Gäbe es eine – sicherlich ziemlich geschmacklose – Rangliste der „populärsten“ Serienkiller, die mit ihren grausamen Verbrechen die größte Faszination auf die Öffentlichkeit ausgeübt haben, ginge der erste Platz wohl mit ziemlicher Sicherheit an jenen Mann, der im Jahr 1888 in London mindestens fünf Frauen brutal ermordete und als „Jack the Ripper“ in die Kriminalgeschichte einging. Doch auch in der jüngeren Vergangenheit findet sich ein menschliches Monster, das auch Jahrzehnte nach seinen Taten noch Berufs- und Hobby-Kriminologen um den Schlaf bringt: der berüchtigte „Zodiac-Killer“, der Ende der 1960er Jahre im Gebiet um San Francisco mindestens fünf Menschen getötet und zwei weitere schwer verletzt hat. Beide Täter verbinden vor allem zwei Gemeinsamkeiten: sie wurden zum einen bis zum heutigen Tage nicht überführt und schafften es zum anderen sich perfekt zu „vermarkten“, indem sie öffentlichkeitswirksam die Polizei vorführten und mit Botschaften an die Medien für Angst und Hysterie sorgten.
Der Zodiac-Killer in Köln?
„Die Akte Zodiac“, die auf vier jeweils ca. 60-80-seitige eBooks aufgeteilte Thriller-Serie von Linus Geschke, greift die Morde des Zodiacs nun in literarischer Form auf und transportiert die schrecklichen Verbrechen des Killers in die Gegenwart, wo in der Region rund um Köln ein Mann Jagd auf Liebespaare macht und dabei offenbar die Taten des „berühmten“ Serienmörders nachahmt. In die Fußstapfen des realen Zodiac-Ermittlers Dave Toschi, der damals beim San Francisco Police Department über Jahre hinweg vergeblich an der Aufklärung der Morde gearbeitet hat, treten nun die Kommissare Eva Lendt und Oliver Lamprecht, die vor einem großen Rätsel stehen als innerhalb von wenigen Wochen zwei Pärchen scheinbar völlig willkürlich und ohne jede Verbindung zueinander getötet werden. In Schwung kommt die Ermittlung erst durch die Einmischung des ehemaligen Fallanalytikers Marco Brock – einem früheren Star-Profiler mit erfolgreicher Karriere in Deutschland und Amerika, der nach einer lukrativen Erbschaft den Dienst quittiert hat und seitdem als arroganter Playboy durchs Leben zieht, bis er plötzlich in den Medien auf die neuerlichen Morde stößt, schnell einen Zusammenhang zu den historischen Zodiac-Verbrechen erkennt und sich dank noch immer guter Beziehungen zum Polizeipräsidenten rücksichtslos in das Ermittlerteam drängt.
Wenig Originalität und nervige Stereotypen? Mitnichten!
Zugegeben: Wenn man die ersten Seiten von „Die Akte Zodiac“ liest, könnte einem schon ein wenig bange werden dass diesen Mehrteiler ein ähnliches Schicksal ereilt wie so viele „zerstückelte“ eBook-Reihen zuvor, nämlich nach kurzer Zeit schon in der Versenkung zu verschwinden. Gerade die beiden Hauptfiguren Eva Lendt und Marco Brock scheinen vom Autor sehr klischeehaft dargestellt zu werden: hier die ehrgeizige, aber einsame junge Kommissarin, die fast nur für die Arbeit lebt und nach Dienstschluss verzweifelt mit ihrer für Single-Frauen offenbar obligatorischen Katze die plumpen Angebote eines Dating-Portals nach der großen Liebe durchforstet, dort der selbstverliebte und glattgegelte Profiler-Schnösel, der die Weisheit mit Löffeln gefressen hat und grundsätzlich alles besser weiß als die minderbemittelten Kriminalpolizisten. Doch Linus Geschke geht einen anderen Weg und beginnt schon früh, mit diesen nervigen Stereotypen zu brechen und macht aus den beiden nicht nur interessante, sondern auch wirklich sympathische Persönlichkeiten – und gerade beim vermeintlichen Vorzeige-Arschloch Brock darf dies als sehr erfreuliche Überraschung bezeichnet werden.
