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Der Traum eines jeden Lesers: Ein geheimnisvoller Buchladen, der rund um die Uhr geöffnet hat. In Robin Sloans „Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore“ wird diese Wunschvorstellung Wirklichkeit…

Clay Jannon ist Mitte Zwanzig, lebt in San Francisco und verdient sich sein Geld als Webdesigner – wenn er denn tatsächlich Geld verdienen würde. Seine Anstellung bei einem kleinen Unternehmen, das sich auf den Verkauf von Bagels spezialisiert hat, hat er nämlich vor einer Weile aufgrund der Überhand nehmenden Ausbreitung gewaltiger Fastfood-Ketten verloren. Nach mehrmonatiger erfolgloser Jobsuche sind seine Ansprüche inzwischen dramatisch gesunken und Clay ist mehr oder weniger dazu bereit, jede Stelle anzunehmen, die ihm seinen Lebensunterhalt garantiert.

Ein durchgängig geöffneter Buchladen voller seltsamer Geheimnisse

Durch Zufall stößt er dann auf einen kleinen Buchladen, der dringend einen Verkäufer für die Nachtschicht sucht – denn „Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore“ hat tatsächlich rund um die Uhr geöffnet. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Ladenbesitzer Mr. Penumbra bekommt Clay den Job dann auch wirklich angeboten und nimmt auf der Stelle an, denn der Faszination dieses ungewöhnlichen Buchladens kann er sich nur schwer entziehen. Allerdings muss er schnell feststellen, dass in dem Geschäft einige seltsame Dinge geschehen und Clays Neugier, hinter das Geheimnis des rätselhaften Mr. Penumbra und seinem Laden zu kommen, ist geweckt…

Ein Wunderland für Buchliebhaber

Wenn ein Buch schon den vielversprechenden Titel „Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore“ trägt, fällt es mir schwer, mich nicht augenblicklich zu dem Roman hingezogen zu fühlen. Wenn es dann noch ein Cover hat, das im Dunkeln leuchtet, ist dann bei mir auch der letzte Widerstand gebrochen und der Weg ins heimische Bücherregal geebnet. Und tatsächlich bekommt man dann schon nach den ersten Seiten ein gutes Gefühl, dass die hohen Erwartungen an das Buch gerechtfertigt sind – denn spätestens wenn man zum ersten Mal die wundersame Welt von Mr. Penumbras Buchladen betritt, ist es wohl um jeden Büchernerd geschehen. Zwar ist das Geschäft auf den ersten Blick klein und sehr beengt, dafür reichen die dicht an dicht stehenden Bücherregale aber meterhoch in die Höhe und scheinen kein Ende zu nehmen. Robin Sloans Beschreibungen sind dabei so anschaulich und verzaubernd, dass man am liebsten in den nächsten Flieger Richtung San Francisco steigen möchte, nur um dem Laden einen kleinen (naja, wohl eher tagelangen) Besuch abstatten möchte.

Seltsam, rätselhaft, verzaubernd

Man beneidet die Hauptfigur des Buches förmlich um seinen Job, auch wenn dieser bei näherer Betrachtung ziemlich eintönig ausfällt. Denn nicht selten vergehen Clays Nachtschichten, ohne dass auch nur ein einziger Kunde dem Laden einen Besuch abstattet – und wenn sich dann doch mal jemand in den Laden verirrt, so sind dies meist die immer gleichen seltsamen Gestalten, die sich nicht weniger seltsame Bücher ausleihen. Denn auch im angebotenen Sortiment unterscheidet sich „Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore“ drastisch von herrkömmlichen Buchläden: Aktuelle Bestseller findet man dort so gut wie gar nicht, stattdessen bietet sich den Kunden ein scheinbar willkürlich zusammengestelltes Angebot an gebrauchten Büchern, deren Titel wohl nur die wenigsten Besucher je zuvor gehört haben.

Von alten Büchern und modernster Technik

Doch es sind genau diese Merkwürdigkeiten, welche die Faszination des Buchladens und damit auch des Buches selbst ausmachen. Man möchte unbedingt wissen, was hinter diesem seltsamen Konzept steckt und Robin Sloan versteht es hervorragend, die Neugier seiner Leser durch immer neue kleine Geheimnisse und Rätsel auf die Spitze zu treiben. Überraschenderweise dreht sich Sloans Roman aber nicht nur um Bücher, sondern er stellt den klassischen und analogen Medien auch deren digitale Pendants gegenüber, denn neben dem Buchladen spielt zum Beispiel auch Google in der Handlung eine wichtige Rolle – und damit ist nicht die Suchmaschine, sondern der Konzern dahinter gemeint, der zu einem nicht unwesentlichen Teil ein Schauplatz der Geschichte ist. Es ist sehr interessant zu verfolgen, wie Robin Sloan diese beiden krassen Gegensätze kombiniert und es schafft, die Faszination alter Bücher mit den Vorteilen moderner Technik zu ergänzen. Dabei agiert er vor allem völlig wertungsfrei und stellt die Mitarbeiter Googles genauso sympathisch nerdig dar wie den Figurenkreis um den geheimnisvollen Buchladen. Gerade dieser Kontrast zwischen Altem und Neuen macht wirklich einen großen Teil des Reizes dieses Buches aus.

Kleine Längen im Schlussviertel

An den ersten drei Vierteln des Buches habe ich überhaupt nichts auszusetzten, die Zeit vergeht beim Lesen wie im Flug und man findet immer wieder neue Details, von denen man sich verzaubern lassen kann. Dann allerdings geht der Geschichte leider etwas die Puste aus und es wird einige Kapitel lang ein wenig langatmig, da die Story ihre Zielstrebigkeit scheinbar verloren hat. Hier muss man sich zwischenzeitlich Sorgen machen, ob der Autor es noch schafft, seiner zuvor so großartigen Geschichte ein würdiges Ende zu bereiten. Diesbezüglich kann zumindest teilweise Entwarnung gegeben werden, denn „Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore“ fängt sich auf den letzten Seiten wieder, ob man aber mit dem etwas unspektakulären Schluss zufrieden sein wird, muss jeder Leser für sich selbst entscheiden. Ich jedenfalls habe das Ende gleichermaßen als passend, aber auch als etwas ernüchternd empfunden, was aber nichts am insgesamt großartigen Gesamteindruck des Buches ändert. Wer Bücher liebt und sich auch nur annähernd für Computer oder Programmierung interessiert, für den ist „Mr. Penumbra’s 24-Hour Bookstore“ ohne jede Frage genau die richtige Lektüre.

Fazit:
Wunderbar nerdiges Lesevergnüngen für all diejenigen, die Bücher lieben – auch wenn der Roman zum Ende hin etwas langatmig wird (8/10).

Mr. Penumbra
Autor: Robin Sloane; Deutscher Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra; Umfang: 288 Seiten; Verlag: Picador; Erscheinungsdatum: 24. September 2013; Preis: Taschenbuch 8,70 €/eBook 5,46 €.

Link zur englischen Ausgabe
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