Tags: Der Hörverlag, Meer, Meeresbiologie, Ökologie, Ozean, Stefan Kaminski, Umwelt, Wale, Wissenschaft
Genre: Thriller
Auf und in den Meeren der Welt häufen sich rätselhafte Ereignisse: In Peru verschwindet ein Fischer mit seinem Boot spurlos, in der Nordsee entdecken norwegische Forscher eine bisher unbekannte Art von Tiefseewürmern, die sich mit rasender Geschwindigkeit über den Meeresboden ausbreitet und in der kanadischen Provinz British Columbia gibt es deutlich weniger Wal-Sichtungen als gewohnt. Was zunächst noch für eine unbedeutende Häufung von Einzelfällen gehalten wird, erreicht innerhalb von nur wenigen Wochen immer dramatischere Ausmaße. Giftige Quallen sorgen an vielen Küsten bei zahlreichen Badegäste für gefährliche Verbrennungen und lebensgefährliche Verletzungen, Muscheln befallen die Schiffsschrauben von Booten und lassen diese zum Erliegen kommen und beunruhigende Attacken von aggressiven Meeresbewohnern nehmen zu – selbst Wale greifen plötzlich offenbar bewusst Schiffe an. Alles hat den Anschein, als würde sich das Meer geschlossen gegen den Menschen erheben und die Weltbevölkerung auf eine verheerende Katastrophe zusteuern…
„Der Schwarm“ oder der Schrecken eines 1000-Seiten-Wälzers
Frank Schätzings Mega-Bestseller „Der Schwarm“ ist bereits im Jahr 2004 erschienen und hat damit seit 10-jähriges Jubiläum schon längst hinter sich und obwohl ich schon seit langem eine große Faszination für das Leben im Meer hege, habe ich mich doch lange vor der Lektüre des Romans gedrückt. Hauptgrund dafür war wohl wenig überraschend der enorme Umfang des Werkes, das in der gedruckten Fassung mit nicht weniger als 1008 Seiten aufwartet. Die ungekürzte Hörbuchfassung ist mit rund 38 Stunden zwar nicht weniger imposant, verspricht aber alleine schon aufgrund der Lesung von Stimmen-Morpher Stefan Kaminski unterhaltsames Kopfkino, das im Zweifelsfall auch mal über die ein oder andere Durststrecke hinwegtäuschen könnte.
Was geht vor sich in den Meeren der Welt?
Was allerdings schon nach wenigen Kapiteln ersichtlich wird: Man muss schon eine gewisse Begeisterung für das maritime Leben mitbringen um Vergnügen an Schätzings Wissenschafts-Thriller zu haben, denn wenig überraschend geht der Autor bei seinen Ausführungen extrem ins Detail. Ob es nun die Erforschung eines gerade erst entdeckten Tiefseewurms auf dem Meeresboden der Nordsee oder die Untersuchungen von Abweichungen der alljährlichen Wal-Wanderungen vor der Küste Kanadas sind – Schätzing seziert jeden auffälligen Vorgang in den Weltmeeren mit wissenschaftlicher Präzision und lässt „Der Schwarm“ so schnell zu einer ausführlichen Lehrstunde im Bereich Meeresbiologie werden. Wer schon bei einer TV-Dokumentation über Wale, Delfine, Quallen, Krebse oder ähnliches Meeresgetier nach kurzer Zeit gelangweilt den Sender wechselt, sollte von der Lektüre vielleicht besser gleich Abstand halten – oder aber zur drastisch gekürzten Hörspielfassung greifen, welche die 38 Stunden auf eine Laufzeit von gerade mal 12 Stunden komprimiert. Denn die Geschichte ist zwar wahnsinnig komplex, besteht aber im Prinzip nur aus zwei verschiedenen Handlungssträngen: Im ersten geht der norwegische Biologe Sigur Johanson der rasanten Wurm-Ausbreitung in der Nordsee im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund, der zweite dreht sich um den Intelligenzforscher Leon Anawak, der in British Columbia für eine Whale-Watching-Station arbeitet und das Rätsel des veränderten Verhaltens der imposanten Meeresbewohner zu erklären versucht. Diese beiden Erzählebenen werden aber derart detailliert beschrieben und umfassen eine Vielzahl weiterer Nebencharaktere, sodass die Haupthandlung insgesamt recht langsam vorankommt – für ungeduldige Hörer könnte die gekürzte Fassung also durchaus eine Lösung sein, ohne dass allzu viele handlungsrelevante Entwicklungen dem Rotstift zum Opfer fallen.
