Tags: Expedition, Ferienlager, Krieg, Pubertät, Young Adult
Genre: Science Fiction
Mit seinen erst 15 Jahren ist Ariel bereits durch die Hölle gegangen: Aufgewachsen in einer Kriegsregion und nur durch Glück Überlebender eines blutigen Massakers in seinem Heimatdorf hat der Junge schon eine wahre Odyssee hinter sich, die ihn nun in die Vereinigten Staaten von Amerika und zu einer Adoptionsfamilie geführt hat, wo Ariel endlich in Sicherheit und ohne Todesangst leben kann. Dass das Leben eines gewöhnlichen westlichen Teenagers aber auch nicht immer angenehm ist, muss Ariel erfahren, als er und sein Adoptivbruder Max während der großen Ferien in ein Sommercamp für verhaltensauffällige Jungs geschickt werden, damit seine neuen Eltern in den Wochen eine entspannte Zeit haben können. Und mit einer Horde pubertierender Jungen und einem streng geplanten Tagesablauf mit hartem Drill und Sitzungen bei einer Jugendpsychologin kann so ein Sommer verdammt lang werden…
Von Ferienlagern, Kriegstraumata und historischen Schiffsexpeditionen
Was haben ein jugendlicher Kriegsflüchtling, ein amerikanisches Feriencamp für Problemkinder, eine historische Schiffsexpedition ins ewige Eis und ein wahnsinniger Reisender mit Halluzinationen gemeinsam? Auf den ersten Blick überhaupt nichts, trotzdem sind gerade dies die Kernelemente der vier Handlungsstränge, die Andrew Smith in seinem neuen Roman „The Alex Crow“ vereint. Das klingt zunächst nach einer ziemlich seltsamen Kombination, bei einem Autor, der mit diebischem Vergnügen über wild korpulierende und menschenfressende Riesen-Gottesanbeterinnen („Grasshopper Jungle“) schreibt, sollte einen ein solcher Mix jedoch nicht völlig verwundern. Trotzdem gestaltet sich der Einstieg in diese Geschichte ungewohnt holprig, da sowohl die Erzählstränge an sich als auch die ständigen Sprünge zwischen diesen sehr befremdlich wirken und es den Lesern schwer machen, sich in das Buch hinein- und dort dann zurechtzufinden.
Die Suche nach dem roten Faden
Der normalste Teil der Handlung spielt sich dabei noch im „Camp Merrie-Seymour for Boys“ ab, wo der 15-jährige Ariel und sein Adoptivbruder für den Sommer geparkt wurden – warum gerade der schüchterne Kriegsflüchtling und sein zwar vorlauter, aber keinesfalls verhaltensauffälliger Leidensgenosse in diesem Problemkinder-Ferienlager versauern dürfen, wissen dabei aber wohl nur ihre Eltern und Andrew Smith selbst. Das Szenario wirkt doch sehr erzwungen und so ein wenig fragt man sich beim Lesen auch, warum der Autor sich ausgerechnet dieses Setting und diese Charaktere herausgesucht hat – man sucht nämlich lange nach dem roten Faden, denn abgesehen von den drögen Tagesabläufen im Camp und hormongetränkten Jungsgesprächen passiert in diesen Abschnitten des Buches eigentlich reichlich wenig. Es ist zwar durchaus amüsant, Zeuge der geradezu überbordenden Kreativität von Ariels Adoptivbruder in Bezug auf die Umschreibung männlicher Masturbation zu werden, ob das in Ergänzung mit allgemeinem Rätselraten über die Existenz weiblichen Spermas allerdings ausreicht um ein Buch zu füllen, darf zumindest bezweifelt werden – zumal Ariel vermutlich die langweiligste Hauptfigur ist, die Andrew Smith jemals erschaffen hat. Obwohl die Geschichte sogar aus dessen Perspektive erzählt wird, erfährt man nämlich nahezu nichts über Ariel und dessen Gefühlswelt und für die unterhaltsamen Momente sind ohnehin stets seine Mitstreiter verantwortlich.
Ein befremdlich wirkender Story-Mix mit seltsam blasser Hauptfigur
Leider sind auch die drei weiteren Handlungsstränge vornehmlich deshalb interessant, weil man versucht herauszufinden, wie sich diese merkwürdigen Puzzlestücke zu einem sinnigen Gesamtbild zusammenfügen lassen könnten. Für sich genommen sind aber sowohl die kurzen (und verwirrenden) Abschnitte aus der Sicht des Geisteskranken als auch die Tagebucheinträge der Schiffsexpedition aus dem späten 19. Jahrhundert inhaltlich eher enttäuschend. Lediglich Ariels traumatische Kriegserlebnisse bringen die Geschichte zumindest teilweise weiter und sorgen gerade zum Ende hin für ein paar emotionale Regungen, da dessen schlimmes Schicksal einem dann doch einen Kloß in den Hals treibt. Letzten Endes stellt sich der Großteil des Buches aber als viel heiße Luft heraus und lässt einen nach der Lektüre ein wenig ratlos zurück. „The Alex Crow“ ist zwar kein Totalausfall, hat durchaus seine amüsanten Momente und lässt sich auch ganz gut „weglesen“, man kommt abschließend aber wohl kaum um die Frage herum, was Andrew Smith mit diesem Werk eigentlich aussagen wollte. Der Charme und die Emotionalität eines „Winger“ werden hier ebenso klar verfehlt wie das absurd-witzige B-Movie-Flair eines „Grasshopper Jungle“ – zwar geht „The Alex Crow“ vom Stil her in eine nicht unähnliche Richtung wie letztgenanntes Buch, ist aber nur auf eine eher befremdliche statt unterhaltsame Art und Weise merkwürdig und damit für mich leider der bisher schwächste (von mir gelesene) Roman von Andrew Smith.
Cover: | |
Charaktere: | |
Story: | |
Atmosphäre: |
5/10
Danke für die interessante Rezension. Ich habe leider keine Lust mehr, das Buch zu lesen.