Tags: dotbooks, eBook, Ferropolis, Internet, Kindesmissbrauch, Konzert, Rache, Sex, Stefanie Maucher, Vergewaltigung
Genre: Drama, Thriller
Autorin: Stefanie Maucher
Umfang: 56 Seiten
Verlag: dotbooks
Erscheinungstermin: 4. Juli 2012
Preis: 2,99 € (eBook)
Klappentext:
Er denkt, er kann sie kontrollieren.Er denkt, sie wird ihm ihre Unschuld schenken. Er weiß noch nicht, auf was er sich eingelassen hat … Hand auf’s Herz: Wenn Sie hören, dass ein Kind missbraucht wurde – hegen Sie dann nicht auch für einen Moment den Wunsch, den Mistkerl zu bestrafen? Nur: Was passiert, wenn jemand es wirklich tut?
Meine Buchbesprechung:
Eine junge Frau macht sich auf dem Weg zu einem Rockkonzert. Sie ist aufgeregt, denn sie wird dort zum ersten Mal ihrer Internetbekanntschaft begegnen, mit der sie seit Monaten in regem Kontakt steht. Es fing alles ganz harmlos an, mit einer Freundschaftsanfrage bei Facebook. Ohne groß darüber nachzudenken, ging das Mädchen auf die Kontaktversuche des Mannes ein und aus dem belanglosen Small Talk zu Beginn wurde schnell deutlich mehr. Über den verschüchterten Austausch von Komplimenten sind die beiden mittlerweile längst hinweg, und auch die Videochats mit Stripeinlagen reichen dem Fremden längst nicht mehr. Deshalb soll es bei dem Konzert nicht nur die erste Begegnung im realen Leben geben, sondern es soll auch gleich zum äußersten kommen…
Wie schützt man seine Kinder vor Missbrauch?
Als Leser begleitet man die Ich-Erzählerin auf der Fahrt zum Veranstaltungsort sowie im weiteren Verlauf des Abends und erfährt aus erster Reihe von ihren Gedanken und Gefühlen. Natürlich ist sie vor allem aufgeregt, doch sie sehnt sich auch nach der Begegnung mit dem Fremden und ihrem ersten Mal. Dabei berichtet sie rückblickend auch über die Entwicklung ihrer Beziehung. Ihre Schilderungen sorgen dafür, dass einen als Leser praktisch umgehend ein ungutes Gefühl überkommt, denn alles deutet darauf hin, dass hier ein naives und unerfahrenes Mädchen blind in ihr Verderben läuft. Man bekommt mit, wie sie sich für ihr Date aufgebrezelt und dabei alle Wünsche und Forderungen des Mannes fast willenlos befolgt hat, bis hin zu einer radikalen Änderung ihres Aussehens. Dabei fühlt man sich fast ein wenig hilflos, denn wer hat nicht schon von Geschichten gehört, in denen derartige Treffen ein böses Ende genommen haben? Man möchte die Protagonistin am liebsten packen, wachrütteln und ihr sagen, in welche Gefahr sie sich durch ihr unbekümmertes Verhalten bringen kann.
Doch gerade in dem Moment, in dem man vor Verzweiflung kaum noch stillsitzen kann, verleiht die Autorin Stefanie Maucher ihrer Kurzgeschichte eine unerwartete Wendung. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten, da dies dem Buch sonst einen großen Überraschungsmoment nehmen würde – nur so viel sei gesagt: Hinter der Protagonistin verbirgt sich mehr, als es in den ersten Momenten den Anschein hat…
Dramatische Kurzgeschichte über ein heikles Thema
Maucher greift mit ihrem Buch ein brisantes Thema auf, das gerade in der heutigen Zeit eine immer größere Rolle spielt. An jeder Ecke wird man darauf hingewiesen, welche Probleme ein zu sorgloser Umgang mit privaten Daten im Netz mit sich bringen kann und dass gerade junge Menschen davon betroffen sind. „Kalte Berechnung“ zeigt auf, welche Folgen ein solches Verhalten haben kann und welche Gefahren im Internet lauern, wenngleich die Story schon einen sehr extremen Fall darstellt. Die nur sieben kurze Kapitel umfassende Geschichte ist packend geschrieben und nimmt den Leser von der ersten Seite an gefangen, dabei sorgt vor allem der unausweichliche und über allem schwebende Showdown für große Spannung.
Beeindruckende und stimmungsvolle Kulisse in der „Stadt aus Eisen“
Ein großes Plus der Kurzgeschichte ist auch das ungewöhnliche Setting. „Kalte Berechnung“ spielt nämlich in Ferropolis, der Stadt aus Eisen, einem Veranstaltungsort auf einer Halbinsel in Sachsen-Anhalt. Auf dem ehemaligen Industriegelände stehen heute immer noch fünf ausgediente und riesige Bagger, die aufgrund ihrer Größe wirken, als wären sie die ausgedienten Requisiten eines „Transformers“-Films. Vor dieser ungewöhnlichen Kulisse finden immer wieder Konzerte und Festivals statt, so wie es eben auch in der Geschichte der Fall ist. Der Schauplatz wird von Stefanie Maucher sehr bildlich beschrieben und verleiht dem Buch eine stimmige und ungewöhnliche Atmosphäre.
