Autor: Nick Stone
Sprecher: Christian Baumann
Länge: 18 Std. 43 Min. (ungekürzt)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Es ist ein Auftrag, den Privatdetektiv Max Mingus nicht ablehnen kann: Zehn Millionen Dollar bietet ihm der Milliardär Allain Carver, wenn Max dessen Sohn findet. Von dem kleinen Charlie fehlt seit über drei Jahren jede Spur, und er ist nicht das einzige Kind, das auf Haiti verschwunden ist. In dem Land des Voodoo und der schwarzen Magie kursieren zahllose Geschichten über die mythische Figur des Mr. Clarinet, der seit dem 18. Jahrhundert Kinder auf der Insel stehlen soll. Doch die Wahrheit ist weit schockierender als die Legende – und die Gefahr zu kennen, heißt nicht, dass man den Morgen erleben wird…

Meine Hörbuchbesprechung:
Max Mingus war mal Polizist und erfolgreicher Privatdetektiv in Miami, bis ein Fall sein Leben komplett änderte. Die Entführung eines kleinen Mädchens nahm ihn derart mit, dass er ihre noch nicht einmal erwachsenen Kidnapper bei ihrer Ergreifung voller Wut und Hass eiskalt hinrichtete – was ihm sieben Jahre Gefängnis wegen Totschlags einbrachte. Während all dieser harten Zeit war es allein seine Ehefrau Sandra, die ihn vor der völligen Selbstaufgabe bewahrt. Wenige Wochen vor seiner Entlassung stirbt Sandra jedoch bei einem tragischen Verkehrsunfall und statt die gemeinsam geplante Weltreise anzutreten, vegetiert Mingus nach Ablauf seiner Haftstrafe nur noch vor sich hin.

Ein lukrativer Entführungsfall für einen gebrochenen Privatdetektiv

Erst als Allain Carver, ein in Haiti sesshafter Unternehmer und Milliardär, ihn aufsucht, lässt sich der gebrochene Mann wieder zu einem neuen Auftrag hinreißen, der noch dazu äußerst lukrativ ist. Carvers Sohn Charlie wurde vor zwei Jahren in Haiti entführt, seitdem fehlt von dem Jungen jedes Lebenszeichen – nicht einmal eine Lösegeldforderung ging bei der schwerreichen Familie der Carvers ein. Gelingt es Max Mingus, den verschwundenen Charlie lebend zurückzubringen, erhält er zehn Millionen Dollar, kann er nur noch dessen Leiche und die Mörder finden, bekäme er immerhin noch fünf Millionen. Allerdings ist Mingus nicht der erste private Ermittler, der auf diesen Fall angesetzt wurde und alle seine Vorgänger ereilte ein grausame Schicksal: Entweder verschwanden sie spurlos, wurden ermordet oder aber so stark verstümmelt, dass der Tod für sie eine Erlösung wäre…

Auftakt der Max-Mingus-Reihe von Nick Stone

„Voodoo“ ist der erste von mittlerweile drei Kriminalromanen von Nick Stone mit dem Ermittler Max Mingus, und dass diese Figur großes Potenzial besitzt, zeigt sich gleich in den ersten Minuten. Rückblickend berichtet der Autor über Mingus‘ Ausraster und den anschließenden Gefängnisaufenthalt und man merkt schnell, dass man es hier nicht mit einem strahlenden Helden zu tun hat. Max ist ein Mörder, der das Gesetz in seine eigenen Hände genommen und drei kriminelle Jugendliche eiskalt erschossen hat, um sie für ihre Verbrechen an einem kleinen Mädchen zu bestrafen. Trotzdem kann man sich als Hörer schnell für den Protagonisten erwärmen, denn irgendwie kann man dessen Wut nachvollziehen und ertappt sich selbst dabei, dass man seiner Tat schon eine gewisse Gerechtfertigung einräumt, zudem bewegt die tragische Geschichte um Max‘ verstorbene Ehefrau, ohne allerdings auf die Tränendrüse zu drücken.

