Tags: Geister, Khao Lak, Paul Ondragon, Psychothriller GmbH, Thailand, Tsunami
Genre: Mystery, Thriller
Wenn man ein derart gefragter Problemlöser für alle Fälle wie Paul Eckbert Ondragon ist, kommt man viel herum in der weiten Welt – nicht nur aufgrund eines internationalen Klientels, sondern auch dank eines prallen Reisebudgets, denn mit einem entsprechend guten Ruf kann man sich die (Drecks-)Arbeit einiges kosten lassen. So durften Leser Anette Strohmeyers ungewöhnlichen Ermittler bereits bei der Kannibalenjagd in den dichten Wäldern Minnesotas begleiten, sich mit Voodoo-Flüchen und Zombies auf Haiti herumschlagen und in Brasilien auf die Suche nach einem verschollenen Nazi-Schatz gehen. Im vierten Band „Ondragon: Seelenflut“ geht es nun zunächst nach Dubai, wo „Ecks“ ausnahmsweise einmal selbst um Hilfe bitten muss und seinen Freund und früheren Mentor Roderick DeForce auf einen äußerst brisanten Fall rund um seine eigene Vergangenheit ansetzt. Im Gegenzug schickt dieser Ondragon in der Zwischenzeit nach Asien, wo der Hoteldirekter eines thailändisches Luxushotels völlig verzweifelt ist, nachdem innerhalb von wenigen Wochen gleich drei seiner Gäste unter rätselhaften Umständen ertrunken sind. Bei diesem Auftrag muss der erfahrene Ermittler nicht lange überlegen, schließlich gibt es unangenehmere Aufgaben, als sich im Urlaubsparadies die Sonne auf den Leib scheinen zu lassen und nebenher einen vermeintlichen Routine-Fall aufzuklären…
Ein neuer Fall für Problemlöser Ondragon im thailändischen Urlaubsparadies
Fans der Mystery-Thriller-Reihe werden an dieser Stelle bereits ahnen, dass der Auftrag natürlich nicht so einfach ist wie gedacht und Ondragon auf den knapp 500 Seiten des Romans nicht nur wegen der heißen thailändischen Sonne ins Schwitzen kommt. Das Thema der Geschichte kommt diesmal ein wenig ernster daher als gewohnt, denn die Handlung steht ganz im Zeichen der schrecklichen Tsunami-Katastrophe im Jahr 2004 und erstreckt sich wie immer über zwei dominierende Handlungsebenen. Die eine setzt wenige Tage vor dem Unglück ein und schildert die Auswanderung der Kölner Familie Hartmann, die nach einem schweren Schicksalsschlag in der Heimat nun am anderen Ende der Welt einen Neustart wagt, nachdem Michael Hartmann den Posten des stellvertretenden Hoteldirektors im Luxushotel Seaton angenommen hat. Rund um dieses Etablissement spielt auch der zweite Erzählstrang, denn im Seaton hat sich acht Jahre später auch Paul Ondragon einquartiert, um dort den mysteriösen Todesfällen auf den Grund zu gehen. Es birgt natürlich eine gewisse Gefahr, beide Handlungsstränge am gleichen Ort und zum Teil auch mit den gleichen Charakteren spielen zu lassen, da man leicht die beiden Teil-Geschichten miteinander vermengen und die Übersicht verlieren könnte, doch Anette Strohmeyer gelingt es souverän, die Ordnung zu bewahren und Vergangenheit und Gegenwart auf clevere und spannende Weise zu verbinden.
Tödlicher Geisterspuk im Luxushotel?
„Seelenflut“ wäre natürlich kein richtiger Ondragon-Thriller, wenn nicht ein ordentlicher Mystery-Faktor mit in die Handlung einfließen würde, denn auch im vierten Band der Reihe spielt die Autorin wieder geschickt mit übernatürlichen Elementen und stellt ihre Charaktere wiederholt vor scheinbar unerklärliche Phänomene, bei denen nicht nur ein alter Hase wie Ondragon, sondern auch man selbst beim Lesen stutzig wird und nach einer rationalen Erklärung für die Geschehnisse sucht. Das Angenehme ist dabei, dass die Hauptfigur selbst immer ein ausgesprochener Skeptiker und Realist ist und sich auch von wiederholten Geistergeschichten um spukende Seelen der Tsunami-Opfer nicht von seiner Überzeugung abbringen lässt, dass die Todesfälle im Seaton einen äußerst irdischen Hintergrund haben – so läuft die Geschichte niemals Gefahr, ins Absurde abzudriften. Dieses raffinierte Spiel mit dem Übersinnlichen sorgt auch diesmal wieder für munteres Rätselraten und trägt damit viel zum Unterhaltungsfaktor des Romans bei. Zudem verbindet Anette Strohmeyer auf diese Weise auch geschickt die Story mit den Besonderheiten ihres Settings und lässt einige Elemente der (in einigen Aspekten sehr speziellen) thailändischen Kultur in die Geschichte einfließen.
