Tags: audible.de, Drama, Macht, Ruhm, Schottland, Theaterstück, William Shakespeare
Genre: Historischer Roman, Klassiker
Der Gedanke an den Namen „William Shakespeare“ dürfte die Leser dieser Welt wohl in zwei Lager teilen: Während die einen den berühmten englischen Dramatiker auch 400 Jahre nach seinem Tod noch verehren und von den legendären Stücken des Lyrikers und ihrer eleganten Sprache nicht genug bekommen können, dürfte die andere Hälfte beim Gedenken an gelbe Reclam-Hefte und unendlich scheinende Stunden der trockenen Textanalyse die Hände über den Kopf zusammenschlagen und sich mit Schaudern an die eigene Schulzeit zurückerinnern. Was wäre aber, wenn man eines der populärsten Stücke Shakespeares, das Drama um den schottischen König Macbeth, einer Frischzellenkur unterziehen und aus den für die einen nach wie vor zeitlosen, für die anderen aber reichlich angestaubten Versen ein bombastisches Epos machen würde und die vier Jahrhunderte alte Vorlage an die heutige Zeit anpasst? Diese Frage hat sich der britische Autor David Hewson, Krimi-Fans vielleicht bekannt durch die der TV-Serie „Kommissarin Lund“ zugrunde liegende Reihe „Das Verbrechen“, gestellt und „Macbeth“ in zwei Stufen in das neue Jahrtausend transportiert: Zunächst brachte Hewson das Stück mit seinem Co-Autor A.J. Hartley unter Einsatz historischer Fakten und einiger schriftstellerischen Freiheiten in Romanform („Macbeth – A Novel“) bevor dieses neue Hörbuchskript von 2011 im Shakespeare-Jahr 2016 nun in Zusammenarbeit mit dem Hörbuchanbieter Audible zu einer fast acht Stunden langen Hörspiel-Fassung weiterentwickelt wurde – und das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen.
„Macbeth“ goes „Game of Thrones“
Wer eher Shakespeare-geschädigt aus seiner Schullaufbahn hervorgegangen ist und mit „Macbeth“ in erster Linie zähe Textarbeit und schwierige Sprache verbindet, der wird sich vermutlich schon nach wenigen Minuten die Augen reiben: Plötzlich findet man sich mitten in einem Schlachtfeld im schottischen Hochland wieder und kann dank martialischem Kriegsgeschrei, klirrenden Schwertern und donnerndem Hufgetrappel selbst Kriegsluft schnuppern und den Schweiß und das Blut der aufeinander einstürmenden Männer förmlich riechen. Mit trockenem Englischunterricht hat das Ganze plötzlich nichts mehr zu tun, stattdessen fühlt man sich wie in eine Staffel von „Game of Thrones“ hineinversetzt, denn „Macbeth“ bietet auch mehr als 400 Jahre nach der Entstehung immer noch alle Zutaten einer guten Story: einen tragischen Helden, erbitterte Intrigen, blutige Schlachten, Liebe, Habgier, Mord, Rache und den ewig jungen Kampf um Ruhm und Macht.
Aus dem 17. Jahrhundert hinein in die Moderne
Ich möchte mir als Shakespeare-Laie nicht anmaßen, die moderne Hörspielfassung mit dem klassischen Stück zu vergleichen, dafür fehlt mir trotz „Macbeth“-Erfahrung im Schulunterricht einfach die nötige Kenntnis der Originalvorlage, meiner Meinung nach ist es David Hewson und A.J. Hartley aber hervorragend gelungen, das Stück aus dem frühen 17. Jahrhundert an die Lese- und Hörgewohnheiten der Gegenwart anzupassen, ohne aber den Charakter des Originals zu verlieren bzw. dem Werk Shakespeares nicht den nötigen Respekt zu zollen. Manche Kleinigkeiten mögen mitunter der Modernisierung und dem Rotstift zum Opfer gefallen sein, zugleich wurden aber z.B. die Hintergrundgeschichten gewisser Charaktere (wie die der drei mysteriösen Hexen) vertieft und detaillierter ausgearbeitet, sodass die Geschichte genug Komplexität besitzt, um ein achtstündiges Hörspiel tragen zu können.
