die OASIS nahezu fotorealistisch, zudem können die Nutzer mithilfe von Equipment wie speziellen Anzügen auch haptische Reize wahrnehmen. Die Simulation ist so weit fortgeschritten, dass sie ihren Usern sogar ermöglicht, ihre gesamte Schullaufbahn in der Online-Welt zu absolvieren. Ernest Cline hat die OASIS dabei bemerkenswert überzeugend konstruiert und dazu ein ausgeklügeltes Regelwerk entworfen, welches dem Leser nach und nach nahegebracht wird. Bis in das kleinste Detail wirkt seine Parallelwelt durchdacht und dadurch auch so glaubwürdig, dass man ein derartiges Universum im Jahr 2044 für absolut vorstellbar hält.

Ein Vorzeige-Nerd als Hauptfigur einer packenden Reise durch die Popkultur der 1980er

Geschildert wird die Story aus der Sicht von Wade Watts, einem 18-jährigen jungen Mann, der in einem der erwähnten Armen-Container lebt und jede freie Minute in der OASIS verbringt. Auch Jahre nach Hallidays Tod sucht er immer noch wie besessen nach dessen Easter Egg und hat sich mittlerweile ein beeindruckendes Wissen über die Popkultur der Achtziger angeeignet. Er hat das Leben des OASIS-Erfinders ausführlichst studiert und sämtliche relevant erscheinenden Filme mehrfach gesehen, Bücher wiederholt gelesen und Videospiele wieder und wieder durchgespielt, sodass Wade Watts inzwischen eine wandelnde Enzyklopädie für die 1980er Jahre ist. Als er mit seinem Avatar Parzival dann endlich auf den ersten Hinweis stößt, wird der etwas eingeschlafene Wettkampf plötzlich neu entfacht und Wade sieht sich unvermittelt nicht nur einer virtuellen, sondern auch äußerst reellen Gefahr ausgesetzt. Neben Nerds wie ihm gibt es nämlich auch noch den skrupellosen Großkonzern IOI, der mit einem umfassenden Netzwerk an OASIS-Söldnern mit aller Macht nach Hallidays Schatz sucht – koste es was es wolle. Der Sieger des Wettkampfes bekommt nämlich nicht nur dessen enormes Erbe, sondern auch die Kontrolle über die OASIS – die perfekte Möglichkeit, um mit der bisher kostenlosen Online-Welt ein Vermögen zu scheffeln. Logisch, dass die Jäger-Gemeinde dieses Horrorszenario mit allen Mitteln verhindern will…

Ein Paradies für Videospielfans – nicht immer einfach für Nicht-Gamer

Ernest Cline hat es geschafft, eine faszinierende Geschichte zu schreiben, die sich zwar vor allem an Videospielfans und Menschen richtet, die in den Achtzigern aufgewachsen sind, die aber trotz allem auch Nicht-Nerds fesseln dürfte. Da ich selbst erst Ende der 1980er geboren wurde, verfüge ich leider nicht über die Vorkenntnisse, die bei der Lektüre hilfreich gewesen wären, doch gewisse Meilensteine der Video- und Filmgeschichte sind mir durchaus bekannt. Allerdings reicht das nur aus, um einen Bruchteil der Anspielungen und Zitate erkennen zu können – unzählige der aufgeführten Videospiele oder Filme sind mir leider unbekannt, sodass das oftmalige Herunterbeten von Games-Titeln auf Dauer schon etwas anstrengen kann. Wer in der Materie aber richtig fit ist, für den ist „Ready Player One“ vermutlich ein absolutes Meisterwerk. Was mich an der Geschichte aber zuweilen gestört hat sind einige Unglaubwürdigkeiten in Bezug auf die Charaktere. So halte ich es für sehr zweifelhaft, dass ein 18-jähriger praktisch alle Videospiele der 1980er mehrfach durchgespielt und alle Filme so oft gesehen hat, dass er die gesamten Dialoge aus dem Gedächtnis abrufen kann. Oft erscheint Parzivals Abenteuer daher ein wenig zu einfach, denn wenn ein Hinweis erst einmal gefunden ist, hat Wade fast umgehend die passende Lösung parat: Ob er nun einen unerreichbar scheinenden Highscore eines alten Automaten-Klassikers knacken oder als Hauptfigur einen Film nachspielen soll – spätestens beim dritten Mal gelingt das in der Regel mühelos.

Schlussfazit:
„Ready Player One“ von Ernest Cline ist ein bemerkenswertes Romandebüt, welches mich ab der ersten Seite in seinen Bann gezogen hat. Die virtuelle Parallelwelt der OASIS erscheint gleichzeitig gigantisch und unglaublich durchdacht, sodass man sich gerne in die Simulation entführen lässt. Die Suche nach dem versteckten Schatz ist wie eine spannende Schnitzeljagd: Hat man den nächsten Hinweis erst einmal gefunden, lässt einen die Jagd auch so schnell nicht wieder los.

Erfrischend anders, für den Mainstream aber vielleicht zu speziell

Allerdings ist das Buch aufgrund seiner Videospiel-Thematik schon ein wenig speziell und sicher nicht für jeden gleichermaßen fesselnd. Unbedingt lesen sollte man den Roman aber, wenn man entweder die Popkultur der 1980er-Jahre mag oder sich für die Anfänge der Videospielgeschichte interessiert. Wenn man sich dann noch ein wenig bis sehr gut auskennt, wird man mit „Ready Player One“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein enormes Vergnügen geboten bekommen. Empfehlenswert ist das Buch jedoch auch für SciFi-Fans, Freunde origineller Stoffe, die irgendwie anders sind und vielleicht auch noch für Leser, die sich für Dystopien begeistern können – auch wenn „Ready Player One“ eher nicht in diese Kategorie fällt. Wer mit Games aber überhaupt nichts am Hut hat, sollte von diesem Buch vielleicht lieber die Finger lassen, denn dann wird man sich von den vielen Popkulturzitaten sicherlich erschlagen fühlen. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich hatte großen Spaß bei der Lektüre, doch um die wahre Kunst des Buches erkennen und vollkommen ausschöpfen zu können, bin ich wohl bei weitem nicht „nerdig“ genug.

Meine Wertung: 8/10

Informationen:
Der Titel „Ready Player One“ von Ernest Cline ist im Penhaligon Verlag erschienen und hat einen Umfang von 512 Seiten. Das Buch kann für 19,99 € hier bestellt werden. An dieser Stelle auch vielen Dank an Penhaligon und Bloggdeinbuch.de, die mir das Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben!

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