Schlussfazit:
„Kalte Berechnung“ ist eine ab dem ersten Absatz mitreißende und dramatische Kurzgeschichte mit einer interessanten und kompromisslosen Hauptfigur, die im Laufe der 56 eBook-Seiten für so manche Überraschung sorgt. Die Story ist wendungsreich und schnörkellos geschrieben und bietet dadurch ein hohes Spannungsniveau, welches in einem nervenaufreibenden Finale gipfelt.
Kompromisslose, überraschende und spannende Kurzgeschichte
Allerdings ist mir persönlich die Geschichte am Schluss nicht konsequent genug und nimmt dem vorangegangen Teil ein wenig die Schärfe. Auch der bereits angesprochene Perspektivwechsel ist für mich nicht immer ganz glaubwürdig, denn (ACHTUNG SPOILER) welche Mutter sieht (selbst im Dämmerlicht und mit kosmetischer Unterstützung) schon aus wie ihre minderjährige Tochter? (SPOILER ENDE). Nichtsdestotrotz ist Stefanie Maucher eine sehr gute Kurzgeschichte um das heikle Thema Kindesmissbrauch gelungen, die darüber hinaus förmlich nach einem zweiten Lese-Durchgang schreit, da die ersten zwei Kapitel dann plötzlich ganz anders wahrgenommen werden als beim ersten Lesen.
Meine Wertung: 8/10
Informationen:
„Kalte Berechnung“ von Stefanie Maucher ist im dotbooks Verlag erschienen und hat einen Umfang von ca. 56 Seiten. Die Kurzgeschichte ist für 2,99 € ausschließlich als eBook erhältlich. Weitere Infos gibt es auf der Verlags-Homepage.
Wirklich eine tolle Rezension. Aber ich würde die Spoiler komplett raus lassen. Der eine ist zumindest gekennzeichnet, den kann man überlesen – aber die beiden im Fließtext verraten doch eindeutig schon zuviel von der Pointe des Buches.
Vielen Dank für den netten Kommentar!
Ich habe selbst lange überlegt, wie viel ich über den Inhalt des Buches verraten darf, ohne der angesprochenen Wendung die Wirkung zu nehmen.
Allerdings deutet der Klappentext diesen meiner Meinung nach schon an, zudem gibt es den Storytwist bereits Anfang des zweiten Kapitels (von insgesamt sieben) und somit sehr früh.
Daher denke ich schon, dass es legitim ist, auf diese Pointe hinzuweisen, allerdings habe ich aufgrund deiner Anmerkung eine der von dir angesprochenen Passagen noch einmal überarbeitet und etwas umformuliert. Ich denke, so sollte die Stelle etwas entschärft sein…
Lieben Gruß und noch einen schönen Sonntagabend!
Sebastian
🙂 Ich hab mich ziemlich über diese Rezi gefreut. Vielen Dank dafür. Klar, sie spoilert ein wenig, aber es ist bei dem Text auch nicht unbedingt einfach, das nicht zu tun, zumindest nicht, wenn man irgendwas ansprechen möchte, was zum Leseeindruck nach Seite 8 gehört. So gesehen war mein erstes Buch nicht nur ne Herausforderung für mich, sondern ist es nun auch für die Rezensenten 😉
Am meisten freut mich das „verleitet zum zweimal lesen“-Komliment. Der Anfang ist bewusst sehr zweideutig formuliert und leitet beim ersten Mal in die Irre. Beim zweiten Mal kann man alles uminterpretieren, wenn man schon um’s Messer im Stiefel weiß 😉 Wenn man das macht, dann hat man auch mehr davon, als die eigentlichen 56 Seiten *lach*
Nun noch eine kleine Bitte. (Frechheit siegt) Falls es dir keine Mühe macht, könntest du diese schöne Rezi vielleicht auf Amazon und lovelybooks einstellen? Fühl dich frei in der Wertung. Ich bin nicht böse, wenn du mir meinen 5 Sterne Durchschnitt versaust.
Lieben Dank und herzliche Grüße,
Stefanie Maucher
Puuh, da bin ich aber erleichtert, dass ich in Sachen Spoiler-Gefahr den Segen der Autorin habe 😉
Ich habe die Rezension gerade auch noch bei Amazon und lovelybooks gepostet, auch wenn mir das für die Sterne-Bilanz schon ein wenig leid getan hat… Immerhin ist der Durchschnitt immer noch bei 5.0 🙂
Als kleine Entschädigung hab ich die Rezi auch noch bei Goodreads reingestellt 😉
Gruß,
Sebastian
Lach nicht, ich hatte schon mehrfach total mistrauische Leute, die mich verdächtigten an den Rezis zu schrauben, weil sie suspekt fanden, dass ich durchgängig so gut weg kam. Die meisten habens dann gelesen und es folgte die nächste Rezi mit 5 Sternen. Vielleicht tust du mir also sogar nen großen Gefallen damit, weil das Buch nun weniger „verdächtig“ wirkt. 😀
Vielen Dank!