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Ein Junge erwacht in einem Fahrstuhl und kann sich an nichts erinnern. Als sich die Türen öffnen, landet er mitten in einem Labyrinth, aus dem es kein Entkommen gibt…

Als Thomas aufwacht, kann er sich gerade einmal an seinen Namen erinnern. Nach einer schier endlosen Fahrt in einem dunklen Aufzug landet er schließlich mitten in einer Gruppe ungefähr gleichaltriger Jungen, die sich neugierig um den Neuankömmling versammeln. Alle haben eines gemeinsam: Keiner kann sich erinnern, wie er an diesen Ort gekommen ist, geschweige denn an überhaupt ein Detail aus seinem früheren Leben. Nach und nach realisiert Thomas, dass er sich in einem riesigen Innenhof befindet, der von unüberwindbaren Mauern umgeben ist, die nur von schmalen Durchgängen unterbrochen werden.

Gefangen in einem Labyrinth ohne Ausgang

Wie Thomas verwirrt erfährt, verbirgt sich hinter diesen Toren ein gigantisches Labyrinth, in deren Mitte die Jungen seit ungefähr zwei Jahren leben. Während der Großteil der Gruppe sich um die Wartung ihres Unterschlupfes, den Anbau von Nahrungsmitteln und der Zucht von Tieren kümmert, versucht ein kleiner Teil Tag für Tag, einen Ausgang aus dem Labyrinth zu finden – bisher jedoch ohne Erfolg. Die Suche ist jedoch nicht ungefährlich, denn in den verschlungenen Gängen des Labyrinths lauert eine tödliche Gefahr…

Ohne Erinnerung, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft?

Bevor ich mit der Lektüre von James Dashners „The Maze Runner“ begann, habe ich bewusst auf das Lesen jeglicher Rezensionen oder Inhaltsbeschreibungen verzichtet und mich nur auf die Empfehlungen bei Twitter und Co. verlassen. Im Nachhinein eine gute Entscheidung, denn so hatte ich zu Beginn der Geschichte den gleichen Wissenstand wie die jugendliche Hauptfigur des Romans – dieser liegt nämlich bei Null. Thomas hat keine Ahnung, wer er überhaupt ist, wo er herkommt und wo genau er eigentlich gelandet ist. Noch größer war dann meine Überraschung als sich herausstellte, dass es allen anderen Bewohnern der „Lichtung“ (engl. „glade“), wie das Zentrum des Labyrinths von ihnen genannt wird, genauso geht. Niemand weiß, zu welchem Zweck er überhaupt an diesem Ort gelandet ist und welchen Sinn ihr Dasein hat.

Ein einfach Szenario, das viele Fragen aufwirft

Das Setting ist dabei bewusst simpel gehalten und erhält genau dadurch seinen großen Reiz. Die Regeln sind einfach: Die Mehrheit der Gladers sorgt für den Lebensunterhalt, die Elite (die Runner) sucht nach einer Möglichkeit zum Entkommen. Jeden Monat wird ein neuer Junge durch den Aufzug zur Lichtung geschickt und unter gar keinen Umständen darf das Labyrinth nach Einbruch der Dunkelheit betreten werden. Dieses Szenario wirft zwangsläufig eine Reihe von Fragen auf, die wichtigste ist wohl: Was genau ist das Labyrinth eigentlich? Ein Gefängnis für kriminelle Jugendliche, ein perverses Regierungsexperiment, eine makabre TV-Show (ähnlich der „Hunger Games“ aus der Panem-Reihe) oder aber der letzte Zufluchtsort nach einer verheerenden Apokalypse? Da niemand der Figuren über Erinnerungen verfügt, gibt es auch keinerlei Informationen über den Zustand der Außenwelt oder in welcher Zeit die Geschichte überhaupt spielt.

Spannungsaufbau durch Geheimniskrämerei

Manch einem mag dieses Fehlen von Hintergrundinfos negativ aufstoßen, für mich macht aber genau das die Faszination dieses Buches aus. James Dashner hat mit seinem einfachen Mysterium sofort meine Neugier geweckt und ich habe förmlich darauf gebrannt, mehr über das Labyrinth zu erfahren. Gemeinerweise treibt es der Autor mit der Geheimniskrämerei auch noch auf die Spitze und lässt Thomas mit seinen Fragen bei den anderen Jungs immer wieder auflaufen, sodass man nur quälend langsam auf den Wissensstand der erfahrenen Gladers gebracht wird – was mich beim Lesen fast in den Wahnsinn getrieben und unglaublich zum Weiterlesen motiviert hat. Wobei die genervte und ablehnende Haltung der Jungen bei all dem künstlichen Spannungsaufbau auch durchaus nachvollziehbar ist, schließlich müssen diese Monat für Monat ihre Geschichte den jeweiligen Neuankömmlingen erzählen und die ewig gleichen drängenden Fragen beantworten, ohne selbst jedoch wirklich viel zu wissen.

