Tags: Apokalypse, Flugzeugabsturz, Kinder, Medien, Religion, Überlebende, Verschwörung
Genre: Drama, Mystery, Sachbuch, Thriller
Der 12. Januar 2012 ist der Tag, der als „Black Thursday“ in die Geschichte eingehen wird. An diesem Donnerstag ereignen sich innerhalb von nur wenigen Stunden in den USA, im Meer vor Großbritannien, in Japan und in Südafrika vier schreckliche Flugzeugabstürze, bei denen insgesamt mehr als 1.000 Menschen ums Leben kommen. Nur drei Menschen überleben die Unglücke und bleiben zudem wie durch ein Wunder nahezu unverletzt – und alle drei Überlebenden sind kleine Kinder. Zunächst gehen die ermittelnden Behörden und die Öffentlichkeit von einem verheerenden Terrorakt als Ursache für die Abstürze aus, doch als auch nähere Untersuchungen der Trümmerteile keine Anzeichen für einen Anschlag ergeben, werden die Medien von wilden Verschwörungstheorien überschwemmt und es entbrennt ein unglaublicher Hype um die drei Kinder, die fortan nur noch als „The Three“ bezeichnet werden. Denn vor allem die letzte Botschaft eines der tödlich verunglückten Opfer gibt der Menschheit Anlass zu großer Beunruhigung…
Ein Mystery-Thriller, in dem sich ein Sachbuch versteckt
„The Three“, dem neuen Mystery-Thriller von Sarah Lotz, habe ich entgegengefiebert seit mir das Buch im vergangenen Oktober auf der Frankfurter Buchmesse ins Auge gesprungen ist und ich konnte es seitdem kaum erwarten, den Roman endlich in den Händen zu halten. Als es dann so weit war, erlebte ich schon nach knapp 10 Seiten eine dicke Überraschung: „The Three“ hat keine durchgängige Storyline, sondern liefert vielmehr ein Buch im Buch. Nach dem kurzen, aber ungemein intensiven Prolog, der einen der vier Flugzeugabstürze aus der Sicht eines Opfers schildert, offenbart sich dem Leser nämlich das fiktive Sachbuch (!) „Black Thursday – From Crash to Conspiracy“, in dem die ebenso fiktive Autorin Elspeth Martins in monatelanger Recherche Informationen über den mysteriösen 12. Januar 2012 zusammengetragen hat. Das Ergebnis, bestehend aus Augenzeugenberichten, Skype-Interviews, Biographie-Auszügen, Blogartikeln, Chat-Protokollen und Zeitungsartikeln, wird dem Leser fortan 1:1 präsentiert und nimmt rund 95 % von „The Three“ ein. Was bei einer Erwartungshaltung auf einen spannenden Mystery-Thriller zunächst nach einer herben Enttäuschung und trockener Berichterstattung klingt, entpuppt sich jedoch schnell als genialer Schachzug.
Außergewöhnliche, abwechslungsreiche und intensive Erzählweise
Sarah Lotz’s Roman ist nämlich alles, nur nicht trocken. Denn bereits die ersten Augenzeugenberichte liefern gute und eindringliche Einblicke in das Ausmaß dieser weltweiten Katastrophe. Man erfährt von Rettungssanitätern, wie sich diese am Unglücksort durch ein wahres Inferno aus Trümmern- und Leichenteilen kämpfen mussten, von Hinterbliebenen der Opfer, wie diese vom Tod ihrer Liebsten erfahren haben oder von Ermittlern der Untersuchungsbehörden, wie sie fieberhaft nach einer Erklärung für die fast zeitgleichen Abstürze gesucht haben. Lotz findet hier eine sehr gute Mischung zwischen emotionalen Aussagen der Angehörigen, weitestgehend neutralen Informationen durch Medienberichten und wilden Spekulationen anhand von Blog- oder Chatauszügen. Aus den vielen Erzählperspektiven heben sich schnell eine Handvoll Charaktere hervor, die im Laufe des Buches zu so etwas wie Hauptfiguren werden und in der Regel aus dem unmittelbaren Umfeld der überlebenden Kinder stammen. So z.B. der eher erfolglose Schauspieler Paul Craddock, der nach dem Tod seines Bruders und dessen Frau nun die Erziehung von Jess, eines der als „The Three“ von der Öffentlichkeit gebrandmarkten Kinder, übernehmen muss – und an der Verantwortung und der Trauer fast zerbricht.
