Im 19. Jahrhundert wird Neuengland von einer Plage menschenfressender Monster heimgesucht. Nur ein verschrobener Wissenschaftler und sein jugendlicher Assistent können dem Befall Einhalt gebieten…

Der Autor Rick Yancey wird von einem befreundeten Direktor eines Altersheim verständigt, da dieser glaubt, auf eine interessante Geschichte für den Schriftsteller gestoßen zu sein. Als nämlich kurz zuvor der älteste Bewohner der Einrichtung verstorben ist, fand man in den persönlichen Gegenständen des Mannes drei rätselhafte Tagebücher. Schon zu Lebzeiten machte der Mann einen ungewöhnlichen Eindruck und behauptete stets, im Jahr 1876 geboren zu sein, womit er zum Zeitpunkt seines Todes 131 Jahre alt hätte sein müssen. Der Direktor schreibt diese Behauptungen der fortgeschrittenen Demenz des Verstorbenen zu, doch als Yancey sich das erste der Tagebücher vornimmt, entdeckt er dort eine schier unglaubliche Geschichte.

Ein Wissenschaftler und sein junger Assistent machen Jagd auf Monster

1888, New Jerusalem, ein fiktives Städtchen im amerikanischen Neuengland: Der 12-jährige Will Henry lebt nach dem tragischen Tod seiner Eltern bei dem Wissenschaftler Doktor Pellinore Warthrop, für den Wills Vater zu Lebzeiten viele Jahre lang gearbeitet hat. Warthrop hat sich voll und ganz dem Fachbereich der Monstrumologie verschrieben, der Erforschung und der Jagd auf Kreaturen aus dem Reich der Mythen und Legenden, die dem Menschen feindlich gesinnt sind. Als eines Nachts ein Grabräuber vor der Tür des Doktors steht und ihm den Kadaver eines solchen Geschöpfes überbringt, stürzen sich Warthrop und Will Henry sofort in die umfassende Untersuchung des Leichnams. Bei der Spezies handelt es sich allem Anschein nach um einen Anthropophagen, einem kopflosen und blutrünstigen Monster, dessen mit messerscharfen Zähnen besetzter Schlund und seine furchterregenden schwarzen Augen sich im Rumpf der Kreatur befinden. Aus Furcht vor einer Ausbreitung der Anthropophagen nehmen Warthrop und sein junger Assistent umgehend die Fährte dieser Wesen auf…

Monstrumologie: Studium und Jagd von Kreaturen, die sich dem Menschen grundsätzlich böswillig verhalten und deren Existenz von der Wissenschaft nicht anerkannt ist

Schon ab den ersten Seiten erzeugt Rick Yanceys Jugend-Horror-Fantasyroman eine ganz eigene Atmosphäre, die mich sofort gefangengenommen hat. Dies beginnt bereits mit dem Prolog im Altersheim, welcher der folgenden Geschichte durch den persönlichen Auftritt des Autors einen fast schon realistischen Anstrich verpasst. Das passt auch zum Titelblatt des Buches, bei dem der fiktive William James Henry als Autor der Geschichte und Rick Yancey lediglich als Herausgeber erwähnt wird, der die Tagebücher des Verstorbenen nur in verständlicher Form aufbereitet hat.

Die Aufzeichnungen von Will Henry beginnen dann auch ohne großes Vorgeplänkel und setzen unmittelbar in der schicksalhaften Nacht des Jahres 1888 ein, als der 12-Jährige um Mitternacht von seinem Vormund und Mentor Dr. Warthrop aus dem Schlaf gerissen wird, um ihm bei der Obduktion der angelieferten Kreatur zu assistieren. Hier werden der Protagonist und der Leser mit der Spezies der Anthropophagen vertraut gemacht und der Kadaver des Geschöpfes in alle Einzelteile zerlegt sowie genauestens katalogisiert. Überhaupt legt Rick Yancey sehr viel Wert auf eine genaue Beschreibung der Monster und seiner Lebensweise und liefert detaillierte Informationen zu deren Jagdverhalten oder ihrer Ausbreitung. Dies verstärkt nochmal den realitätsnahen Eindruck und lässt stellenweise fast vergessen, dass man es hier mit fiktionalen Wesen zu tun hat.

