Tags: Comics, Coming-of-age, Erwachsenwerden, Internat, Liebe, Mobbing, Rugby, Ryan Dean West, Schule
Genre: Humor, Jugendroman
Als hätte es Ryan Dean West als einziger 14-Jähriger unter den ansonsten deutlich älteren Schülern am Pine Mountain Internat für Kinder reicher Familien noch nicht schwer genug, so droht das neue Schuljahr für ihn noch einmal besonders hart zu werden. Dank eines Schulstreichs im Jahr zuvor muss Ryan Dean die nächsten Monate nämlich in der „Opportunity Hall“, dem Trakt der Problemschüler, verbringen – das Wohnheim, in dem es vor arroganten und konfrontationsfreudigen Muskelpaketen nur so wimmelt. Als dann gerade der schlimmste Vertreter dieser Sorte nun ausgerechnet auch noch Ryan Deans Zimmergenosse wird, ist der schmächtige Teenager davon überzeugt, das Schuljahr nicht lebend zu überstehen. Dabei wäre es doch gerade in diesem Jahr besonders wichtig, nicht wie das hilflose kleine Kind zu wirken, um endlich die 16-jährige Annie Altman für sich zu gewinnen…
Die klassische Außenseiter-Story in der Andrew-Smith-Variante
Nachdem ich Anfang des Jahres vom Andrew Smiths skurrilem Weltuntergangs-Contemporary-Mix „Grasshopper Jungle“ so begeistert war, habe ich mir vorgenommen, unbedingt noch weitere Werke dieses Autors zu lesen – und da in der Bloggerszene alle in höchsten Tönen von „Winger“ schwärmen, habe ich mich nun endlich mit entsprechend hohen Erwartungen an diese Lektüre begeben. Die Ausgangssituation ist dabei ähnlich, denn auch hier wird die Geschichte aus der Sicht eines hormongesteuerten und mitten in der Pubertät befindlichen Jungen geschildert, der sich gleich zu Beginn des Buches schon kräftig für die Rolle des bemitleidenswerten Pechvogels bewirbt. Ryan Dean West ist ohnehin schon das Küken am Pine Mountain Internat und bekommt es dank eines Fehltritts nun auch noch mit der geballten Ladung der Schultyrannen zu tun – so beginnt die Erzählung des 14-Jährigen dann auch standesgemäß mit dem Kopf in der Kloschüssel…
Gewöhnlicher Plot, aber charmant und witzig erzählt
Das Szenario mit dem etwas uncoolen Außenseiter an einem Internat ist nun nicht gerade unglaublich originell und im Prinzip entwickelt sich die Geschichte dann auch so, wie man es nach dem Klappentext auch erwarten konnte. Ryan Dean muss sich den verbalen und körperlichen Attackten seiner älteren Mitschüler erwehren und peinliche Mutproben absolvieren, während der Rest seines Alltags von Schulstunden, Rugby-Training und den unbeholfenen, aber durchaus charmanten Annäherungsversuchen an seine beste Freundin und (mehr oder weniger) heimlichen Schwarm bestimmt wird. Klingt nicht sonderlich spektakulär, liest sich dank der amüsanten Erzählweise des Protagonisten und den kurzen, abwechslungsreichen Kapiteln aber sehr kurzweilig. Ryan Deans Versuche, sich unter den einschüchternden Kraftpaketen zu behaupten, haben hohes Unterhaltungspotenzial und die niedlichen Gespräche und Neckereien zwischen ihm und der zauberhaften Annie Altman bilden einen stimmigen Gegenpol zu den doch eher rustikaleren Jungs-Szenen. Damit es dann zwischen den lustigen und/oder peinlichen Anekdoten auch mal ein bisschen ernster wird, gibt es dann auch noch den schwulen Mitschüler, der sich täglich den zu erwartenden Problemen ausgesetzt sieht. So riecht manches doch ein wenig nach den üblichen Genre-Klischees, Andrew Smith greift dieses und andere Themen des Erwachsenwerdens aber erfreulich unverkrampft auf.
Liebevoll gestaltet und mit knüppeldickem Ende
Was „Winger“ aber hauptsächlich von anderen Vertretern der Coming-of-Age-Romane abhebt, sind zum einen die visuellen Untermalungen der Handlung. Als leidenschaftlicher und durchaus begabter Zeichner schmückt Ryan Dean West seine Erzählung nämlich mit vielen kleinen Diagrammen, Skizzen und Comics aus, was wirklich sehr gut zum Charakter der Geschichte passt und ebenso witzig ist wie Smiths Schreibstil. Der fast noch größere Trumpf des Buches ist aber das Ende, dessen erzählerische Wucht ich nach den vorangehenden 400 Seiten niemals so erwartet hätte und das zum Abschluss wie ein Schlag in die Magengrube wirkt. Diese letzten Abschnitte heben „Winger“ noch einmal auf ein ganz anderes Level und sorgen dafür, dass Smiths zuvor so locker-leichter Young-Adult-Roman mit Sicherheit noch eine ganze Weile nachhallen wird. Eine Fortsetzung ist übrigens bereits in Arbeit…
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Charaktere: | |
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9/10