Die Abnormen_Rezi

Seit den 1980er Jahren kommen immer mehr Menschen mit einer besonderen Begabung zur Welt: Sie können in Sekundenbruchteilen Muster erkennen, Körpersprache lesen oder unglaubliche mathematische Berechnungen im Kopf durchführen. Etwa 1% der Menschheit zählt zu diesen „Genialen“, „Begabten“ oder „Abnormen“, wie diese Minderheit von den Medien und den Menschen ohne diese außergewöhnlichen Fähigkeiten genannt werden. Während ein Teil der „Abnormen“ ihre Begabung dazu nutzt, bahnbrechende Technologien zu entwickeln und Gutes zu tun, gibt es aber auch eine Vielzahl von ihnen, die ihre Macht missbrauchen, den Aktienmarkt zusammenbrechen lassen oder weitaus schlimmere Verbrechen begehen. Nick Cooper arbeitet für eine Regierungsabteilung der Vereinigten Staaten von Amerika, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, genau solche fehlgeleiteten Individuen zu verfolgen und mit allen Mitteln zu bekämpfen. Das Besondere daran: Cooper zählt gehört selbst zu den Abnormen…

Wenn Hochbegabte für die Menschheit zum Problem werden…

Die Ausgangsidee von Marcus Sakeys SciFi-Thriller „Die Abnormen“ klingt äußerst spannend: Ein kleine Gruppe der Menschheit kommt mit einer Art Inselbegabung, aber ohne die mit dem Savant-Syndrom verbundene Entwicklungsstörung zur Welt und wird dadurch zu Super-Menschen, die dem Rest der Bevölkerung eindeutig überlegen sind. Und auch wenn der Anteil dieser Begabten von nur 1% an der gesamten Weltbevölkerung zunächst gering klingt, so reicht diese Anzahl bereits aus, um den Regierungen große Sorgen zu bereiten – denn zwangsläufig setzt nicht jeder seine Fähigkeiten zum Wohl der Menschheit ein und viele versuchen, sich selbst zu bereichern. Um die mit der wenig schmeichelhaften Bezeichnung „Abnorme“ betitelten Menschen unter Kontrolle zu bringen, werden seit den 1980er Jahren alle Kinder in jungen Jahren auf dieses Phänomen hin getestet und bei einem positiven Befund an spezielle Akademien verfrachtet. Was dort passiert, kann man mit nichts anderem als „Gehirnwäsche“ bezeichnen und dient alleine dazu, die Abnormen unschädlich zu machen. Wer danach dennoch zu einem Problem für die „normale“ Gesellschaft wird, darf nach den extra eingeführten gesetzlichen Bestimmungen mit allen Mitteln verfolgt und im Notfall sogar eliminiert werden. Hier weiß man beim Lesen kaum, was erschreckender ist: Eine Gruppe menschlicher Super-Terroristen, die den nicht genialen Rest der Menschheit unterjocht, oder das skrupellose Vorgehen der Regierung, welche die Begabten ohne schlechtes Gewissen ihrer Rechte beraubt, in speziellen Lagern konditioniert und fast willkürlich hinrichtet, falls diese sich nicht ohne Widerstand unterdrücken lassen.

Spannendes Setting, gewöhnungsbedürftige Hauptfigur

Es ist ein originelles und faszinierendes Setting, aber auch irgendwie eines, bei dem man sich die ganze Zeit über ein wenig unwohl fühlt. Gleiches gilt auch ein wenig für Marcus Sakeys Hauptfigur Nick Cooper: Einerseits zählt auch er zu den Genialen und verfügt ebenfalls über außergewöhnliche Fähigkeiten, auf der anderen Seite stellt er diese jedoch in den Dienst der Regierung und macht Jagd auf Seinesgleichen, die er im Zweifelsfall auch tötet, wenn dies seine Befehle voraussetzen und seine Ziele als Terroristen gebrandmarkt wurden. Bei so einem fast schon naiven Gehorsam fiel es mir durchaus schwer, dieser Figur große Sympathien entgegenzubringen, zumal Nick Cooper meiner Meinung nach auch ein wenig klischeehaft dargestellt wird: geschiedener Ex-Soldat, im Kampf praktisch unverwundbar und zwischen den Schießereien immer noch genug Zeit, um sich um seine weiblichen Mitstreiter zu „kümmern“.

Unterhaltsame Verschwörungsgeschichte mit kleinen Schwächen

An der Story hingegen gibt es nicht allzu viel auszusetzen: „Die Abnormen“ bietet zwar nicht die vielleicht zu erwartende Superhelden-Story, sondern eher einen Verschwörungsthriller mit vielen Actioneinlagen, unterhaltsam ist es aber trotzdem. Das Erzähltempo ist sehr hoch und auch wenn die Handlung insgesamt ein wenig vorhersehbar ist, so halten einen die zahlreichen Wendungen doch gut bei Laune. Ich hätte mir insgesamt jedoch einen stärkeren Fokus auf die Fähigkeiten der Abnormen gewünscht, denn diese kommen ehrlich gesagt auch nicht anders daher als die häufig im TV zu sehenden Hochbegabten, die superschnell Zahlen multiplizieren oder sich unzählige Wörter in der richtigen Reihenfolge merken können. Hier hatte ich mit ein paar „cooleren“ Begabungen gerechnet, sodass ich manchmal auch das Setting nicht als ganz so glaubwürdig empfunden habe – mir hat sich einfach nicht immer erschlossen, warum diese Menschen nun als eine so große Gefahr betrachtet werden. Auch wäre es interessant gewesen zu erfahren, warum es überhaupt so plötzlich zu dem Phänomen gekommen ist, dass so viele Menschen mit diesen Fähigkeiten zur Welt kommen.

Guter Auftaktroman mit Luft nach oben

Da „Die Abnormen“ aber erst der Auftakt zu Sakeys „Brilliance“-Saga ist, bleibt im nächsten Teil also noch ein bisschen Luft nach oben. Man muss sich aber keine Sorgen machen, mit einer halbfertigen Geschichte oder einem fiesen Cliffhanger hängengelassen zu werden, denn dieser erste Band funktioniert auch ganz gut als eigenständiger Roman, wenngleich natürlich nicht alle Handlungsstränge abgeschlossen werden. Da Hörbuchsprecher Torben Kessler ebenfalls einen guten Job macht, auch wenn etwas mehr Variation bei den einzelnen Rollen sicherlich wünschenswert gewesen wäre, bekommt man mit „Die Abnormen“ insgesamt einen sehr soliden SciFi-Thriller geboten.

Die Abnormen
  • Autor:
  • Sprecher: Torben Kessler
  • Original Titel: Brilliance
  • Reihe: Brilliance Saga #1
  • Länge: 14 Std. 53 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Audible GmbH
  • Erscheinungsdatum: 5. Juni 2014
  • Preis 27,95 € (9,95 € im Audible-Flexi-Abo)
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Marcus Sakeys "Die Abnormen" punktet mit einer guten Ausgangsidee und einem erschreckenden Setting, bietet bei der Story jedoch eher routinierte, aber dennoch unterhaltsame Verschwörungs-Action.

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