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Ein Mann erforscht die Geschichte seines Hauses und rollt dabei einen 60 Jahre alten Mordfall auf.

Nach einer erfolgreichen Hollywood-Karriere als Filmkomponist in Los Angeles kehrt Chris Lowndes mit Anfang 60 zurück in seine englische Heimat, wo er sich in der Grafschaft Yorkshire ein altes Haus kauft. Im geschichtsträchtigen Kilnsgate House will sich Chris eine Auszeit vom Filmgeschäft nehmen, sein musikalisches Meisterstück komponieren und dabei den Tod seiner geliebten Frau Laura verarbeiten. Während der Eingewöhnung in sein neues Heim stöbert er ein wenig in der Historie des Anwesens und erfährt, dass dort in den 1950er Jahren ein Mord stattgefunden hat: Der renommierte Arzt Dr. Edward Fox wurde damals in seinem eigenen Haus vergiftet, seine Frau Grace für die Tat verurteilt und anschließend durch den Galgen hingerichtet. Chris verspürt jedoch eine seltsame Verbindung zu der Verurteilten und ist davon überzeugt, dass Grace damals zu Unrecht des Mordes bezichtigt wurde und setzt alles daran, die Unschuld der Frau zu beweisen…

Kriminalhistorie und Trauerbewältigung auf dem englischen Lande

Der britische Autor Peter Robinson ist in der Buchbranche vor allem für seine Krimis der Inspector-Banks-Reihe bekannt, die ihm bereits zahlreiche Preise eingebracht haben. Sein Roman „Before the Poison“ erzählt jedoch eine eigenständige Geschichte und spielt in der Heimat des Autors, der englischen Grafschaft Yorkshire. Hauptfigur ist der Oscar-prämierte Komponist Chris Lowndes, der zwar in Hollywood-Kreisen einen ausgezeichneten Ruf genießt, in der Öffentlichkeit aber ansonsten völlig unbekannt ist – denn nur die Minderheit des Kinopublikums achte beim Film schließlich auf die Musik, wie Chris immer behauptet. Seine Karriere in der Filmbranche hat ihm aber ein beachtliches Vermögen eingebracht, mit dem es sich in England ein angenehmes Leben ohne Stress und Verpflichtungen führen lässt. So kann man dann auch schon mal wie Lowndes ein Haus kaufen, das man zuvor nur auf Fotos gesehen hat. Ursprünglich als Altersruhesitz für sich und seine Frau Laura gedacht, nutzt Chris das Anwesen nun für einen Neustart, auch wenn ihm sein tragischer Verlust noch immer schwer zu schaffen macht.

Sehr ruhige Geschichte mit einigen Ungereimtheiten

Peter Robinson schlägt in seiner Geschichte sehr ruhige Töne an und nimmt sich viel Zeit, seinen Protagonisten der Leserschaft vorzustellen und den Grundstein für die Handlung zu legen. Dabei steht vor allem der Fall Grace Elizabeth Fox im Mittelpunkt, die 1953 für den Mord an ihrem Mann gehängt wurde – ein Prozess, der Chris Lowndes bei seinen von Neugier getriebenen Nachforschungen arg voreingenommen erscheint und welcher der Angeklagten keine faire Chance zur Verteidigung gegeben habe. Die Story um ein Haus mit mörderischer Vergangenheit ist zwar alles andere als originell, der Fall an sich scheint aber interessant genug, um zumindest zu einem soliden Krimiplot zu führen. Allerdings wirkt in „Before the Poison“ vieles etwas befremdlich und stellenweise sehr konstruiert, was die Handlung häufig leicht ins Absurde abrutschen lässt. So ist es zum einen völlig verständlich, dass ein Hausbesitzer von der skandalträchtigen Geschichte seines Anwesens fasziniert ist und ein wenig in der Historie wühlt oder im Dorf nach Zeitzeugen sucht. Albern ist es hingegen, wenn ein gestandener Mann auf eigene Kosten durch die halbe Welt reist, um die 60 Jahre zurückliegende Hinrichtung einer Frau zu untersuchen, die in keinerlei Verbindung zu ihm steht und für dessen Unschuld es darüber hinaus keinen einzigen stichfesten Hinweis gibt. Lowndes‘ Theorie beruht auf reinem Bauchgefühl und dass er sich derart und gegen viele Widerstände in ein solches Unterfangen reinsteigert, wirkt doch etwas befremdlich.

Überschaubare Spannung, aber starkes Ende

Leider bleibt bei der sehr bedächtigen Erzählweise auch die Spannung auf der Strecke, vor allem der Mittelteil zieht sich arg in die Länge. Hier wird deutlich, dass es dem Autor einfach nicht gelingt, den Fall Grace Fox spannend genug zu gestalten. Zudem schweift Robinson häufig von den Ermittlungen ab und „spendiert“ seiner Hauptfigur noch eine komplizierte Romanze, sodass man sich in so mancher Passage an einen Rosamunde-Pilcher-Film erinnert fühlt. Zudem ist Chris Lowndes als Hauptfigur zwar durchaus sympathisch, die ständigen Ausschweifungen bezüglich seiner Musikleidenschaft oder seiner Essgewohnheiten strapazieren aber auf Dauer zusätzlich die Geduld des Lesers. Da kommt es umso unerwarteter, dass Peter Robinson zum Schluss doch noch eine Überraschung parat hat und seinem Roman ein starkes Ende verpasst, mit dem schon fast nicht mehr zu rechnen war. Somit hinterlässt „Before the Poison“ trotz aller Längen und Ungereimtheiten letztlich doch noch einen versöhnlichen Gesamteindruck.

Fazit:
Solider Kriminalroman, dessen gute Auflösung ein wenig über den langatmigen Mittelteil und manch logische Schwachstelle hinwegrettet (6/10).

Before the Poison
Autor: Peter Robinson; Umfang: 448 Seiten; Verlag: Hodder & Stoughton; Erscheinungsdatum: 2. Februar 2012; Preis: Taschenbuch 9,30 €/eBook 3,99 €.

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