Als Fußballfan hat man auf dem deutschen (Mainstream-)Zeitschriftenmarkt seit vielen Jahren die Qual der Wahl zwischen den großen Drei: rund um das Tagesgeschäft kämpfen die beiden Rivalen „kicker“ und „SportBILD“ um die Vormachtstellung, wobei die eine Hälfte der Leser auf die vermeintliche Seriosität des mittlerweile 100-jährigen Sportmagazins schwört und die andere auf die zumindest im Sportbereich oft sehr gut vernetzten Quellen der SportBILD-Redaktion setzt und die gerne etwas sensationsgierige Berichterstattung des Axel Springer Verlags mehr oder weniger zähneknirschend in Kauf nimmt, um immer die aktuellsten Infos zu bekommen und bei den neuesten Gerüchten mitreden zu können.

Vom selbstverlegten Heft zum erfolgreichen „Magazin für Fußballkultur“

Für alle fußballinteressierten Leser, die einen Blick auf das Fußballgeschehen abseits aktueller Spielberichte, Transfernews und Statistiken werfen wollen (oder für derlei Informationen in Zeiten des Internets keine gedruckte Zeitschrift mehr benötigen) gibt es seit dem Jahr 2000 auch noch 11FREUNDE, das selbsternannte „Magazin für Fußballkultur“. Was damals ursprünglich mal ungefähr nach dem Motto „Von Fans für Fans“ angefangen hat und mit dem ambitionierten Ziel entstand, ein bundesweites „Fanzine“ zu etablieren, das über die Vereinsgrenzen hinweg Fußballfans im ganzen deutschsprachigen Raum bedient, hat in den letzten beiden Jahrzehnten eine ähnlich rasante Entwicklung genommen wie der Fußball selbst. Fing 11FREUNDE noch mehr oder weniger in Handarbeit und mit selbst verkauften Heften vor dem Berliner Olympiastadion an, so ist es heute ein professionell verlegtes und hochwertig gestaltetes Magazin mit einer monatlichen Auflage von rund 60.000 Lesern, in der gesamten Fußballbranche bekannt und gefühlt so etwas wie der gemeinsame Nenner, auf den sich Fans, Spieler, Trainer und andere Personen des Business einigen können.

Das Beste aus 20 Jahren 11FREUNDE

Nun feiert 11FREUNDE sein 20-jähriges Jubiläum und hat aus diesem Anlass „Das große 11FREUNDE Buch“ veröffentlicht, bei dem es sich um „eine wilde Fahrt durch zwanzig Jahre Fußballkultur“ handelt oder einfach ausgedrückt ein Best of aus 20 Jahren Heftgeschichte. In der Praxis sieht das so aus, dass die 456 Seiten des Buches zu einem Großteil aus überwiegend unverändert abgedruckten Artikeln aus den Heften der Jahre 2000 bis 2020 bestehen, ergänzt z.B. um Vorworte zu den einzelnen Zeitabschnitten der 11FREUNDE-Historie, Berichten zur Entstehungsgeschichte oder auch Jahrgänge übergreifenden Top-10-Listen wie „Die 10 dämlichsten Ideen aller Zeiten“ (Stichwort: Nasenpflaster) oder „10 Orte, die jeder Fan sehen muss“, bei denen sich der Verfasser dieser Rezension besonders über die Erwähnung der benachbarten „Schalker Meile“ im Zentrum von Gelsenkirchen gefreut hat. Dazu gesellen sich noch eine Auswahl der „schönsten Leserbriefe aus 20 Jahren“ oder weitere subjektive Redaktions-Highlights wie die Lieblingsbilder der 11FREUNDE-Fotografen.

Uninspirierte Zweitverwertung oder lohnenswerte Chronik?

Dadurch stellt sich natürlich zwangsläufig ein bisschen die Frage nach der Daseinsberechtigung dieser Chronik, schließlich handelt es sich hier größtenteils um eine Zweitverwertung von Inhalten, die so bereits in den einzelnen Zeitschriftenausgaben erschienen sind. Wer also ohnehin seit der Erstausgabe alle inzwischen über 200 11FREUNDE-Magazine gesammelt und in den passenden Schubern im Regal stehen hat, der kann auf dieses Werk streng genommen wohl verzichten (oder kauft sich das Buch rein der Vollständigkeit halber). Wer aber wie ich erst seit relativer kurzer Zeit (in meinem Fall seit knapp zwei Jahren) regelmäßiger Leser der Zeitschrift ist oder im Laufe der letzten Jahre nur mal sporadisch an der Tankstelle zur 11FREUNDE gegriffen hat, um die lange Fahrt in den Urlaub damit zu überbrücken, für den sind diese 456 Seiten ein wahres Fest und eine gute Möglichkeit, einige der besten Geschichten und spektakulärsten Fotografien aus 20 Jahren 11FREUNDE nachzuholen.

