Hörbuchcover
Autor: Bram Stoker Sprecher: Simon Jäger, Detlef Bierstedt, Nana Spier, Erich Räuker, Tanja Fornaro, Lutz Riedel, Martin Kessler, Oliver Rohrbeck, Reinhard Kuhnert, Claudia Jochen, Walther Schönzart u.a.
Länge: 16 Std. 49 Min. (ungekürzt)
Anbieter: Audible GmbH Originaltitel:
Preis: 29,95 € (9,95 € im Flexi-Abo von Audible.de)
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Den berühmtesten Vampir aller Zeiten kennt vermutlich jeder. Nein, wir reden hier selbstverständlich nicht von Robert Pattinson als blutleerer Schönling Edward Cullen aus der Twilight-Saga, sondern natürlich von Graf Dracula, dem gefürchteten Blutsauger aus dem Roman des irischen Schriftstellers Bram Stoker. Die 1897 veröffentlichte Geschichte hat nun deutlich über 100 Jahre auf dem Buckel und wurde seitdem in unzähligen Film-, Fernseh-, Hörspiel- und Hörbuchproduktionen aufgegriffen – mal mehr und mal weniger gelungen. Wie viele können aber von sich behaupten, das zu den bekanntesten Werken der Literaturgeschichte zählende Buch schon einmal tatsächlich in der Originalfassung (oder zumindest der dt. Übersetzung) gelesen zu haben?

Der Ur-Vampir in einer aufwendigen Hörbuch-Neuauflage

Wer diese Wissenslücke (wie ich) endlich einmal füllen möchte, der bekommt mit der ungekürzten Hörbuchversion aus dem Hause Audible.de nun die Möglichkeit, dies auf bequeme Art und Weise nachzuholen. Für die hauseigene Klassiker-Reihe hat man den Roman nämlich mit einer Reihe prominenter Sprecher wie Erich Räuker, Martin Kessler oder Nana Spier einlesen lassen, was das Hörbuch alleine durch die Besetzung der Rollen schon einmal interessant macht. So darf man Simon Jäger (dt. Synchronstimme von Matt Damon) als Rechtsanwalt Jonathan Harker nach Siebenbürgen begleiten, wo er in beruflicher Funktion den Kauf eines Londoner Hauses durch besagten Grafen Dracula abwickeln soll. Bereits die Anreise gestaltet sich jedoch äußerst überraschend und unangenehm, denn Harker wird auf seinem beschwerlichen Weg von einigen besorgniserregenden Begleiterscheinungen wie einem Rudel wilder Wölfe heimgesucht. Doch auch im Schloss des Grafen geht der Spuk weiter, denn der Anwalt entdeckt in den Tagen nach seiner Ankunft immer mehr Auffälligkeiten in der Person seines Gastgebers, die ihn doch deutlich beunruhigen – u.a. einen seltsamen Hunger nach menschlichem Blut oder die Tatsache, dass der Graf gar kein Spiegelbild hat. Als Jonathan Harker ahnt, in welcher Gefahr er sich befindet, ist es für eine Rückkehr nach England jedoch fast schon zu spät…

Unheimliche Dinge ereignen sich in London und Siebenbürgen

Doch auch in London ereignen sich unterdessen seltsame Dinge. Harkers Verlobte Mina Murray muss sich um ihre Freundin Lucy Westenra kümmern, die unerwartet schwer erkrankt ist. Besonders verstörend sind hierbei zwei Einstiche an Lucys Hals, die möglicherweise in einem Zusammenhang mit dem Leiden der jungen Frau stehen könnten. Zur Behandlung wird daher der Arzt Dr. John Seward hinzugezogen – eigentlich der Leiter einer in London ansässigen Irrenanstalt und daher eher auf verrückte Patienten spezialisiert. So kommt schließlich auch eine weitere bekannte Figur des Romans zu ihrem Auftritt: Der niederländische Gelehrte Abraham von Helsing, Sewards ehemaliger Mentor und – die meisten werden es bereits wissen – Vampirjäger. Die Jagd auf Graf Dracula kann beginnen…

