Tags: Abenteuer, Amerika, Jack the Ripper, London, Prostituierte, Richard Laymon, Serienmörder
Genre: Abenteuer, Historischer Roman, Horror, Thriller
Autor: Richard Laymon
Umfang: 528 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
Erscheinungsdatum: 8. Dezember 2009
Klappentext:
London, November 1888. Jack the Ripper, der grausamste Serienkiller der Epoche, versetzt die Stadt in Angst und Schrecken. Der sechzehnjährige Trevor wird Zeuge einer seiner entsetzlichen Bluttaten und kann ihm nur mit knapper Not entkommen. Es ist der letzte Mord des Rippers, bevor er England verlässt, um sein finsteres Werk in der Neuen Welt fortzusetzen. Trevor folgt ihm in das unbekannte Land.
Zum Hörbuch:
Wir schreiben das Jahr 1888 – das Jahr, in dem einer der berüchtigsten Serienmörder der jüngeren Menschheitsgeschichte sein Unwesen treibt. Im dunklen und düsteren East End von London tötet ein unbekannter Mann – den alle nur als „Jack the Ripper“ kennen – vier Prostituierte und verstümmelt die Opfer auf bestialische Art und Weise. Die Polizei sieht sich den Morden hilflos ausgesetzt und die gesamte Stadt befindet sich in Aufruhr.
Darunter auch der 15-jährige Trevor Wellington Bentley, der zusammen mit seiner Mutter in einer der etwas besseren Ecken Londons lebt. Als diese eines Abends einen stark alkoholisierten Bekannten mit nach Hause bringt, eskaliert die Situation und Trevor wird fortgeschickt, um seinen Onkel zu holen, der in seiner Position als Konstabler den Streit schlichten soll. Er trifft ihn jedoch nicht zu Hause an, da sich der Konstabler auf der Jagd nach dem Ripper befindet. Trevor gibt so leicht aber nicht auf, begibt sich selbst auf die Suche nach seinem Onkel und landet dabei schnell in dem nachts sehr gefährlichen East End. So kommt es nicht überraschend, dass der Junge von einer Prostituierten und ihren Komplizen überfallen wird. Trevor ersticht im Kampf einen der Angreifer und wird daraufhin vom aufgebrachten Mob durch die Straßen gejagt. In höchster Not findet er Unterschlupf in einer fremden Wohnung, wo er sich unter dem Bett versteckt. Was Trevor aber nicht weiß: Die Wohnung gehört der Prostituierten Mary Jane Kelly, welche noch in der selben Nacht auf genau diesem Bett dem Ripper zum Opfer fallen wird…
Seit ich vor wenigen Wochen das Hörspiel „Im Schatten des Rippers“ aus der neuen Sherlock Holmes-Reihe von Titania Medien gehört habe, hat mich (mal wieder) das Ripper-Fieber gepackt. Irgendwie schafft es das Thema immer wieder aufs Neue, eine enorme Faszination auf mich auszuüben und so habe ich mich auf die Suche nach interessanten Umsetzungen des „Jack the Ripper“-Stoffes gemacht. Dabei bin ich unter anderem auch über das Buch „Der Ripper“ von Horrorautor Richard Laymon gestolpert, welches direkt meine Neugier geweckt hat. Ich hatte zuvor schon ein paar Werke von Laymon gelesen bzw. gehört (z.B. „Die Insel“) und war davon durchaus angetan, sodass ich mir den Roman gleich mal zu Weihnachten habe schenken lassen.
Wer die Bücher Laymons kennt, der weiß wodurch sich diese meistens auszeichnen: Gewalt und Sex. Wenn diese Elemente dann noch mit dem „Jack the Ripper“-Mythos vermischt werden, kann da eigentlich nur ein blutiger und reißerischer Thriller bei herauskommen, oder? Falsch! Denn das zu erwartende Schlachtfest mit düsterer und schauriger Atmosphäre ist „Der Ripper“ lediglich für die Dauer von 140 Seiten. In dieser Anfangsphase werden alle Erwartungen mehr als erfüllt: Laymon fängt die unheimliche Ausstrahlung der zweifelhaften Ecken Londons im 19. Jahrhundert perfekt ein, hinter jeder Ecke droht spürbare Gefahr und schon die Vorstellung von vereinzelten hallenden Schritten auf dem Kopfsteinpflaster verlassener Gassen sorgt für Gänsehaut. Zudem präsentiert der Autor schnell eine sympathische Hauptfigur, die sich innerhalb kürzester Zeit zur Identifikationsfigur entwickelt. Ein 15-jähriger Junge, der um seiner Mutter zu helfen durch das finstere East End zieht und mit den dort zu erwartenden „Hindernissen“ konfrontiert wird – wie der unerfahrene Trevor erforscht auch der Leser vorsichtig die Umgebung. Richtig dramatisch wird es dann, als sich die Wege von Trevor und „Jack the Ripper“ kreuzen. Als sich der Junge unter dem Bett der Prostituierten versteckt und diese nur wenig später vom Ripper im wahrsten Sinne des Wortes abgeschlachtet wird, ist die Spannung nahezu nervenzerreißend.
