Autor: Alfred Lansing
Sprecher: Wolfgang Condrus
Länge: 11 Std. 41 Min. (ungekürzt)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Am Anfang steht der Plan von der erstmaligen Durchquerung des weißen Kontinents. Doch das gewaltige Naturwunder Antarktis wird im Jahr 1915 für die Crew der „Endurance“ zur Hölle aus Eis. Beharrlich verfolgt Expeditionsleiter Sir Ernest Shackleton bald nur noch ein Ziel: 28 Männer lebend wieder in die Zivilisation zurückzubringen. Die faszinierende Geschichte einer Irrfahrt ans Ende der Welt.
„Gebt mir Scott als wissenschaftlichen Expeditionsleiter, gebt mir Amundsen für eine störungsfreie und effiziente Polar-Expedition, aber wenn sich das Schicksal gegen euch verschwören zu haben scheint, dann fallt auf die Knie und betet um Shackleton.“

Zum Hörbuch:
„635 Tage im Eis. Die Shackleton-Expedition“ berichtet von den Bemühungen des britischen Polarforschers Ernest Shackleton, als erster Mensch den antarktischen Kontinent zu durchqueren. Der amerikanische Journalist Alfred Lansing veröffentlichte das Buch bereits im Jahr 1959 und konnte bei seinen Recherchen auf Interviews mit zahlreichen Expeditionsteilnehmern und deren Tagebücher zurückgreifen. So entstand ein authentisches Buch, welcher sehr genau die Erlebnisse und Torturen beschreibt, die von der Schiffsbesatzung durchlebt werden mussten.

Shackletons ursprüngliche Ambition war zunächst das Erreichen des geografischen Südpols. Nachdem der Norweger Roald Amundsen ihm jedoch 1911 zuvorgekommen ist, muss sich der Brite nun neue Ziele setzen. So plant er die Durchquerung der Antarktis, ein Unterfangen, das keinem Menschen zuvor gelungen ist. Er bricht 1914 mit zwei Schiffen von Plymouth aus auf in Richtung Argentinien, wo die eigentliche Expedition beginnen soll. Während die Aurora zur Unterstützung vorgesehen ist und eine Reihe von Depots anlegen soll, segeln Shackleton und seine Besatzung mit der Endurance.

Die Forschungsgruppe sieht sich jedoch von Beginn an schwierigen Wetterverhältnissen ausgesetzt und wird so einige Male von Packeis an der Weiterfahrt gehindert. Schließlich bleibt die Endurance endgültig im Eis stecken. Hofft die Besatzung zunächst noch auf bessere Witterungsbedingungen und somit auf eine Fortsetzung der Reise, muss sie mit zunehmender Dauer einsehen, dass diese Hoffnung wohl enttäuscht wird. Der Druck des Packeises auf das Schiff nimmt immer weiter zu und zerstört dadurch Teile der Bordwand. Wasser läuft fortan ins Schiffsinnere und die Crew wird gezwungen, dass Schiff aufzugeben und die Vorräte aufs Eis zu schaffen. Als die Endurance letztendlich sinkt, brechen Shackleton und seine Männer zu einem unmöglich scheinenden Unterfangen auf. Zu Fuß müssen sie mehrere hundert Kilometer zurücklegen, um auf Rettung hoffen zu dürfen…

Das Thema „Polarexpeditionen“ fasziniert mich seit geraumer Zeit, spätestens jedoch seit ich das fantastische Hörbuch „Terror“ von Dan Simmons gehört habe, welches von der Franklin-Expedition berichtet, dessen Teilnehmer zur Suche nach der Nordwestpassage aufbrachen. Nachdem mich dieses Werk unglaublich gefesselt hat (nicht zuletzt wegen der fiktionalen Horror- und Mysteryelemente), setzte ich in „635 Tage im Eis – Die Shackleton-Expedition“ ähnlich hohe Erwartungen. Leider wurde ich jedoch bitter enttäuscht, was aber nicht unbedingt an einer mangelhaften Qualität der Romanvorlage liegt.

Zunächst einmal beginnt der Autor Alfred Lansing mit Shackletons Planungen und Vorbereitungen für sein ambitioniertes Abenteuer. Dies streckt sich über die Rekrutierung einer geeigneten Crew bis zur Suche nach potenziellen Geldgebern für sein kostspieliges Unterfangen. Dies stellt einen guten Einstieg in die Geschichte dar, auch weil die Handlung des Hörbuches gelungen in den historischen Kontext eingebunden wird.