Ein Kopf-Kino der Extraklasse
Neben der eingangs bereits angesprochen stellenweise regelrecht bombastischen Geräuschkulisse überzeugt „Macbeth: Ein Epos“ auch mit einer Sprecherriege der Extraklasse. Besonderes Augen- bzw. Ohrenmerk gilt dabei natürlich den beiden Hauptfiguren Macbeth und Lady Macbeth, die von Tobias Kluckert und Claudia Urbschat-Mingues verkörpert werden. Wer Kluckert lediglich als Synchronstimme von Nathan Fillion aus der TV-Serie „Castle“ kennt, dürfte von der doch eher warmen und sanften Stimme angesichts der Rolle des erfahrenen Kriegers vielleicht ein wenig überrascht sein, allerdings werden einerseits die selbstzweiflerischen Momente des Protagonisten durch die nuancierte Darstellung des Sprechers enorm glaubwürdig und zum anderen konnte Kluckert als deutsche Stimme von Gerard Butler auch bereits reichlich Action-Erfahrung sammeln und ist daher auch für das Schlachtfeld eine sehr gute Besetzung. Urbschat-Mingues wiederum kennt man wohl vor allem als Synchronstimme von Angelina Jolie und wer sich die Hollywood-Schauspielerin als Lady Macbeth vorstellt, dürfte damit sicherlich ein recht authentisches Bild der Figur bekommen, die immer wieder auf dem schmalen Grat zwischen verführerischer und ehrgeiziger Intrigantin und liebender Ehefrau wandelt. Doch auch in den zahlreichen Nebenrollen finden sich mit Franziska Pigulla, Gordon Piedesack, Udo Schenk, Timmo Niesner, Tanja Fornaro, Oliver Siebeck oder Marius Clarén absolute Top-Leute ihres Fachs wieder, die das Hörspiel zu einem Kopf-Kino allererster Güte machen.
Epochale Neuinterpretation des Shakespeare-Klassikers
Es wäre vermutlich vermessen zu behaupten, dass William Shakespeare selbst seine helle Freude an dieser Neuauflage eines seiner berühmtesten Werke gehabt hätte, doch wer bisher zu den Skeptikern des Lyrikers gehörte und mit der Originalfassung wenig bis gar nichts anfangen konnte, wird sich vermutlich anhand dieser modernen Umsetzung wundern, wie viel Spannung, Dramatik und Tragik in „Macbeth“ steckt und wie zeitlos die Geschichte um Macht und Ruhm – wenn auch unter Zuhilfenahme kleiner modernisierender Handgriffe – auch mehr als 400 Jahre nach der Entstehung des Stückes noch ist. Man muss wahrlich kein Shakespeare-Fan sein, um dieses Hörspiel-Epos in vollen Zügen genießen zu können, es könnte aber durchaus sein, dass man anschließend das Bedürfnis verspürt, noch mehr seiner Werke wie z.B. „Hamlet“, „Romeo und Julia“, „Julius Cäsar“ oder „König Lear“ in einer solchen beeindruckenden und atmosphärischen Neuinterpretation erleben zu wollen.
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9/10
Ich hätte nie gedacht, dass ich Shakespeare genießen könnte. Jetzt hoffe ich aber auf noch mehr Shakespeare-Hörspiele! (Von den vier, die du erwähnt hast, habe ich eigentlich nur König Lear in der Schule gelesen.)
Bei mir war „Macbeth“ glaube ich das einzige Shakespeare-Werk, das ich in der Schule lesen musste, von „König Lear“ kenne ich nur die Parodie „Fool“ von Christopher Moore 😀
Ich könnte mir aber vorstellen dass zum Beispiel auch „Julius Cäsar“ oder „Hamlet“ gut werden könnten, und von mir aus auch „Romeo und Julia“ XD
Habt ihr stattdessen deutsche Dramatiker in der Schule gelesen? Oder nur Gedichte? xD
Kann sein, im Deutschunterricht habe ich nicht wirklich aufgepasst und bei Dramatikern und Gedichten schon gar nicht 😛
Jaaa! Dass dir „Macbeth“ auch so gut gefällt wie mir, ist fast so etwas wie ein Ritterschlag für das Hörspiel. Gerade, weil du dich mit dem Original bisher anscheinend nicht so viel auseinandergesetzt hast wie andere (ich z.B., ahem…), finde ich deine Meinung so interessant! Das Hörspiel soll ja auch gerade die überzeugen, die mit Shakespeare nicht viel am Hut haben. Scheint zu gelingen.
Du weißt ja, dass ich ein hoffnungsloses Fangirl von Shakespeare und auch von dieser Adaption bin. Ich liebe es, wie Hewson das Stück anpasst und andere Schwerpunkte setzt, ohne ihm das ursprüngliche Kreuz zu brechen. Und was die fantastische Atmo der Hörspielproduktion angeht, bin ich ganz bei dir: bombastisch!
Übrigens: Hewson arbeitet gerade an einer Romanadaption von „Romeo & Juliet“. Hoffen wir doch mal, dass auch diese Neuauflage irgendwann zum deutschen Hörspiel gemacht wird. Oder vorher vielleicht Hewson’s „Hamlet“-Adaption, die es auch schon gibt. Soooo viele Möglichkeiten. Hach!
Oh, und hast du das schon gesehen? https://www.youtube.com/watch?v=8o3Li_K3v2M
Der gute alte Shakespeare rockt wieder richtig!
LG,
Ute
Ich bin nun wirklich alles andere als ein Shakespeare-Fan oder -Experte, allerdings fand ich „Macbeth“ damals in der Schule gar nicht so schlecht 😀
Die Atmosphäre des Hörspiels ist wirklich der Wahnsinn, vor allem wenn es aufs Schlachtfeld geht ist die Soundkulisse wirklich episch und man fühlt sich, als wäre man mittendrin.
Also wenn’s nach mir geht dürfen gerne weitere Shakespeare-Hörspiele kommen! 😀