Exotisches Setting mit vielen Facetten und starker Atmosphäre
Überhaupt ist der exotische Schauplatz wieder eine große Trumpfkarte des Buches und kann fast als weitere Hauptfigur der Geschichte bezeichnet werden, da die Autorin die Örtlichkeiten sehr genau beschreibt und auch damit dazu beiträgt, dass „Ondragon: Seelenflut“ wieder eine ganz besondere Atmosphäre ausstrahlt. So fühlt man sich beim Lesen oft so, als würde man selbst als Gast des Seaton in Thailand weilen und die glühende Sonne oder sintflutartige Regenfälle ebenso am eigenen Leib spüren wie die Beklommenheit, welche die so arg gebeutelte Urlaubsregion auch Jahre nach dem Tsunami-Unglück noch auslöst, da die Katastrophe noch an jeder Ecke spürbar ist und vor allem in den Köpfen der Ortsansässigen Spuren hinterlassen hat. Da wirkt es vielleicht auch gar nicht so überraschend, dass der sonst oft rücksichtslose und gerne mal etwas aufbrausende Paul Eckbert Ondragon diesmal insgesamt betrachtet fast schon einfühlsam auftritt und in einigen Situation unerwartet viel Fingerspitzengefühl beweist. Was aber überhaupt nicht geht, ist (ACHTUNG MINI-SPOILER) sein im Laufe der Handlung stattfindender tätlicher Angriff auf eine (zwar lästige, aber letztlich auch nur ihrem Job und Instinkt nachgehende) Journalistin, für das er auch noch völlig ungestraft davonkommt. Ich mag Ondragon als Charakter wirklich sehr und finde ihn gerade aufgrund seiner Ecken und Kanten interessant, aber liebe Anette Strohmeyer, ich möchte nicht dass einer meiner liebsten Serienhelden Frauen schlägt. Es ist eine Sache, sich in einer lebensbedrohlichen Situation zur Wehr zu setzen, aber eine völlig andere, jemanden völlig grundlos zu schlagen – für dieses No-Go gibt es auf jeden Fall einen dicken Minuspunkt. (SPOILER ENDE)
Spannende Story mit Schwächen in der B-Note
Weiteren Anlass zur Kritik bietet für mich die wenig überzeugende Mini-Nebenhandlung rund um Ondragons eigene Vergangenheit. Zum einen dürften sich Neueinsteiger in die Reihe aufgrund der spärlichen Zusammenfassung der Vorgeschichte kaum in diesem Thema zurechtfinden und zum anderen wurde für mich als Fan der Serie dieser Handlungsstrang einfach viel zu stiefmütterlich behandelt, indem Ondragon und sein Kontaktmann lediglich hin und wieder kurze E-Mails über die parallel zum Seaton-Fall verlaufende Spurensuche austauschen. In dieser Form ist das aber nichts Halbes und nichts Ganzes und selbst als Vorbereitung einer möglicherweise intensiveren Auseinandersetzung mit diesem Thema im Folgeband einfach zu wenig und wirkte auf mich eher störend statt meine Neugier zu wecken. Zudem fand ich die Auflösung der Haupthandlung zwar zufriedenstellend, in Bezug auf die Erklärung der Hintergründe aber etwas dünn und nicht hundertprozentig überzeugend.
Auch der vierte Ondragon-Fall weiß zu überzeugen
Trotz dieser kleinen Mängel ist „Ondragon: Seelenflut“ aber wieder einmal ein spannender Mystery-Thriller, der kein atemberaubend hohes Erzähltempo braucht, um Spannung aufzubauen, sondern von dem cleveren Zusammenspiel der beiden Handlungsebenen, dem geschickten Spiel mit übernatürlichen Elementen und vor allem der sehr intensiven Atmosphäre lebt, die auch den vierten Ondragon-Band zu einem packenden und exotischen Leseerlebnis machen. Fans der Reihe dürften also voll auf ihre Kosten kommen, Neueinsteigern sei vielleicht eher zur Einhaltung der chronologischen Reihenfolge der Bände geraten – der Thailand-Fall ist zwar problemlos ohne Vorkenntnisse zu genießen, für das Verständnis der Mini-Storyline um den persönlichen Hintergrund der Hauptfigur könnte Vorwissen aber nicht schaden. Mir hat „Seelenflut“ aber – abgesehen vom oben erwähnten Ärgernis – wieder jede Menge Spaß gemacht und ich bin schon jetzt gespannt darauf, in welche Ecke der Welt es Problemlöser Ondragon beim nächsten Einsatz verschlagen wird.
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Charaktere: | |
Story: | |
Atmosphäre: |
8/10