Ein Klassiker, der merklich Staub angesetzt hat

Es gibt Literaturklassiker, die überstehen die Zeitspanne von ihrem Entstehungsdatum bis in die heutige Zeit weitestgehend unbeschadet und erscheinen nun immer noch keinesfalls angestaubt und im besten Falle absolut zeitlos. Als Beispiel sei hier z.B. Wilkie Collins Roman „Die Frau in Weiß“ genannt, der auch 150 Jahre nach der Veröffentlichung immer noch faszinieren kann. Leider hat es Bram Stokers „Dracula“ nicht geschafft, eine eben solche Faszination auf mich auszuüben. In meinen Augen merkt man der überwiegend aus Briefen und Tagebucheinträgen bestehenden Erzählung ihr Alter deutlich an, so hat diese (zumindest für mich) das meiste von ihrem Charme verloren. Während die Anfangsepisode mit Jonathan Harkers Ankunft im Schloss Dracula noch einigermaßen atmosphärisch und unheimlich ausfällt, gestalten sich die restlichen Stunden doch arg zäh und langatmig. Der Spannungsaufbau erfolgt wenn überhaupt nur sehr gemächlich und es dauert gefühlte Ewigkeiten, bis die Geschichte mal ein wenig an Fahrt aufnimmt. Der zum Entstehungszeitpunkt sicherlich gegebene Gruselfaktor ist kaum noch vorhanden: Einerseits kennt man einen Großteil der Story eben doch schon durch die zahlreichen Umsetzungen, andererseits sorgen betagte Herren mit spitzen Zähnen und mit Hostien und Knoblauch bewaffnete Vampirjäger eben nicht mehr für die gleiche Faszination wie vor 100 Jahren.

Großartige Sprecherriege rettet, was zu retten ist

Ein Lichtblick der Hörbuchproduktion ist immerhin – und wie bei der Besetzung auch nicht anders zu erwarten war – die Sprecherriege. Hier hat man wirklich fast die komplette Elite der deutschen Synchron- und Hörbuchsprecher aufgefahren, was sich als absoluter Glücksgriff erweist. Simon Jäger, Martin Kessler, Nana Spier, Detlef Bierstedt, Erich Räuker und Co. retten den Hörer durch ihre engagierte Lesung über einige inhaltliche Längen hinweg, wobei besonders die drei erstgenannten positiv hervorzuheben sind. Vor allem Nana Spier als vampirgeplagte Lucy Westenra liefert eine erstklassige Vorstellung ab und weist damit sogar ihre männlichen Kollegen in die Schranken. Einziger negativer Aussetzer ist Tanja Fornaro, deren Besetzung aber auch schon unglücklich gewählt ist, da sie für die Rolle der jungen Mina Harker eindeutig zu alt kling. Leider fällt ihr Vortrag zudem relativ monoton und leblos aus, was sich aufgrund ihrer nicht gerade geringen Präsenz merklich auf die Qualität des Hörbuches auswirkt.

Unter dem Strich bleibt also eine mit knapp 17 Stunden Spielzeit viel zu lange Geschichte, die man für meinen Geschmack mindestens auf die halbe Distanz kürzen könnte. Denn in dieser ungekürzten Form weist „Dracula“ einfach viel zu viele Längen auf, was sich letztlich als brutaler Spannungskiller erweist. Da diese Zeit auch nicht wirklich zur Ausarbeitung der Charaktere genutzt wird, hinterlässt der Titel bei mir einen eher faden Beigeschmack, der auch von der exzellenten Sprecherriege nur unwesentlich aufgewertet wird.

Fazit:
Bram Stokers Horrorklassiker „Dracula“ ist unter den heutigen Maßstäben viel zu langatmig und spannungsarm, um auch über hundert Jahre nach seiner Veröffentlichung noch für wohliges Unbehagen zu sorgen – und das trotz des beeindruckenden Sprecheraufgebotes. (4/10)

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Eine Anwort zu diesem Beitrag

  • Reblogged this on Die Belletristen und kommentierte:
    Hierüber möchte ich auch mal ein paar Sätze verlieren, vor allem weil ich sowohl Buch als auch dieses Hörbuch und darüber hinaus die ein oder andere Hörspiel-Fassung gehört habe. Ich kann den Eindruck nicht bestätigen, dass „Dracula“ Staub angesetzt hätte. Ich empfinde es nach wie vor, neben dem Polidor’schen „Der Vampyr“, als die spannendste und klügste Vampir-Prosa. Um Längen, ach was red ich: um LICHTJAHRE besser als alles, was heutzutage in Buchhandlungen ausliegt. Allerdings muss ich auch bemerken, dass man Dracula besser liest als hört. Denn mir war die Vollständigkeit dieser Hörbuchfassung auch zu langatmig und so mancher Sprecher gab sein Übriges, um lange Passagen noch länger zu gestalten. Künstlerisch ist diese Fassung vermutlich wertvoll, aber so manche Hörspiel-Fassung schafft mehr Atmosphäre und kürzt dabei sinnvoll. Da seien zum Beispiel die Gruselkabinett- oder Grammophon-Varianten empfohlen. Vielen Dank für die ausführliche Rezension!