Hoher Suchtfaktor, sehr hohe Authentizität
„The Three“ legt zwar kein besonders hohes Tempo vor und bietet auch keinen Nervenkitzel im herkömmlichen Sinne, entwickelt sich aber dennoch schnell zum absoluten Pageturner. Man will immer mehr über das Mysterium hinter den Flugzeugabstürzen und den überlebenden Kindern erfahren und lässt sich auch durch die meist sehr kurzen Berichte immer wieder zum Weiterlesen verleiten – nur noch diesen kurzen Blogartikel, nur noch diese eine Aussage, und schon sind wieder 100 Seiten (Achtung: Wortspiel…) wie im Flug vergangen. Das Faszinierende an dem Roman ist dabei, dass sich durch diesen Sachbuch-Charakter die Geschehnisse unheimlich authentisch anfühlen. Die vielleicht erwarteten Mystery- und Horrorelemente sucht man meist vergeblich, wenn aber doch mal in den Berichten seltsame Ereignisse erwähnt werden, sorgen diese dann aber nur umso mehr für Gänsehaut. Zudem ist es unglaublich spannend zu beobachten, wie sich die Geschehnisse nach den Abstürzen förmlich verselbstständigen und teilweise zu abstrusen Entwicklungen wie der Gründung religiös-fanatischer Gruppierungen führen, die in den drei Kindern die Vorboten der nahenden Apokalypse sehen. Man hat beim Lesen häufig das Gefühl, Sarah Lotz hat die Menschheit einfach nur mit einem rätselhaften Ereignis konfrontiert und dann abgewartet, wie diese darauf reagiert. Die Hauptfrage ist nämlich gar nicht unbedingt, warum es zu den Flugzeugabstürzen kam, sondern eher, ob diese überhaupt eine Bedeutung haben und ob deren rasche Abfolge nicht vielleicht nur ein unglaublicher Zufall war. Denn auch wenn Lotz wilden Spekulationen und Verschwörungstheorien weit die Tore öffnet, hat man dennoch stets das Gefühl, alle Folgen des „Black Thursday“ könnten sich genau so in der Realität abspielen – und zwar mit all ihren Extremen.
Unglaublich intensives Leseerlebnis mit verstörender Sogwirkung
Gerade diese Authentizität macht „The Three“ zu einem ungemein intensiven Leseerlebnis, das zudem spannende und oftmals auch sehr tragische Einzelschicksale bietet und mit einer dichten Atmosphäre fesselt – etwa wenn Lotz das Geschehen in den japanischen Aokigahara-Wald verlegt, einem Ort von fast märchenhafter Schönheit, der mit seiner schockierenden Historie (nach der Golden Gate Bridge der Ort mit der weltweit höchsten Selbstmordrate) aber zugleich eine traurig-magische Anziehungskraft ausübt. Einen vergleichbaren Sog entwickelt auch „The Three“, dem man sich gerade zum Ende hin kaum entziehen kann. Gerade dieser Schluss wird für viele vermutlich dann wohl aber auch zum Knackpunkt, denn Sarah Lotz liefert keine Aufklärung im eigentlichen Sinne, sondern lässt die Leser mit relativ viel Interpretationsspielraum zurück – besonders durch das auf das Sachbuch folgende „Nachwort“, das dann eigentlich zum ersten Mal den Mysteryfaktor so richtig in die Höhe schraubt. Ich war mir selbst unmittelbar nach dem Buch nicht sicher, wie ich zu diesem eher freien Ende stehen soll, nach ein paar Tagen Abstand komme ich jedoch zur Einschätzung: Es ist perfekt. Es sorgt nämlich dafür, dass einen das Buch auch nach der Lektüre lange Zeit nicht loslässt und man das Gelesene noch ein wenig verarbeiten muss. Und genau das ist es meiner Meinung nach, was die wirklich außergewöhnlichen Bücher auszeichnet. Von daher gibt es von mir die volle Punktzahl und eine absolute Leseempfehlung – wenn man sich darauf einstellt, dass es kein Mystery-Thriller, sondern eher eine Mischung aus Sachbuch, Verschwörungsgeschichte und Mystery-Drama ist.
