5 Minuten Killer_Rezi

Kelly Summers war einst eine glückliche und lebensfrohe junge Frau, doch ein Tag vor fünf Jahren hat ihr sorgenfreies Leben für immer zum Einsturz gebracht: An diesem Tag wurde sie von Dwight Smith überfallen, brutal vergewaltigt und beinahe getötet. Zwar wurde ihr Peiniger gefasst und verurteilt, doch diese Tat hat aus Kelly unwiderruflich einen anderen Menschen gemacht. Ihr Martyrium ist jedoch immer noch nicht zu Ende, denn kaum hat Smith seine Haftstrafe abgesessen, kehrt dieser zu seinem Opfer zurück, dringt in Kellys Wohnung ein und will sich an ihr für die Jahre im Gefängnis rächen – allerdings hat ihr Vergewaltiger die Rechnung ohne den Mann gemacht, der Smith während seines neuerlichen Angriffs auf Kelly überrascht und ihn kurzerhand überwältigt. Zudem gibt dieser unbekannte Retter Kelly die Gerechtigkeit, auf die sie seit der Tat vor fünf Jahren gewartet hat und die auch Polizei und Justiz ihr nie geben konnten: Fünf Minuten mit ihrem nun wehrlosen Peiniger, in denen sie sich für das ihr zugefügte Leid an dem Mann rächen kann, der damals ihr Leben zerstört hat…

Ein neuer Serienkiller macht Christchurch unsicher – Psychopath oder Superheld?

Der Schlächter von Christchurch, der Friedhofsmörder, der Sensenmann und Melissa X – die Liste der Serienkiller, die in der Vergangenheit in den Büchern von Paul Cleave das neuseeländische Christchurch unsicher gemacht haben, ist lang, doch selbst die durch eine Volksabstimmung im Land gerade erst wieder eingeführte Todesstrafe scheint keine abschreckende Wirkung auf die finsteren Seelen der Stadt zu haben. Denn auch in Cleaves neuestem Roman „Der Fünf-Minuten-Killer“ hat sich wieder ein Mann zum Ziel gesetzt, die Bevölkerung Christchurchs durch die eigene Hand zu dezimieren – allerdings sieht sich dieser Mörder nicht in der Tradition der oben genannten Psychopathen, sondern vielmehr als Superheld, der vermeintlich ganz im Sinne der Einwohner die Stadt von ihrem Abschaum befreit. Er gibt Verbrechensopfern oder ihren Angehörigen nämlich genau das, worum die Polizei nach der Festnahme eines Vergewaltigers oder Killers immer wieder gebeten wird: Fünf Minuten alleine mit dem Täter, um sich in dieser Zeit für das ihnen angetane Leid zu rächen.

Der Zweite-Chance-Cop Theo Tate auf sehr persönlicher Verbrecherjagd

Trotz eines durchaus rasanten Einstiegs mit dem Überfall auf das frühere Vergewaltigungsopfer Kelly Summers und dem damit verbundenen ersten Auftritt des Fünf-Minuten-Mannes (was für den Buchtitel wohl nicht reißerisch genug klang und deshalb durch „Fünf-Minuten-Killer“ ersetzt wurde) gestaltet sich der Einstieg in den mittlerweile achten Band des Christchurch-Zyklus ein wenig holprig. Das ist vor allem dessen geschuldet, dass Paul Cleave zunächst erst einmal die wichtigen Ereignisse aus der Vergangenheit seiner Hauptfiguren zusammenfassen muss, damit „Der Fünf-Minuten-Killer“ auch als eigenständige Geschichte für Neueinsteiger funktioniert. Natürlich sind diese kleinen Wiederholungen auch für erfahrene Christchurch-Touristen hilfreich und aufgrund der vielen verschachtelten Verstrickungen der einzelnen Charaktere auch wohl bitter notwendig, trotzdem stört dies in der Anfangsphase ein klein wenig den Erzählfluss – das ist dann eben die kleine Schattenseite eines so komplexen Mikrokosmos, wie Cleave ihn sich mit seinen Romanen über Jahre hinweg aufgebaut hat. Natürlich wäre „Der Fünf-Minuten-Killer“ auch kein echter Christchurch-Thriller, wenn nicht auch die altbekannten Figuren wieder auftauchen würden. Weil zuletzt in „Opferzeit“ vor allem der „Schlächter von Christchurch“ Joe Middleton, Serienkillerin Melissa X und Detective Inspector Carl Schroeder im Fokus standen, darf hier nun wieder einmal der Ex-Cop, Ex-Privatdetektiv und nun Zweite-Chance-Cop Theodor Tate erneut die Hauptrolle spielen.