Ungemein atmosphärisch und überraschend blutrünstig

Nach der ersten Erforschung beginnt die Jagd auf die Kreaturen, allerdings handelt es sich bei „Der Monstrumologe“ keinesfalls um einen actionreichen Roman, in dem sich eine Monster-Szene an die nächste reiht. Yancey verbringt viel Zeit mit der Erzeugung einer einzigartigen Atmosphäre, die einem das Gefühl vermittelt, selbst Teil eines Schwarz-Weiß-Horrorklassikers zu sein. Ein Großteil der Geschichte spielt in dunklen Kellerräumen, Irrenanstalten oder unheimlichen Friedhöfen, sodass beim Lesen stets ein angenehmer Grusel mitschwingt. Wenn es dann aber zum Aufeinandertreffen mit den Antropophagen kommt, kennt Yancey jedoch auch keine Zurückhaltung mehr. Dann werden munter Körperteile abgetrennt, Blut und Gehirnmasse durch die Gegend gespritzt oder gleich ganze Kreaturen in die Luft gesprengt. Das ist stellenweise wirklich richtig eklig und überrascht umso mehr, da „Der Monstrumologe“ eigentlich als Jugendroman geführt wird. Allerdings sollte man sich von der 12-jährigen Hauptfigur keinesfalls täuschen lassen und dieses Buch in die Hände kleiner Kinder geben, dafür ist die Geschichte eindeutig zu blutig und zu brutal.

Tiefgründig und mit spannender Charakterzeichnung

Trotzdem ist „Der Monstrumologe“ nicht, wie man es nun vielleicht vermuten könnte, ein anspruchsloser Splatter-Roman, sondern bietet erstaunlich viel Tiefgang. Die ungewöhnliche Beziehung zwischen Will Henry und dem Doktor spielt eine große Rolle und wird sehr vielschichtig dargestellt, wobei besonders Dr. Warthrop einen zwiespältigen Eindruck vermittelt. Einerseits ist er für Will eine Art Vaterersatz, andererseits treibt er den Jungen aber bei seinen Forschungen auch bis zur Erschöpfung und nimmt keinerlei Rücksicht auf die Bedürfnisse des Kindes. Doch immer gerade dann, wenn man kurz davor steht, Warthrop als verschrobenen Sklaventreiber und fanatischen Wissenschaftler anzusehen, kommt dann auch wieder eine seiner warmherzigen Facetten durch und sorgt für rührende Momente der Zuneigung. Außerdem setzt sich der Autor auch mit dem Moralbegriff auseinander und wirft die Frage auf, wie weit die Forschungen und das Verhalten des Doktors ethisch vertretbar sind und ob seine Besessenheit nicht billigend eine Gefährdung seines Umfelds in Kauf nimmt. Diese differenzierte Betrachtung ist sehr interessant und macht auch die teilweise etwas spärlich vorhandene Spannung mehr als wett.

Wunderschöne Aufmachung des Buches

Zum Schluss möchte ich noch unbedingt ein Wort zur optischen Aufmachung des Buches verlieren, denn „Der Monstrumologe“ zählt eindeutg mit zu dem Schönsten, was mein Bücherregal hergibt. Dies beginnt bereits beim toll gezeichneten Cover, dessen Optik an die Schwarz-Weiß-Filme der 1920er-Jahre erinnert und nur in Form eines roten Blutflecks Farbakzente setzt. Doch auch innen ist das Buch mit zahlreichen Illustrationen gespickt, von denen besonders die ganzseitigen Szenenbilder beeindrucken können. Richtig toll finde ich auch das im Schutzumschlag integrierte Lesezeichen, das ganz in der Aufmachung des Romans gehalten ist und leicht herausgetrennt werden kann. Hier hat sich der „Bastei Lübbe“-Verlag wirklich große Mühe gegeben und das Ergebnis kann sich wirklich mehr als sehen lassen. Ich freue mich bereits sehr auf die beiden weiteren Bände der Trilogie.

Fazit:
Unglaublich atmosphärischer Fantasy-Horror, der mit spannenden Hauptfiguren und unerwartet viel Tiefgang begeistern kann. Aufgrund der blutigen Details aber nicht für Kinderhände geeignet (9/10).

Buchcover
Autor: Rick Yancey; Originaltitel: The Monstrumologist; Umfang: 411 Seiten; Verlag: Bastei Lübbe; Erscheinungsdatum: 25. September 2010; Preis: Taschenbuch 14,99 €/eBook 7,49 €.

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