Stimmige Atmosphäre

Was auch direkt auffällt ist die besondere Sprache der Charaktere, die sich während ihrer Zeit im Labyrinth einen eigenen Slang angeeignet haben. Einige der Begriffe wie z.B. „Greenbean“ sind dabei relativ einleuchtend und selbsterklärend, bei „klunk“ oder „shank“ hingegen braucht man eine Weile um ihre Bedeutung zu erfassen. Inwieweit und wie gelungen diese Slang-Worte bei der Übersetzung in die deutsche Ausgabe übernommen wurden, kann ich aber leider nicht sagen. Ob diese Sprache nun unbedingt notwendig gewesen wäre, darüber lässt sich sicherlich streiten, auf der anderen Seite trägt aber auch dies zum sehr stimmigen Gesamteindruck des Settings bei – außerdem sind diese Wörter natürlich weitere kleine Rätsel, die es zu lösen gilt, womit wir wieder bei Dashners Geheimniskrämerei wären…

One-Man-Show

Was die Charaktere betrifft, so ist „The Maze Runner“ eindeutig auf Thomas fokussiert. Da sich die Erzählweise nur auf diesen Charakter beschränkt, verbündet man sich als Leser fast schon zwangsläufig mit ihm, zumal Leser und Figur sich meist die selben (offensichtlichen) Fragen stellen und man sich so sehr leicht in seine Situation hineinversetzen kann. Der Rest der Gladers wird dabei etwas stiefmütterlich behandelt: Dashner sorgt zwar für Verbündete, Skeptiker und sogar Feinde Thomas’, belässt es aber meist bei eher einfachen Darstellungen. Somit wächst eigentlich abgesehen von Thomas keiner der Jungen dem Leser richtig ans Herz und sie sind dadurch fast ein wenig austauschbar, was mich beim Lesen aber zu keinem Zeitpunkt gestört hat – ich war viel zu sehr auf das Rätsel um das Labyrinth konzentriert, um darüber hinaus noch Nerven für komplexe Beziehungskonstellationen zu haben…

Packende Story

Bleibt noch die Story, die bei aller Begeisterung über das Setting natürlich nicht zu kurz kommen darf. Diese ist zwar nicht sonderlich komplex, hat es aber trotzdem geschafft mich über die gesamte Zeit an das Buch zu fesseln. Nach der Einführung in die Besonderheiten des Szenarios laufen die Ereignisse nämlich plötzlich aus dem Ruder, wobei James Dashner seine Überraschungen sehr wirkungsvoll platziert. Immer wenn man gerade denkt, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, legt der Autor noch eine Schüppe drauf, sodass ich beim Lesen innerlich ein paar Mal zusammengesackt bin. Als Krönung gibt es dann noch ein dramatisches und hochspannendes Finale, bei dem man mit der Hoffnung auf eine vollständige Auflösung jedoch noch ein wenig vertröstet wird – schließlich ist die „Maze Runner“-Geschichte auf drei Bände ausgerichtet, die zum Glück aber alle bereits erschienen sind. Das geheimnisvolle Ende sorgt aber auf jeden Fall für große Neugier auf die Fortsetzung „The Scorch Trials“.

Grandioser Auftakt der Maze-Runner-Trilogie

Wie fällt also das Fazit zu „The Maze Runner“ aus? Sicherlich kann man Dashner seine übertriebene Geheimniskrämerei oder die Vernachlässigung der Nebencharaktere vorwerfen. Auch die Slang-Sprache mag nicht jedem gefallen, ebenso wie das sehr minimalistische Setting oder die Tatsache, dass Thomas im Vergleich zu seinen Leidensgenossen vielleicht ein wenig zu heroisch dargestellt wird. Fakt ist aber, dass mich solche Dinge beim Lesen ins keinster Weise gestört haben bzw. mir sogar teilweise erst in der Nachbetrachtung überhaupt in den Sinn gekommen sind. Bei der Lektüre selbst aber war ich völlig von der Geschichte und der Atmosphäre gefangen und zwar so sehr, dass mich das Buch auch in den (nur widerwillig eingelegten) Lesepausen immer noch beschäftigt hat. Ich wollte unbedingt hinter das Rätsel um das Labyrinth kommen und bin dabei auf jedes Lockmittel des Autors nahezu blind angesprungen, sodass ich das Buch förmlich verschlungen habe. Diese Vereinnahmung erreicht bei mir nur ganz selten mal ein Roman, und damit gibt es von mir für den ersten Auftakt der „Maze Runner“-Trilogie folgerichtig die Höchstwertung. Im Gegensatz zu vielen anderen Trilogien bzw. Buchreihen werde ich hier auch nahezu unmittelbar mit dem Folgeband weitermachen, da mich die Geschichte immer noch ein wenig gefangen hält und ich nicht durch eine zu lange Wartezeit daraus herausgerissen werden möchte.

Fazit:
Unglaublich geheimnisvoller Auftaktband der Jugendbuch-Trilogie, der mit schlichtem aber faszinierenden Setting begeistert und mit einer spannenden und düsteren Story fesselt (10/10).

Buchcover
Autor: James Dashner; Deutscher Titel: Die Auserwählten – Im Labyrinth; Umfang: 400 Seiten; Verlag: Emberp; Erscheinungsdatum: 24. August 2010; Preis: Taschenbuch 7,10 €/eBook 4,88 €.

Link zur englischen Ausgabe
Link zur deutschen Ausgabe

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