Fließender Übergang zwischen Gut und Böse – auch bei der Hauptfigur selbst

Nick Stone betreibt hier keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern zeichnet ein differenziertes Bild seiner Hauptfigur, was Max Mingus einerseits unberechenbar aber auf der anderen Seite trotzdem zu einer Identifikationsfigur macht, was unter anderem auch an seinem Sinn für Gerechtigkeit liegt. Gleiches gilt übrigens auch für die anderen Figuren, seien es der Milliardär Allain Carver und sein Vater Gustav, die sich nach außen hin als Wohltäter darstellen und hintenrum knallhart die Armut der haitianischen Bevölkerung zu ihren Gunsten ausnutzen, oder aber der Warlord Vincent Paul, ein grausamer Schlächter, der sich aber auch für die Armenviertel wie den elenden Slum Cité Soleil einsetzt. Der Übergang zwischen Gut und Böse ist fließend und es fällt immer wieder schwer, die geschilderten Ereignisse unter moralischen Gesichtspunkten richtig einzuordnen. So zum Beispiel in einer unglaublich gewaltvollen Szene, in der Vincent Paul eine Gruppe UN-Soldaten mit einer beispiellosen Brutalität foltert und exekutiert – diese haben jedoch zuvor ein haitianisches Mädchen nicht minder brutal vergewaltigt und halbtot geprügelt.

Haiti – exotischer Schauplatz voller Elend und Gewalt

An diesen Beispiel kann man überdies erkennen, dass „Voodoo“ mit Sicherheit keine leichte Lektüre ist. Das ergibt sich alleine schon durch den exotischen Schauplatz. Nahezu die gesamte Handlung spielt im Jahr 1996 im Inselstaat Haiti, der zu den ärmsten Ländern der Welt gehört. An jeder Ecke begegnet man einem schwer verdaulichen Elend: Wirtschaftlich ist der Staat völlig am Boden und auch juristisch gesehen ist Haiti nahezu ein rechtsfreier Raum, in dem das Gesetz der Straße gilt. Die wenigen Reichen beuten ihre bettelarmen Landsleute noch weiter aus und sonnen sich in ihrem Ruhm und ein machtbesessener Despot regiert das Land mit eiserner Hand – alles vor den Augen der US- und UN-Truppen. Dieses unverbrauchte Setting erweist sich schnell als absolute Trumpfkarte des Buches und Nick Stones detaillierte Beschreibungen erzeugen eine sehr dichte Atmosphäre, sodass man den Dreck in den Straßen förmlich am eigenen Körper spüren kann. Außerdem erfährt man einiges über die Geschichte und die politische sowie demographische Situation Haitis, ohne dass „Voodoo“ jedoch zur aufdringlichen und trockenen Lehrstunde mutiert.

Kein Voodoo-Hokuspokus, sondern eine realistische Annäherung an die von Legenden umrankte Religion

Allerdings sollte man nicht mit falschen Erwartungen an das Hörbuch herangehen, denn der Titel ist meiner Meinung nach etwas irreführend. Natürlich spielt Voodoo in Haiti fast zwangläufig eine große Rolle, schließlich ist diese Religion an kaum einem Ort so weit verbreitet wie in dem kleinen Inselstaat. Wer deshalb aber einen blutigen und reißerischen Horror-Thriller mit schwarzer Magie und anderen Mystery-Elementen erwartet, ist bei Nick Stone definitiv an der falschen Adresse – und das, obwohl die Story zunächst genau danach aussieht. Der Entführungsfall des kleinen Charlie Carver beginnt nämlich mit der Vorstellung von „Tonton Clarinette“, einer haitianischen Legende: Seit über zweihundert Jahren soll ein geheimnisvoller Mann die Bevölkerung heimsuchen und kleine Kinder stehlen, die dann in einem mysteriösen Voodoo-Ritual geopfert werden. Diese Anekdote sorgt zwar in manchen Momente für eine unheimliche Atmosphäre, allerdings lässt sich Nick Stone nicht mal ansatzweise zu übersinnlichem Hokuspokus hinreißen, gleiches gilt für seine Hauptfigur Max Mingus. Die Story ist nämlich um einiges komplexer und wird vom Autor sehr ruhig und unaufgeregt geschildert, nur gelegentlich unterbrochen von teils recht heftigen Gewalteruptionen. Ansonsten ist „Voodoo“ überraschend tiefschürfend und vielschichtig und überzeugt inhaltlich fast auf ganzer Ebene. Eigentlich gibt es nur zwei Schwachpunkte: Zum einen ist das Hörbuch vielleicht einen Tick zu lang und wäre mit ein bis zwei Stunden weniger noch etwas knackiger gewesen, denn ganz selten läuft Stone ein wenig Gefahr, den erzählerischen Faden zu verlieren. Zum anderen wirkt der Erzählstrang um Miamis Unterwelt-König Solomon Boukman irgendwie überflüssig und will sich nicht harmonisch in die Geschichte einfügen. Das liegt aber wahrscheinlich daran, dass diese Story im zweiten Band „Der Totenmeister“ näher thematisiert wird, der inhaltlich vor „Voodoo“ spielt.