Ein wahres Fest für Hobby-Meeresbiologen
Für Meeres-Fans ist aber gerade die erste Romanhälfte mit ihren minutiösen Beobachtungen und mikroskopisch genauen Forschungen ein wahres Fest und es ist in jedem Kapitel erkennbar, was für eine enorme Recherchearbeit Frank Schätzing in dieses Buch investiert haben muss. Trotz aller wissenschaftlicher Fakten und Zusammenhänge schafft er es aber, die wesentlichen Sachverhalte verständlich und auch einprägsam zu vermitteln, sodass „Der Schwarm“ nicht nur unterhaltsam, sondern auch sehr lehrreich ist – wenn man diesem Themengebiet ein gewisses Interesse entgegenbringt. Darüber hinaus ist es einfach aufregend, wenn man vom Autor an Bord eines Walbeobachtungsschiffes mitgenommen wird und faszinierende Kreaturen wie Orcas „aus nächster Nähe“ miterleben kann. So ist dann auch die rund 15 Stunden lange Einführungsphase zu keinem Zeitpunkt langatmig.
Erst faszinierende Forschungsexpedition, dann Hollywood-Katastrophen-Blockbuster
Sobald Schätzing die weltweiten Anomalien der Weltmeere hinreichend genug aufgedeckt hat und die Menschheit sich der beunruhigenden Vorgänge in den Ozeanen zunehmend bewusst werden, nimmt dann auch die Geschichte merklich an Fahrt auf. Allerdings muss ich gestehen, dass die Geschichte mich in der zweiten Hälfte nicht ganz mehr so begeistert hat wie in den ersten Stunden. Das lag für mich vorrangig daran, dass die Handlung ab der Mitte spürbar politischer wird und sich der Fokus vom Schwerpunkt „Forschung“ mehr zur klassischen Katastrophen-Story entwickelt. Zwar ist es schon beeindruckend, wie Schätzing z.B. die zerstörerische Wucht eines Tsunamis beschreibt und auch seine Erklärung für den seltsamen und bedrohlichen Wandel der Meere ist durchaus überzeugend und gut durchdacht, allerdings wirkt manche Entwicklung zum Ende der Geschichte doch eher wie aus einem durchschnittlichen Hollywood-Blockbuster und kommt manchmal etwas plump rüber, was nicht so ganz zur wissenschaftlichen Korrektheit der ersten Hälfte passen will. Zudem macht es sich der Autor für meinen Geschmack mit der Auflösung der Geschichte etwas einfach, hier hätte ich nach der langen Vorgeschichte einfach eine deutlich tiefergehende Lösung erwartet, sodass mich das Ende ein wenig unzufrieden zurückgelassen hat.
Ein beeindruckender, packender und lehrreicher Öko-Thriller
Trotzdem ist „Der Schwarm“ insgesamt ein beeindruckender Roman, der gekonnt Wissenschaft und Unterhaltung miteinander verbindet und darüber hinaus auch eine kritische Botschaft in Bezug auf den Umgang des Menschen mit den Meeren durchklingen lässt. Ein weiterer Trumpf ist die wie erwartet grandiose Lesung von Stefan Kaminski, der mit seinem gewohnt vielseitigen Vortrag ein wahres Kopfkino entstehen lässt, das einen auch über die fast unvermeidbaren Längen in der zweiten Buchhälfte hinwegrettet. So wird Frank Schätzings Werk zu einem faszinierenden Hör- bzw. Leseerlebnis für Meeres-Fans, Hörer mit einer weniger großen Leidenschaft für das Leben in den Ozeanen sollten aber vermutlich besser mit der gekürzten Fassung vorlieb nehmen.
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Story: | |
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8/10
Ein Dozent an meiner Uni – oder wie auch immer man die Leute nennt, die für die Soft Skills zuständig sind, hat einmal von diesem Buch geschwärmt und es uns allen sehr ans Herz gelegt. Irgendwie ist es dann bei mir aber doch in Vergessenheit geraten.
Ich wusste aber nicht, dass das Buch über 1000 Seiten hat. Nun gut, von sowas soll man sich ja aber auch nicht abschrecken lassen.
Meeresdokumentationen finde ich übrigens spitze! Also, wenn ich dann endlich dazu komme, wird es definitiv die ungekürzte Version werden! (Ich halte von gekürzten Versionen sowieso nicht so viel und vermeide sie, wenn es geht.)
Wenn du schon so ein Meeres-Fan bist ist das Buch bestimmt was für dich und dann würde ich dir auch zur ungekürzten Version raten.
Ich kann mit gekürzten Fassungen auch nicht viel anfangen, vor allem weil ja meist nicht mal der Autor festlegt welche Parts gestrichen werden und die Geschichten dadurch in der Regel immer irgendwie zerrupft werden…