Tags: audible.de, Auftrag, Folter, Geiger, Information Retrieval, Informationen, Kind, Lübbe Audio, Verhör
Genre: Thriller
Autor: Mark Allen Smith
Sprecher: Sascha Rotermund
Länge: 10 Std. 20 Min. (ungekürzt)
Anbieter: Lübbe Audio
Originaltitel: The Inquisitor
Preis: 24,95 € (9,95 € im Flexi-Abo von Audible.de)
Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Sie brauchen eine Information? Sie kennen die Person, die diese Information hat, aber sie hüllt sich in Schweigen? Lassen Sie das meine Sorge sein. Ich hole immer die Wahrheit aus meiner Zielperson heraus. Denn ich bin ein Spezialist. Dabei befolge ich stets meinen Kodex. Eines Tages bekam ich den Auftrag, gegen meinen Kodex zu verstoßen. Die Folgen waren schrecklich. Für meinen Auftraggeber. Mein Name ist Geiger. Ich spiele Violine. Und foltere Menschen…
Meine Hörbuchbesprechung:
Geiger ist Spezialist für „Information Retrieval“, der Wiederbeschaffung von Informationen, und zählt auf diesem Gebiet zu den bestens seines Fachs. Allerdings hat seine Arbeit nichts mit dem gleichnamigen Thema aus dem Bereich der Informatik zu tun, denn Geigers Spezialgebiet ist ein wenig handfester. Er wird von seinen Klienten nämlich immer dann beauftragt, wenn es darum geht, aus ausgewählten Personen wichtige Informationen herauszubekommen. Geigers Erfolgsquote liegt bei einhundert Prozent, denn wer immer in seinem speziellen Verhörraum landet, rückt früher oder später mit der Wahrheit heraus – ein Umstand, den sich besonders Geheimdienste oder Mafiabosse zunutze machen, die mit schöner Regelmäßigkeit auf Geigers Dienste zurückgreifen.
Ein Verhörspezialist verweigert die Befragung eines Kindes – mit weitreichenden Folgen
Sein neuester Auftrag läuft jedoch anders als geplant: Eigentlich sollte er einen Mann verhören, dem von seinem Auftraggeber der Diebstahl eines wertvollen Gemäldes vorgeworfen wird. Die Handlanger des Klienten konnten des Verdächtigten aber nicht habhaft werden, da dieser rechtzeitig die Flucht ergriffen hat. Allerdings hat der Mann seinen 12-jährigen Sohn schutzlos zurückgelassen, und Geigers Kunde sieht in dem Jungen eine Chance, doch noch an die benötigten Informationen zu gelangen. Das verstößt jedoch gegen eine der wenigen Regeln des Verhörspezialisten, denn Geiger hat sich geschworen, seine berüchtigten Techniken unter keinen Umständen an Kindern anzuwenden. Außerdem ahnt er bereits, dass hinter diesem Auftrag mehr steckt, als ihm sein Klient weismachen will. Als er daraufhin die „Befragung“ des Jungen verweigert, löst er damit eine Reihe ungeahnter Konsequenzen aus, die ihn und das Kind in große Gefahr bringen…
Ein emotionsloser Folterknecht als Hauptfigur
Um hier direkt einmal mit den letzten Zweifeln aufzuräumen: Der geheimnisvolle Mann namens „Geiger“ ist natürlich kein ausgebildeter Psychologe, der durch trickreiche Fragen die Wahrheit aus den zu verhörenden Personen herausbekommt, sondern ein waschechter Folterknecht. Zwar hat Geiger einen gewissen Kodex, an den er sich bei seiner Arbeit hält, dessen Vorgaben sind aber recht übersichtlich: 1. Keine Kinder, 2. Keine Herzkranken, 3. Keine Senioren. Abgesehen davon kennt Geiger aber keine Gnade und entlässt eine ihm vorgesetzte Person erst dann wieder, wenn er auch das letzte bisschen Wahrheit aus ihr herausgequetscht hat und sein Auftraggeber mit den erzwungenen Informationen restlos zufrieden ist. Um an sein Ziel zu gelangen, hat sich Geiger ein beachtliches Repertoire an Techniken und Hilfsmitteln zusammengestellt, das ihn bisher noch nie im Stich gelassen hat. Dabei legt er aber immerhin Wert auf ein möglichst sauberes Verhör ohne übertriebene Gewaltanwendungen und unnötiges Blutvergießen, denn anders als so mancher seiner Konkurrenten pflegt er einen gewissen Stil.