Ein weiterer lohnenswerter Ausflug ins düstere und abgründige Christchurch

Wie in vielen Cleave-Thrillern ist auch hier die Frage nach der Identität des Killers kein großes Thema und wird gleich in den ersten Kapiteln aufgelöst, sorgt dabei aber bei Fans des Autors sicherlich für eine dicke Überraschung. Ansonsten sind unvorhergesehene Wendungen oder falsche Fährten in diesem Buch ein wenig Mangelware, was aber nicht groß negativ ins Gewicht fällt, weil Cleave hier ganz andere Prioritäten setzt. In dieser Geschichte geht es nicht nur um Rache, sondern für den Protagonisten auch um einen ganz zentralen Gewissenskonflikt, der einen großen Reiz dieser Mörderjagd ausmacht. Und wenn sich dann Charaktere mit der ein oder anderen Leiche im Keller als moralische Instanz aufspielen und dabei auf ebenso widersprüchliche Figuren treffen, dann birgt das nicht nur einer gewissen makabren Ironie, sondern entwickelt sich wenig überraschend schnell zu einem ziemlichen Dilemma, aus dem es für keinen der Beteiligten einen sauberen Ausweg zu geben scheint. Gerade diese Zwickmühlen machen „Der Fünf-Minuten-Killer“ aber so spannend, weil es in Cleaves Christchurch eben keine simple Schwarz-Weiß-Malerei gibt, sondern keiner der Charaktere mit einer weißen Weste davonkommt. Dass das folgerichtig sehr kompromisslose Ende einen kleinen und dem Zufall geschuldeten Schönheitsfehler aufweist, ist dann nur ein geringer Makel eines ansonsten knackigen und gewohnt harten Thrillers. Nicht vergessen werden darf natürlich auch Hörbuchsprecher Martin Keßler, bei dem man sich zwar manchmal etwas mehr Variantenreichtum in Bezug auf die einzelnen Charaktere wünscht, der dies aber wie immer mit einer enormen Portion Coolness mehr als wettmacht. Nach dem zuletzt etwas schwächeren „Opferzeit“ ist Paul Cleave hier also wieder ein sehr guter Christchurch-Thriller gelungen, der hoffentlich noch längst nicht das Ende des Zyklus darstellt.

Der Fünf-Minuten-Killer
  • Autor:
  • Sprecher: Martin Keßler
  • Original Titel: Five Minutes Alone
  • Reihe: Theodor Tate #4
  • Länge: 13 Std. 20 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Random House Audio, Deutschland
  • Erscheinungsdatum: 11. April 2015
  • Preis 24,95 € (9,95 € im Audible-Flexi-Abo)
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Auch im inzwischen achten Ausflug ins düstere Christchurch von Paul Cleave tun sich wieder reichlich menschliche Abgründe auf, wobei „Der Fünf-Minuten-Killer“ diesmal vor allem durch den spannenden Konflikt zweier altbekannter Hauptfiguren lebt und das Buch somit zu einem wirklich packenden Rachethriller wird.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Hallöchen Sebastian. 🙂
    Ein wirklich wunderbare Rezension hast du geschrieben. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen das Buch als Hörbuch zu hören. Ich habe so eine ganz eigene Vorstellung von Tate und allen, dass mir eine Stimme wahrscheinlich alles „vermiesen“ würde. Ich finde dein Fazit fasst es wunderbar zusammen. Ich war auch wieder sehr begeistert von diesem Buch. Habe deine Rezi auf meinem Blog verlinkt. 🙂

    Liebst, Lotta

    • Hallo Lotta,

      danke für’s Verlinken und für’s Lob! 🙂

      Ich kann mir die Christchurch-Bücher dafür in gedruckter Form kaum vorstellen, die sind für mich einfach fest mit der Stimme des Hörbuchsprechers (Synchronstimme von Nicholas Cage) verbunden und die passt meiner Meinung nach auch perfekt zu den Charakteren und zur Atmosphäre der Bücher 😉