Lansing schildert Shackletons Vorbereitungen sehr detalliert und sachlich. Leider zieht sich dieser Stil auch durch die gesamte Länge des Hörbuches. So ist das Buch eher ein sehr ausführlicher und authentischer Bericht der Expedition, jedoch kein Roman. Der Autor beruft sich mehrmals auf die Quellen für sein Buch – Interviews und Tagebücher der Teilnehmer – und garniert sein Werk mehr oder weniger überhaupt nicht mit fiktionalen Elementen. Dies zeigt sich zum Beispiel in einem fast durchgängigen Verzicht auf jede Form von Dialogen, was die Geschichte nicht besonders lebhaft werden lässt.

Die Protagonisten der Handlung werden ebenfalls nur durch direkte Beschreibungen charakterisiert und nicht etwa durch Taten oder Gesagtes. Dem Hörer bleibt hiermit kaum Luft für eine eigene Meinung. Ein weiteres Problem ist, dass handlungstechnisch zunächst nicht wirklich viel passiert, wofür Lansing aber eher weniger kann, da er sich ja auf tatsächliche Ereignisse bezieht. Nach dem Verlassen des Schiffs verharrt die Besatzung zum Beispiel lange Zeit auf einer riesigen Eisscholle und lässt sich auf dieser durch die Polarmeere treiben. Je nach Wind- und Wetterverhältnissen erleben die Abenteurer so Rückschläge und Erfolgserlebnisse. Erst im späteren Verlauf bekommt man als Hörer etwas mehr „Action“ geboten.

Die Probleme der Expeditionsteilnehmer werden hingegen detailliert und eindrucksvoll geschildert. Neben den eisigen Bedingungen leidet die Besatzung zum Beispiel unter einem Mangel an Nahrung, wodurch sie auf Robben- und Pinguinfleisch angewiesen ist. Oft durchleben die Männer jedoch auch Tage ohne eine erfolgreiche Jagd, was zu einem enormen Kräfteverschleiß und schlechter Stimmung führt. Schließlich müssen sogar die mitgeführten Schlittenhunde getötet werden, da für die Tiere kein Futter mehr geopfert werden kann und die Hunde selbst als Nahrung für die Gestrandeten herhalten müssen. In diesen Momenten hat das Buch eindeutig seine stärksten Stellen, da man sich hier am besten in die aussichtslose Lage der Protagonisten hineinversetzen kann.

Zum Sprecher:
Gelesen wird das Hörbuch von Wolfgang Condrus, einem Sprecher den ich persönlich sehr schätze. Diesem kommt hier eine sehr undankvolle Aufgabe zuteil, denn er erhält kaum Gelegenheit, sich besonders auszuzeichnen. Durch den sehr nüchternen Stil des Buches und das Fehlen fast jeglicher Dialoge ist er praktisch gezwungen, immer in der gleichen Stimmlage zu lesen – er trägt nun mal einen Bericht vor. Emotionen bleiben hier leider völlig auf der Strecke, was man dem Sprecher jedoch nicht vorwerfen kann. Die Vorlage gibt eben einfach nicht mehr her. Condrus liest zwar sehr routiniert, kann dem Hörbuch aber keine besonderen Impulse verschaffen und sein Potenzial wird hier schlicht verschenkt.

Mein Fazit:
Leider konnte mich „635 Tage im Eis – Die Shackleton-Expedition“ zu keiner Zeit richtig fesseln, obwohl die Thematik eigentlich das Zeug dazu hätte. Das Abenteuer der Endurance-Besatzung liefert eigentlich alle Voraussetzungen für eine spannende Geschichte mit dichter Atmosphäre, leider fehlt ihr jedoch fast jegliches „Leben“. Alfred Lansings Stil ist völlig emotionslos, dafür jedoch sehr detailliert und sachlich. Ich will nicht einmal behaupten, „635 Tage…“ sei ein schlechtes Buch, es ist aus meiner Sicht nur kein guter Roman und kein gutes Hörbuch. Als Sachbuch erscheint mir der Titel durchaus geeignet, als Audiobook funktioniert er aber einfach nicht. Da Wolfgang Condrus durch den Stil des Autors zu einer nüchternen Lesung praktisch gezwungen wird, hat man ständig die gleiche Stimmlage auf dem Ohr. So passierte es mir beim Hören sehr oft, dass ich gedanklich einfach abgedriftet bin und der Handlung nicht weiter folgen konnte. Wer sich für das Buch interessiert, sollte hier aus meiner Sicht wirklich zur gedruckten Fassung greifen, da dieser dann die volle Aufmerksamkeit zuteil kommt. Für „nebenbei“ ist diese Geschichte einfach nicht geeignet und als Hörbuch – so deutlich muss ich es leider sagen – nicht empfehlenswert.

Meine Wertung: 4/10

Informationen:
Das Hörbuch „635 Tage im Eis – Die Shackleton-Expedition“ von Alfred Lansing hat eine Spieldauer von 11 Stunden und 41 Minuten und ist ungekürzt für 20,95 Euro bei audible.de erhältlich. Im Flexi-Abo kostet der Titel nur die gewohnten 9,95 Euro.

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