Sterbenslangweilige erste Hälfte mit viel Stückwerk und ohne Story
Das klingt nun alles danach, als wäre Mark Allen Smiths Roman „Der Spezialist“ nichts für zartbesaitete Gemüter und würde vor schockierenden Folterszenen nur so strotzen. Das ist aber nicht der Fall, denn gerade in den ersten zwei Dritteln der Handlung erweist sich das Buch als überraschend zahm. Das muss grundsätzlich nicht schlecht sein, leider kann man aber die ersten fünf Stunden des Hörbuches ohne schlechtes Gewissen einfach überspringen, denn es passiert dort nichts, was man für die Geschichte unbedingt wissen müsste. Smith ködert sein Publikum zwar gleich zu Beginn mit einem von Geigers speziellen Verhören, bietet danach aber viel Stückwerk ohne einen erkennbaren Zusammenhang. Ein durchgehender Handlungsfaden ist lange Zeit nicht vorhanden, stattdessen gibt der Autor Einblicke in Geigers Arbeit, seine Auftraggeber und seine Probleme. Diese sind zunächst überwiegend seelischer Natur, denn der Folterknecht plagt sich seit geraumer Zeit mit mysteriösen Albträumen herum und hat sich daher in therapeutische Behandlung begeben. Diese Idee ist gar nicht mal so schlecht und könnte für einen Roman durchaus eine interessante Ausgangssituation sein, denn von einem knallharten Verhörspezialisten erwartet man im Allgemeinen nicht derartige „Schwächen“.
Farblose Hauptfigur ohne Profil
Leider macht der Autor aus diesem Ansatz aber nichts halbes und nichts ganzes, denn einerseits möchte er seine Hauptfigur gerne vielschichtig darstellen und aus psychologischer Sicht betrachten, andererseits rückt er dafür aber mit viel zu wenig Informationen über den Protagonisten heraus. Woher Geiger kommt, weiß er nicht mal selber, da er einfach irgendwann in New York aufgetaucht ist und sich an nichts erinnern konnte. Über kleine Hilfsjobs landete er schließlich beim örtlichen Mafiaboss und schlug ihm aus einer plötzlichen Eingebung heraus seine Dienste als Verhörspezialist vor. Mittlerweile hat er sich mit seinem Partner Harry ein lukratives Geschäft aufgebaut, das von beiden Seiten des Gesetzes gerne in Anspruch genommen wird. Das war es dann auch schon mit Informationen über diese Figur, denn auch in den Therapiesitzungen rückt Geiger nicht mit tiefergehenden Details heraus. Diese Geheimniskrämerei sorgt nun aber nicht dafür, dass Geiger in der Betrachtung des Hörers besonders faszinierend wird, sondern eher für ein seltsames Desinteresse. Irgendwie will es zu keinem Zeitpunkt richtig gelingen, eine Beziehung zu diesem Charakter aufzubauen und so verfolgt man die ersten Stunden weitestgehend emotionslos. Man kann nicht einmal sagen, dass Geiger besonders sympathisch oder unsympathisch rüberkommt, er war mir als Figur schlichtweg egal – was für den Protagonisten eines Roman tödlich ist, denn damit steht und fällt nun einmal die Geschichte.
