Tags: Agentur Pendergast, Argon Verlag, Detlef Bierstedt, FBI, Serienkiller, USA
Genre: Horror, Science Fiction, Thriller
Mit dem Erscheinen von „Bloodless: Grab des Verderbens“ umfasst die Thriller-Reihe um den exzentrischen FBI-Agenten Aloysius Pendergast nun sagenhafte 20 Bände, in denen nicht nur der ungewöhnliche Ermittler alle erdenklichen Höhen und Tiefen durchmachen musste – sondern auch die Leser:innen. Während der allererste Pendergast-Roman „Relic: Museum der Angst“ und die frühen Folgebände für die meisten Preston/Child-Fans wohl nach wie vor die goldene Ära der Reihe darstellen, war die Qualität der letzten Bände zum Teil doch sehr schwankend und man hatte im Verlauf der Serie nicht nur einmal das Gefühl, dass diese ihren Zenit überschritten hatte.
Der ewige Pendergast auf Vampirjagd
Doch Douglas Preston und Lincoln Child sind offenbar nicht gewillt, ihren Goldesel Pendergast in den inzwischen hochverdienten Ruhestand zu schicken und waren zuletzt spürbar bemüht, ihrer Bestsellerreihe wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. So schickten sie ihren Protagonisten seit Band 18 raus aus seinem Hoheitsgebiet New York und rein in den Süden der Vereinigten Staaten und stellten ihm den konfrontationsfreudigen Agenten Armstrong Coldmoon zur Seite, der dem sonst so eigenmächtigen Pendergast seitdem ungewohnterweise Kontra gibt und ihn immer wieder aus seiner Komfortzone lockt. Auch in „Bloodless“ ist der FBI-Ermittler mit indigenen Wurzeln wieder mit dabei und die Südstaaten-Tour der beiden findet ihren nächsten (unfreiwilligen) Zwischenstopp in Savannah, Georgia, wo bereits zwei völlig blutleere Leichen aufgefunden wurden. Treibt hier der von der Medien beschrieene „Vampir von Savannah“ sein Unwesen oder steckt doch ein menschlicher Serienkiller hinter den Aufsehen erregenden Morden?
Blutsauger, Geisterjäger und mittendrin das FBI
Klingt also nach einer typischen Mission für den Spezialisten für alle mysteriösen und unerklärlichen Verbrechen und so beginnt „Bloodless“ dann auch, wie man es von den vorangegangenen Bänden gewohnt ist: grausige Morde, ein Agent Pendergast, der schnell die Ermittlungen an sich reißt und allen anderen scheinbar immer einen Schritt voraus ist und in dessen Schlepptau Agent Coldmoon und Pendergasts Mündel Constance Green, die ab und zu auch ein paar nützliche Beiträge zum Fall liefern dürfen. Untermalt wird das ganze noch von einer Nebenhandlung um ein sensationsheischendes Filmteam, welches in verfluchten Häusern nach Savannahs Schreckgespenstern sucht und die Aufregung um den vermeintlichen Vampir nur allzu gerne lukrativ ausschlachten will.
Ein weiterer Pendergast-Fall nach Schema F…
So weit, so bekannt – man weiß nach 20 Bänden eben, was man kriegt. Pendergasts Ermittlungen sind gewohnt unterhaltsam, es gab aber durchaus schon spannendere und rätselhaftere Fälle für die unbequeme FBI-Legende. Und so steuert „Bloodless“ dann auch lange auf einen Platz irgendwo im durchschnittlichen Qualitätsbereich der Reihe zu, bis Preston und Child plötzlich die Zügel radikal anziehen und fast wörtlich die Hölle auf die Stadt Savannah loslassen. Hier gelangt man dann auch an den Punkt, wo sich die Gemüter spalten werden.
… bis im letzten Drittel die Hölle losbricht
Wie anderen Rezensionen bereits zu entnehmen ist, sorgt das nun folgende Schlussdrittel bei einigen für viel Unmut und bei manchen womöglich sogar für eine endgültige Abkehr von der Serie, denn ab diesem Punkt wird es wild. Und zwar richtig wild. Um nicht zu spoilern soll an dieser Stelle auf weitere Details zur Handlung verzichtet werden, es sei lediglich verraten, dass das Autorenduo die Grenzen ihres Pendergast-Universums nochmal deutlich ausdehnt und manche Ereignisse des furiosen Showdowns bereits erlebte Kuriositäten der Reihe nochmal deutlich in den Schatten stellen. Für viele Leser:innen, die vielleicht erst in den letzten Bänden eingestiegen sind und Pendergast vorrangig von vergleichsweise „normalen“ Kriminalfällen mit einem Hauch Mystery kennen, mögen diese Geschehnisse verständlicherweise zu absurd und abschreckend sein.
Back to the roots und darüber hinaus
Als Fan der ersten Stunde, der sich in vielen der vorangegangenen Bände aber phasenweise gelangweilt und den Mystery-Faktor der Anfangszeit zurückgesehnt hat, war ich von dem Finale dieses Romans jedoch begeistert wie schon lange nicht mehr. Bei mir hatte sich längst das Gefühl eingestellt, das man in dieser Reihe mittlerweile mehr oder wenig alles schon erlebt hat, doch hier haben sich Preston und Child endlich mal wieder etwas getraut und ihrer Fantasie freien Laufe gelassen. Das ist sicherlich irgendwo eine Nummer drüber und hat mit realistischen Thrillern überhaupt nichts mehr zu tun, aber wenn man sich an die Anfangsbände zurückerinnert, dann war die Pendergast-Reihe doch immer schon anders und eher dem Horror-Genre zuzuordnen – oder würde man ein Monster im berühmten Naturkundemuseum von New York in einem klassischen Kriminalroman erwarten? Wer seriöse Unterhaltung will, der war doch bei Pendergast & Co. schon seit jeher an der falschen Adresse.
Der originellste und unterhaltsamste Pendergast seit Langem
Und genau deshalb ist „Bloodless“ für mich auch so nah am Ursprung der Reihe wie schon lange kein Band der Serie mehr und liefert endlich mal wieder Überraschungsmomente. Dass die berühmte Flugzeugentführung durch „D. B. Cooper“ – ein Fall, der seit 50 Jahren zu den größten Rätseln der Kriminalgeschichte zählt – in diesem Buch nur eine Randnotiz ist und quasi im Vorbeigehen gelöst wird, sagt eigentlich schon alles darüber, was alles in dieser Geschichte steckt. Ich habe mich jedenfalls schon lange nicht mehr so gut von einem Pendergast-Roman unterhalten gefühlt und kann den nächsten Band bereits kaum erwarten – denn das Ende von „Bloodless“ lässt schon jetzt erahnen, dass es im nächsten Teil nicht weniger ungewöhnlich weitergehen wird.
Charaktere: | |
Story: | |
Atmosphäre: | |
Sprecher: |
9/10