Bayerns schlimmste Niederlage und eine der größten Fußball-Tragödien

Natürlich reicht der Umfang dieses Buches bei weitem nicht aus, um alle Highlights der Hefte auch nur im Ansatz zusammenzufassen, doch alleine schon für grandiose Berichte wie „Das Minutenprotokoll des größten Traumas des FC Bayern München“, einer detaillierten Aufarbeitung der Last-Minute-Niederlage des deutschen Rekordmeisters im Champions-League-Finale 1999 in Barcelona gegen Manchester United, oder skurril-originellen Einfällen wie die von der 11FREUNDE-Redaktion fingierten Kicker-Leserbriefe von ominösen Gestalten wie „R. Töpper aus Wien“, „F. Loskel aus Petersen“ oder Otto-Rehhagel-Fan „M. Jaeger aus Rollstein“, lohnt sich die Lektüre dieser Chronik bereits. Unbestrittenes emotionales Highlight dürfte jedoch der Artikel „Truth & Justice“ sein, in dem ein Überlebender der Hillsborough-Katastrophe von 1989, bei der 96 Fußballfans im Stadion von Sheffield Wednesday ums Leben kamen, sehr eindringlich von seinen Erlebnissen berichtet und vor allem erzählt, was es mit ihm und anderen Fans gemacht hat, dass über Jahrzehnte hinweg die Zuschauer selbst für die Tragödie verantwortlich gemacht wurde, obwohl diese letztlich auf schwere Fehler der Polizei zurückzuführen war.

Bildgewaltiger Rückblick für Fußball-Nostalgiker

Auch optisch macht „Das große 11FREUNDE Buch“ einiges her und liegt als hochwertig gebundenes Hardcover gut in der Hand und bietet einen würdigen Rahmen für die unzähligen fantastischen Fotografien von Sportlern, Fans und Sportstätten (ganz gleich ob spektakuläres Stadionpanorama oder humorvolles Fotoshooting, in denen sich die abgelichteten Personen selbst nicht ganz so ernst nehmen), mit denen man am liebsten die eigenen vier Wände zutapezieren möchte. Da überrascht es dann auch nicht, dass dieses Werk insgesamt sehr bildlastig ist und man somit mit der Lektüre recht schnell fertig ist, wenn man die bildliche Wucht nicht unbedingt bis ins letzte Detail aufsaugt sondern sich einmal von vorne bis hinten durch das Buch liest. Dennoch ist „Das große 11FREUNDE Buch“ optisch und inhaltlich jede Seite wert und eine tolle Chronik für alle Leser, die das „Magazin für Fußballkultur“ noch nicht so lange kennen, zwischendrin viel verpasst haben oder damit einfach ihre Sammlung vervollständigen wollen – oder aber auch für Fußballnostalgiker, die die Zeitschrift vielleicht bisher überhaupt nicht gekannt haben und angesichts von Millionenverträgen, glattgebügelten Stars, korrupten Funktionären oder WM-Turnieren zur Weihnachtszeit in Wüstenstaaten ohne Fußballkultur einfach nochmal vor Augen geführt bekommen wollen, was früher eigentlich alles (vermeintlich) besser war. Einzig als Anhänger von RB Leipzig sollte man um dieses Werk vielleicht lieber einen Bogen machen, da gerade 11FREUNDE-Chefredakteur Philipp Köster den vom Brausefabrikanten aus dem Boden gestampften Verein sozusagen als persönlichen Intimfeind auserkoren zu haben scheint und seine Abneigung auch nur allzu gerne kundtut. Aber vielleicht kann man ja auch als RB-Fan über Artikel wie „Presse, Tuch & Schießgewehr – Tradition kann man sich nicht kaufen. Ein Blick in das Vereinsmuseum von RasenBallsport Leipzig e.V.“ lachen…

Das große 11FREUNDE Buch
  • Autor:
  • Umfang: 456 Seiten
  • Verlag: Heyne Hardcore
  • Erscheinungsdatum: 23. März 2020
  • Preis Geb. Ausgabe 25,00 €
Cover:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
9/10
Fazit:
Mit dieser Rückschau auf 20 Jahre Heftgeschichte liefert die 11FREUNDE-Redaktion eine spannende und abwechslungsreiche Auswahl lesenswerter Artikel und spektakulärer Fotografien, die jeden Fußball-Nostalgiker begeistern wird.

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