Leichte Besserung im Schlussdrittel
Diese unterkühlte Stimmung zieht sich dann leider auch durch den Rest der Geschichte. Gerade als man die Hoffnung auf eine Story bereits entnervt aufgegeben hat, kommt Mark Allen Smith zwar mit dem 12-Jährigen um die Ecke, der Geigers Leben völlig aus dem Ruder laufen lässt, doch damit ist auch nicht mehr wirklich viel zu retten. Der Junge hat mich als Hörer nämlich ebenso kalt gelassen wie die Hauptfigur, was vielleicht auch daran liegen könnte, dass dieser in seinem Verhalten wenig altersgerecht ist und dadurch nicht glaubwürdig wirkt. Die einzige Figur, die annähernd interessant ist, ist Geigers Partner Harry, der mit ein paar markigen Sprüchen für ein wenig Humor sorgt und mit dem man wenigstens ein bisschen mitfiebern kann. Im letzten Drittel wird dann immerhin auch die Story ein wenig besser bzw. überhaupt erst erkennbar und es kommt phasenweise sogar im Ansatz etwas Spannung auf, sodass das Buch wenigstens noch zu einem passablen Abschluss gebracht wird.
Der Sprecher:
Gelesen wird das Hörbuch von Sascha Rotermund, dessen Lesung ohne Frage das beste an diesem Titel ist. Rotermund legt sich über die gesamte Dauer mächtig ins Zeug und holt alles aus sich und aus der Buchvorlage heraus, sodass wenigstens der Sprecher den Hörer noch bei Laune hält. Er klingt für meinen Geschmack zwar ein wenig zu nett und einfühlsam für den weitestgehend emotionslosen Geiger (was übrigens auch für die Bösewichte gilt), dadurch wirkt die Hauptfigur aber nicht ganz so blass, wie sie durch das Buch alleine rüberkommen würde. Am Sprecher liegt es jedenfalls nicht, dass „Der Spezialist“ mich nicht wirklich packen konnte.
Schlussfazit:
Man kann dem Autor Mark Allen Smith eigentlich nicht einmal wirklich große Schnitzer vorwerfen, denn sein Schreibstil ist absolut annehmbar und auch die Story ist (abgesehen von der sehr mauen ersten Hälfte) passabel, allerdings lassen die total farblosen Charaktere ihren Schöpfer brutal im Stich. Die Geschichte konnte mich zu keinem Zeitpunkt mitreißen, weil ich überhaupt keine Beziehung zu der Hauptfigur aufbauen konnte. Der psychologische Ansatz, mit dem sich Smith seinem Protagonisten nähert, ist zwar grundsätzlich recht interessant, verläuft aber mehr oder weniger im Sande und auch das pseudo-philosophische Gefasel in den ersten Stunden sorgt eher für Langeweile als für Tiefgang.
Belangloser Action-Thriller mit verschenktem Potenzial
Glücklicherweise reißt Sascha Rotermund durch die engagierte Lesung wieder einiges raus und rettet den Hörer somit in die bessere zweite Hälfte, die zwar weit von einem mitreißenden Thriller entfernt ist, aber immerhin einen roten Faden hat und auch vom Spannungslevel her okay ist. Wenn man die absolut enttäuschende erste Hälfte außer Betracht lässt, ist „Der Spezialist“ also ein passabler Thriller, insgesamt gesehen ist Mark Allen Smiths Roman aber für mich eine herbe Enttäuschung und weitestgehend einfach nur belanglos. Ob man sich da auf die Fortsetzung „Der Experte“ freuen soll, die im August 2013 erscheinen wird, lasse ich einmal dahingestellt. Falls ihr euch dennoch mit dem Buch auseinandersetzen wollt, greift auf jeden Fall lieber zur Hörbuchversion, denn für den Sprecher gibt es von mir immerhin noch einen Bonuspunkt.
Meine Wertung: 5/10
Informationen:
Das Hörbuch „Der Spezialist“ von Mark Allen Smith hat eine Länge von 10 Stunden und 20 Minuten und ist ungekürzt für 24,95 € bei audible.de erhältlich. Eine auf 7 Std. und 15 Min. gekürzte Fassung gibt es für 10,95 €. Flexi-Abonnenten zahlen wie gewohnt nur 9,95 €. Weitere Informationen gibt es auf der Detail-Seite bei audible.de.