Spannend und authentisch
Auch der Kriminalfall ist spannend, wenngleich dieser zu Anfang ebenfalls ein wenig vorhersehbar erscheint, schließlich folgt der Autor doch dem „Drehbuch“ des echten Zodiac-Killers, das dem erfahren Thriller-Fan spätestens seit dem David-Fincher-Film „Zodiac – Die Spur des Killers“ mit Robert Downey Jr. und Jake Gyllenhaal durchaus bekannt sein dürfte. Geschke klammert sich aber nicht nur plump an die Vorgabe und tauscht lediglich die realen Orte und Figuren gegen neue Schauplätze und Charaktere aus, sondern integriert stattdessen auf geschickte und clevere Art und Weise den historischen Fall in seine eigene Geschichte, indem er die tatsächlichen Morde in kurzen, aber sehr intensiv erzählten Rückblicken in die Handlung einfließen lässt. Dabei kann man es dem Autor durchaus hoch anrechnen, dass er bei der Beschreibung der Morde auf allzu reißerische Darstellungen der Verbrechen verzichtet und diese ganz im Gegenteil eher nüchtern schildert. Denn durch die sachliche Erzählung der Ereignisse wirken diese realer und erzielen so eine mindestens ebenso eindringliche Schockwirkung wie es vor Blut nur so triefende Szenen tun würden. Zudem zeigt sich in diesen Passagen die gute Recherche des Autors, der sich offenbar sorgfältig mit dem Zodiac-Fall auseinandergesetzt und laut eigener Aussage im Nachwort dabei sogar die zuständigen Sheriff’s Departments in Kalifornien befragt hat. Linus Geschke bietet zwar keine spektakulären neuen Erkenntnisse, die man nicht bereits aus den Sachbüchern des Journalisten Robert Graysmith, dem führenden und damals selbst in den Fall involvierten Zodiac-Experten, kennt – diese darf man von einem Unterhaltungsroman aber auch nicht erwarten und der Autor war sicherlich gut damit beraten, keine absurden neuen Theorien zu erfinden sondern sich an die tatsächlichen Fakten zu halten.
Serienkiller-Jagd mit Serienkiller-Nerds
Dafür punktet Geschke mit einer gelungenen Idee, denn er lässt nicht nur die Polizei im Fall der Kölner Zodiac-Morde ermitteln, sondern führt eine weitere Erzählperspektive ein, die sich drei „Serienkiller-Nerds“ widmet: den Internatsschülern Phillip, Kai und Adam, die sich selbst in Anlehnung an den New Yorker Serienkiller „Sons of Sam“ nennen und gemeinsam ihrer Faszination für die bekanntesten Psychopathen der Geschichte frönen – und wer die Taten aller erdenklichen Wahnsinnigen aus dem Effeff kennt, dem bleiben natürlich auch die Gemeinsamkeiten zwischen der aktuellen Mordserie und den Zodiac-Morden nicht lange verborgen… Zwar nimmt dieser Handlungsstrang im Verlauf des Romans eine eher untergeordnete Rolle ein, trotzdem bringt er viel frischen Wind und regt darüber hinaus auch ein wenig zum Nachdenken an über die Ikonisierung von brutalen Verbrechern, die gerade von vielen Medien häufig fast schon zu Stars aufgebauscht werden.
Packender Thriller-Mix aus Fakten und Fiktion
Insgesamt ergibt sich so ein wirklich gelungener Thriller, der über alle vier Teile hinweg ein gutes Spannungsniveau hält und aus der vielleicht nicht mehr ganz so originellen Ausgangsidee eines Zodiac-Nachahmers doch überraschend viel herausholt und clever Realität und Fiktion miteinander verknüpft. Als „Thriller des Jahres“, wie der Edel Elements Verlag das Buch vollmundig anpreist, würde ich „Die Akte Zodiac“ zwar nicht unbedingt bezeichnen, Linus Geschke macht aber vieles richtig: die Story ist packend bis zur überzeugenden Auflösung, die Charaktere werden nach ein paar Startschwierigkeiten immer sympathischer und komplexer und die Geschichte bringt dank guter Beschreibungen von Schauplätzen in Köln und Umgebung sogar eine ordentliche Portion Lokalkolorit mit. Da kann man dann auch darüber hinwegsehen, dass man sich die angedeutete Romanze sicherlich ebenso hätte sparen können wie die Stückelung des Romans und dass das Buch erst im Schlussviertel den ganz großen Nervenkitzel auffährt. „Die Akte Zodiac“ macht Spaß und ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn der Autor mit seinem Kölner Ermittler-Trio künftig in Serie geht.
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Atmosphäre: |
8/10
Ich würde gern mehr über diese Figuren lesen!
Kennst du sonst jemanden, der diese Reihe gelesen hat?
Ich fand „Die Akte Zodiac“ überraschend gut, auch wenn ich dieses Aufteilen in mehrere Ebooks nicht mag. Allerdings scheint das im Momenr ja „in“ zu sein. Aber ich stimme dir zu: Mit diesem Ermittler-Trio würde ich auch gerne weitere Geschichten lesen, dann aber bitte am Stück 🙂
Ich mag diesen Trend zu eBook-Mehrteilern auch überhaupt nicht, wer in Bücher reinlesen möchte hat ja in der Regel Leseproben zur Verfügung. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand mehrere Teile eines aufgeteilten Buches liest und dann kurz vor Schluss aussteigt, daher verstehe ich den Sinn dieses Konzepts auch nicht so wirklich 😀
Vielleicht hat „Die Akte Zodiac“ ja genug Erfolg, dass es beim nächsten Mal zum „richtigen“ Buch reicht, ich hatte beim Lesen schon das Gefühl, dass der Autor es eher als Auftaktband einer Serie angelegt hatte.