Der Sprecher:
Auch in Bezug auf den Sprecher bietet „Voodoo“ eine positive Überraschung. Christian Baumann kannte ich bisher weder als Schauspieler noch als Sprecher, daher war ich anfangs wie immer bei mir unbekannten Erzählern ein wenig skeptisch. Allerdings würde ich Baumann rückblickend fast als Idealbesetzung betrachten, denn seine eher tiefe Stimme ist zwar eigentlich nicht sonderlich markant, passt aber optimal sowohl zur Hauptfigur als auch zum ruhigen und nachdenklichen Ton der Geschichte. Es gibt nur wenige Momente, in denen Baumann mal aus sich herausgehen muss, doch auch diese Szenen meistert er sehr souverän und abgeklärt. Als besonders eindringlich und wirkungsvoll habe ich persönlich seine Darstellung des Warlords Vincent Paul empfunden, den er mit einer gefährlichen Ruhe spricht, bei der man nur so auf die wütende Explosion wartet.

Schlussfazit:
Ich hatte von Nick Stones „Voodoo“ vorweg eigentlich etwas ganz anderes erwartet, als ich schließlich bekommen habe. Ich ging von einem düsteren Mystery-Thriller mit viel unheimlichen Voodo-Zauber und mysteriöser schwarzer Magie aus – genau das bietet das Buch jedoch nicht. Zwar ist das Thema Voodoo durchaus allgegenwärtig, allerdings fast ausschließlich in seiner Rolle als Religion, völlig frei von magischen Strohpuppen oder dunklen Flüchen. Stattdessen bietet das Hörbuch eine überraschend komplexe Geschichte mit beachtlichem Tiefgang, die vor allem mit ihrer vielschichtigen Hauptfigur und dem beeindruckenden Setting überzeugt.

Spannender, komplexer, schockierender und dreckiger Thriller vor exotischer Kulisse

Nick Stone hat dabei ein erschreckend realistisches Bild Haitis geschaffen, welches nicht selten für Entsetzen und Fassungslosigkeit sorgt. Eine Trennung zwischen Gut und Böse ist kaum noch möglich und hinter jeder Ecke lauert unglaubliches Elend und schwer erträgliche Brutalität. Wer einen actionreichen Thriller sucht, ist hier jedoch an der falschen Adresse, denn der Autor nimmt sich viel Zeit für seine Charaktere und seine Handlung, was sich aber absolut bezahlt macht. Kann man sich nämlich für düstere und realistische Kriminalromane vor exotischer Kulisse begeistern, wie man es zum Beispiel von Roger Smiths Südafrika-Thriller „Kap der Finsternis“ kennt, dann ist man bei Voodoo genau richtig. Spannend, komplex, schockierend, dreckig und mit einem guten Sprecher – trotz oben erwähnter kleiner Schwächen ist der Auftakt der Max-Mingus-Reihe absolut empfehlenswert!

Meine Wertung: 8/10

Informationen:
Das Hörbuch “Voodoo” von Nick Stone hat eine Länge von 18 Std. und 43 Min. und ist ungekürzt für 29,95 Euro bei audible.de erhältlich. Im Flexi-Abo kostet der Titel natürlich wieder nur die gewohnten 9,95 Euro. Weitere Infos gibt es auf der Detail-Seite bei audible.de.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Alles klar – Dankeschön 🙂 – heute ist mein Abo-Tag – und ich habe es mir gleich geholt 😀 , selbst nachdem gar nichts Düsteres mit Magie etc enthalten ist… Dafür hab ich ja gerade viel Magie beim Nachtzirkus 😀