Run_Rezi

Rylee ist kein Teenager wie jeder andere. Seit sie denken kann ist ihr Leben eine einzige Fassade, bis ins kleinste Detail geplant und von klaren Regeln vorgegeben – Regeln, die über Leben und Tod entscheiden können. Dazu gehören ständige Ortswechsel, keine engen Bindungen zu anderen Menschen und ein dichtes Netz an Lügen, das keine einzige Schwachstelle haben darf. Nur mit diesen selbst auferlegten Einschränkungen ist es Rylee und ihrer Familie möglich, ein Leben zu führen, das ihnen zumindest ein Gefühl von Sicherheit und Freiheit vorgaukelt. Doch als die 15-Jährige eines Tages von der Schule nach Hause kommt und sie ihren schreienden kleinen Bruder neben der blutüberströmten Leiche ihres Vates vorfindet, wird ihr sofort klar, dass alle Sicherheitsvorkehrungen nicht sicher genug waren – es ist das eingetreten, wovor sich die Familie all die Jahre lang gefürchtet hat. Und es gibt nur einen Weg, um diesen Albtraum ein für allemal zu beenden: Rache.

Eine 15-Jährige auf Rachefeldzug

Man muss nicht lange warten, bis „Run“ von Gregg Olsen Fahrt aufnimmt und der schlagkräftige Titel zur Mission für die jugendliche Protagonistin des Buches wird. War Rylee auf dem Heimweg gerade noch mit den Gedanken bei ihrem heimlichen Schwarm, steht sie nur einen Moment später neben der Leiche ihres Vaters, aus dessen Brust immer noch das tödliche Messer herausragt. Auch von ihrer Mutter fehlt jede Spur, doch drei mit Blut geschriebene Buchstaben auf dem Boden reichen aus, um in Rylee das Protokoll abzurufen, das ihr von ihren Eltern all die Jahre eingetrichtert wurde: RUN. Für Trauer bleibt keine Zeit, stattdessen hat oberste Priorität, erst einmal sich selbst und ihren kleinen Bruder Hayden in Sicherheit zu bringen. Die Leser werden hier erst einmal geschickt in der Luft hängen gelassen und man hat keine Ahnung, warum Rylee fast schon beängstigend abgeklärt auf den brutalen Todes ihres Vaters reagiert und was es generell mit ihrer Familie und den angedeuteten seltsamen Regeln und Ritualen auf sich hat – ein Auftakt, der auf jeden Fall neugierig macht.

Guter Spannungsaufbau und clevere Geheimniskrämerei

Nach dieser Dramatik gleich zu Beginn darf dann aber doch einmal kurz durchgeatmet werden. Leser und Protagonistin können sich kurz sammeln und langsam mit der Aufarbeitung der Ereignisse beginnen. Es gibt nach und nach die ersten Antworten auf drängende Fragen, die aber eigentlich eher für noch mehr Verwirrung sorgen. Und auch wenn man als routinierter Thrillerfan von so mancher Enthüllung nicht ganz so geschockt ist wie der Autor sich das vermutlich vorgestellt hat, so macht Gregg Olsen in Sachen Geheimniskrämerei und Spannungsaufbau einen wirklich soliden Job. Da das Buch mit nur rund 240 Seiten auch nicht allzu umfangreich ist, gibt es fast zwangsläufig auch keinen Leerlauf – allzu viel Tiefgang sollte man aus gleichem Grund aber auch nicht erwarten. So braucht man z.B. auch eine Weile um zur Hauptfigur eine Bindung aufzubauen – denn Rylee wirkt häufig ein wenig unterkühlt und nicht immer wie eine 15-Jährige, die gerade vor dem Mörder ihres Vaters davonläuft.

Temporeicher und kompromissloser Auftakt der Vengeance-Reihe

Passend zur ziemlich reif dargestellten Protagonistin geht es auch bei der Geschichte recht kompromisslos und zuweilen auch durchaus drastisch zur Sache. Spätestens im knallharten Schlussdrittel wird klar, warum der Roman vom Verlag geschickt mit einem „Dexter“-Vergleich beworben wurde. Garniert wird das Ganze noch mit einigen netten Wendungen und Überraschungen, sodass Gregg Olsens „Run“ insgesamt ein guter und flotter Thriller geworden ist, der trotz des YA-Stempels sicherlich auch bei einer etwas erwachseneren Leserschaft gut ankommen dürfte. Denn auch wenn kleinere Logikschwächen und Ungereimtheiten nicht ausbleiben, macht gerade der düstere Schlussteil Lust auf weitere Bände der sogenannten neuen „Vengeance“-Reihe.

Run
  • Autor:
  • Reihe: Vengeance Series #1
  • Umfang: 256 Seiten
  • Verlag: Hot Key Books
  • Erscheinungsdatum: 1. Mai 2014
  • Preis Taschenbuch 8,70 €/eBook 3,90 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Spannender und kompromissloser YA-Thriller, der mit seiner düsteren und wendungsreichen Story das Tempo hochhält und eine resolute – wenn auch etwas unterkühlte – Heldin bietet.

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Eine Anwort zu diesem Beitrag

  • Oh, dieser Thriller klingt super, denn hätte ich mir sofort gekauft, wenn es eine deutsche Ausgabe geben würde. Sollte heuer wohl mein Englisch auffrischen. 😉