Dann nimmt Laymons Geschichte jedoch eine unerwartete Wendung. Die wahre Identität des brutalen Serienkillers wird schon auf Seite 68 enthüllt und spätestens an diesem Zeitpunkt entfernt sich der Autor von den historisch verbürgten Fakten. Sein Täter ist frei erfunden und wird nicht unter den echten Tatverdächtigen aufgeführt. Allerdings taucht seine Begründung für das Ende der Mordserie durchaus in den gängigen Theorien auf: Nachdem es zum Aufeinandertreffen zwischen Trevor Bentley und dem Mörder kommt, sieht sich der Ripper gezwungen, das Land zu verlassen und flüchtet nach Amerika – mit dem 15-Jährigen und zwei Geiseln an Bord. Dort angekommen trennen sich dann ihre Wege und „Jack the Ripper“ verschwindet erstmal für lange Zeit von der Bildfläche. Von diesem Punkt an entwickelt sich „Der Ripper“ immer mehr zu einem klassischen Abenteuerroman. So überrascht es auch nicht, dass Laymon in seinem Buch immer wieder Mark Twain zitiert, denn in seinen besten Momenten erinnern die Erlebnisse Trevors stark an die Geschichten von Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Die Hauptfigur reist quer durch die Vereinigten Staaten, trifft auf Indianer und Revolverhelden, zieht durch trockene Wüsten, trifft die erste große Liebe. Wenn nicht Richard Laymon auf dem Buchcover stehen würde könnte man fast meinen, man hätte einen Jugendroman vor sich. Auch auf die ausufernden Sex- und Gewaltszenen – sonst eigentlich sein Markenzeichen – verzichtet der Autor fast vollständig. Im Gegenteil: Trotz gelegentlicher Schießereien bleiben die Schilderungen immer im erträglichen Rahmen und die wenigen Liebesszenen wirken fast schon ein wenig schüchtern.
Das ist aber alles nicht negativ gemeint. Eingefleischte Fans des Autors werden vielleicht aufgrund des praktisch nicht vorhandenen Gore-Faktors das Buch enttäuscht und gelangweilt zur Seite legen, doch wenn man unvoreingenommen an den Roman herangeht, dürfte der Funken recht schnell überspringen. Trevors Abenteuerreise ist spannend, abwechslungsreich, gefährlich, unterhaltsam – kurzum: einfach sehr kurzweilig. Das Ripper-Motiv dient in diesen Passagen lediglich als Motivation für die Reise und bildet sozusagen das Grundgerüst für die Handlung. Erst zum Ende hin bricht wieder der typische Laymon durch und offenbart sich in einem furiosen und schockierenden Showdown, an dem dann zartbesaitete Gemüter wieder an ihre Grenzen stoßen dürften.
Mein Fazit:
Bevor ich zu meinem Schlussfazit komme, sollte ich vielleicht eine kleine Warnung aussprechen: „Der Ripper“ von Richard Laymon ist kein „Jack the Ripper“-Thriller, und wenn überhaupt dann nur im ersten Viertel des Buches. Wer auf Verschwörungstheorien und neue spektakuläre Enthüllungen hofft, wird enttäuscht und kann den Roman nach den sehr gelungenen und atmosphärischen ersten 140 Seiten getrost zur Seite legen. Jedoch würde er dann aber auch ein überaus faszinierendes Abenteuer verpassen, das mit seinem Mix aus Western, Krimi und Coming-of-Age-Story fast schon ein wenig altmodisch daherkommt – allerdings im positive Sinne. Wer früher gerne die Geschichten von Mark Twain und Karl May gelesen hat, dürfte vermutlich auch an Laymons Story Gefallen finden. Ich bin fast schon geneigt, den Roman auch jugendlichen Lesern ans Herz zu legen – wenn da nicht die für den Autor typischen Gewaltexzesse zu Beginn und zum Ende der Handlung wären.
Auf der Buchrückseite wird mit der Aussage „Richard Laymons wohl außergewöhnlichstes Buch“ für „Der Ripper“ geworben und treffender könnte man es kaum ausdrücken. Der Roman ist anders als die sonstigen Werke des Autors und wird vom früheren Titel „Im Zeichen des Bösen“ (so hieß der Roman 1995 in der ersten Auflage) deutlich besser beschrieben. Während man bei Laymon am Ende eines Buches meist erleichtert ist, dass das Grauen ein Ende hat, blickt man hier fast schon wehmütig auf das große Abenteuer zurück. Um es auf den Punkt zu bringen: „Der Ripper“ ist zwar ein ungewöhnliches, aber ein gutes Buch, welches gerade für Western- und Abenteuerfreunde eine Empfehlung wert ist.
Meine Wertung: 8/10
Informationen:
„Der Ripper“ von Richard Laymon ist im Heyne Verlag erschienen und hat einen Umfang von 528 Seiten. Das Buch ist für 9,95 € als Taschenbuch erhältlich. Weitere Infos gibt es auf der Verlags-Homepage.