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10/10
„Ein Buch im Buch“ reicht mir schon aus um es haben zu wollen! 😀
Hat deine Ausgabe jetzt eigentlich den schwarzen Schnitt? Dann will ich nämlich die gleiche Ausgabe 😀
Ich dachte jetzt kommt „reicht schon um es nicht haben zu wollen“, nach dem Reinfall mit „S.“ 😀
Es ist aber ein „Sachbuch im Buch“, wenn dich das nicht abschreckt^^
Und natürlich hat das NICHT den geilen schwarzen Buchschnitt :/
Ich bin bei dem Buch irgendwie eh total verwirrt. Eigentlich erscheint das ja erst am 22.05., Amazon hat’s aber schon Anfang Mai verschickt, es steht aber immer noch als vorbestellbar drin.
Und laut Goldmann Verlag wird das auch ne Serie. Ich finde dazu aber null Informationen und irgendwie wüsste ich auch nicht worum sich ein zweiter Teil drehen könnte. Für mich ist die Geschichte eigentlich zu Ende erzählt…
Nene, ich mag das Konzept von Buch in Buch schon ganz gerne und lass mich da von S nicht abbringen 😀
Ich hab mal gesucht: „The Three is the first half of a six-figure, two-book deal Lotz made with Hodder and Stoughton in 2012….The TV rights to The Three and the sequel, Day Four…“ 😉
Die Info mit dem Deal habe ich auch noch gefunden, da hieß es aber nur: „… The Three as well as another book“…
Frag mich ja wirklich worum sich das Sequel dann noch drehen soll. Aber das mit der Mini-Serie ist geil \o/
Wäre doch eigentlich auch was für J.J. Abrams… XD
Ich werde da wohl einfach mal noch ein wenig warten XD
Vielen Dank für die Kritik! Das macht eindeutig neugierig!
Da ich erstmal genug auf dem SUB hab, warte ich bis August, wenn es auf dt rauskommt. Oder ist das englische Original einfach zu lesen? Frage wegen „dem Buch im Buch“?
Ich finde das lässt sich relativ einfach lesen, weil das meiste ja aus Zeugenaussagen etc. besteht und die sprachlich nicht besonders anspruchsvoll sind.
Wenn man ab und zu mal was auf Englisch liest, sollte man da eigentlich keine Probleme haben…
Wow, tolle Rezi – muss das Buch haben, sofort und unbedingt!
PS: Bin irgendwie grad über deinen Blog gestolpert und so angetan, dass ich hier auch mal durch ältere Beiträge stöbere 🙂
Na dann nichts wie ab in den Buchladen (gibt es ja seit dieser Woche auch auf Deutsch)!
(Danke für’s Lob 🙂 )
Hey, ich habe gerade deinen Blog entdeckt und da ich gestern „Die Drei“ zu Ende gelesen habe musste ich mir deine Rezi doch mal direkt durchlesen.
Ich muss allerdings sagen, dass wir da komplett gegensätzlicher Meinung zu sind. Für mich war das Buch eine absolute Enttäuschung, vor allem wegen des Sachbuch-Stils und des offenen Endes. Mich hat es sehr frustriert zurückgelassen. So unterschiedlich können die Meinungen da sein! 😉
Liebe Grüße!