The_Book_Thief_Rezi

Ein kleines Mädchen stiehlt Bücher und versucht damit, den Schrecken des Krieges auszublenden.

Deutschland, 1939: Der Zweite Weltkrieg tobt in vollen Zügen und die Welle der Zerstörung macht auch vor der Familie Meminger nicht Halt. Gemeinsam mit ihrem kleinen Bruder Werner soll die neunjährige Liesel daher von ihrer Mutter in den kleinen Ort Molching bei München gebracht werden, wo sie in die Obhut von Pflegeeltern gegeben werden soll. Die an Strapazen reiche Zugfahrt ist für den geschwächten Werner jedoch zu viel und er stirbt noch während der Reise nach Süddeutschland. Auf seiner Beerdigung sieht Liesel dann zufällig, wie einem der Totengräber ein Buch aus der Jacke fällt. Obwohl sie nicht lesen kann, nutzt Liesel einen unbeobachteten Moment, um das Buch einzustecken – der Anfang einer außergewöhnlichen Geschichte…

Der Tod erzählt eine Geschichte über den Krieg

„The Book Thief“ von Markus Zusak ist eines dieser Bücher, die in der Buchbloggerszene wohl in nahezu jedem Bücherregal zu finden sind – erst recht, da Mitte März auch die Verfilmung des Romans in den Kinos anläuft. Und obwohl mich das Buch von der Inhaltsbeschreibung nicht unbedingt direkt angesprochen hat, haben mich die vielen begeisterten Kritiken zu Zusaks Werk schließlich doch neugierig gemacht. Was direkt auf den ersten Seiten auffällt, ist der sehr ungewöhnliche Schreibstil des Autors, was schon bei der außergewöhnlichen Wahl des Erzählers beginnt. Liesel Memingers Geschichte wird nämlich von niemand geringerem als dem Tod persönlich erzählt, der zum Zeitpunkt der Handlung kriegsbedingt gerade einen wahren Fulltime-Job hat. Glücklicherweise entpuppt sich der Sensenmann als gar nicht mal so unsympathisch und überraschend humorvoll. Es wirkt fast so, als sei ihm sein schlechter Ruf äußerst unangenehm und als ginge ihm all das Leid des Krieges selbst durchaus nahe. Auch seine Erzählweise ist eher unkonventionell, da die reinen Erzählabschnitte regelmäßig durch kleine Einschübe unterbrochen werden, die immer wieder ein paar Fakten oder Hintergrundinformationen zu Personen und bestimmten Situationen liefern und wie kleine Lexikonauszüge daherkommen. Das mag zunächst durchaus gewöhnungsbedürftig sein, mir haben diese kleinen Zwischenspiele aber von Beginn an sehr gut gefallen.

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Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht eines Kindes

Trotz des eher lockeren Erzählstils dreht sich „The Book Thief“ aber nach wie vor um ein sehr ernstes Thema: Den Zweiten Weltkrieg. Und obwohl Markus Zusak hier auf sehr drastische Darstellungen verzichtet, bleibt die Hauptfigur des Buches von den Kriegshandlungen und deren Auswirkungen auf das alltägliche Leben natürlich nicht unangetastet. Das Leben der Liesel Meminger ist ein ständiges Leben in Angst und Ungewissheit, in dem jederzeit geliebte Personen für immer verschwinden können, so wie es ihr bereits gleich zu Beginn durch den tragischen Tod ihres Bruders wiederfährt. Zusak erzählt die Ereignisse zwar aus der Sicht eines neunjährigen Kindes, doch trotz des daraus folgenden fehlenden Verständnisses für die politischen und gesellschaftlichen Geschehnisse bekommt Liesel natürlich den Schrecken des Krieges zu spüren. Sie merkt genau, dass die Menschen kein schlechtes Wort über Adolf Hitler und die nationalsozialistische Partei verlieren dürfen, dass das nachbarschaftliche Leben von Unsicherheit und Misstrauen geprägt ist und dass auch ihre Pflegeeltern gewissen Zwängen unterworfen sind, obwohl sie damit gegen ihre eigenen Überzeugung handeln müssen.

Wundervolle Charaktere

Da ist es für Liesel umso wichtiger, dass sie den Menschen in ihrem engsten Umkreis vertrauen kann, was in erster Linie ihre Pflegeeltern Rosa und Hans Hubermann oder ihren besten Freund Rudy betrifft. Markus Zusak hat hier außergewöhnliche Figuren erschaffen, die einem fast immer sofort ans Herz wachsen. Das gilt selbstverständlich für die aufgeweckte und mitfühlende Liesel, aber auch für Figuren wie ihre Pflegemutter, der man es nicht auf den ersten Blick ansieht. Denn auch hinter deren rauher Fassade verbirgt sich ein herzensguter Mensch und es ist wirklich sehr rührend, wie stark die zufällig zusammengewürfelte Familie zusammenhält und dem Krieg bestmöglich trotzt. Egal ob nächtliche Lesestunden im Keller mit Tochter und Pflegevater, barsche aber dennoch liebevolle Diskussionen zwischen den Hubermanns oder die immer präsente Hilfsbereitschaft der Familie – „The Book Thief“ bietet unzählige Momente voller Wärme, die einen die Gewalt und den Tod außerhalb des kleinen Hauses in der Himmelstraße kurzzeitig ausblenden lassen.

Eine bewegende und unterhaltsame Geschichtsstunde

Markus Zusak ist hier einfach ein sehr bewegender Roman geglückt, bei dem man gerne auch über die kleinen Längen im Mittelteil hinwegsieht. Es ist vielleicht von den einzelnen Ereignissen betrachtet keine weltbewegende Geschichte, dennoch liefert der Roman einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des alltäglichen Lebens unter dem Nationalsozialismus und wirkt dabei zu keinem Zeitpunkt wie eine dröge oder belehrende Geschichtsstunde. „The Book Thief“ ist ein Buch, von dem man es sich wünscht, es während der Schulzeit als „Pflichtlektüre“ im Englisch- oder Geschichtsunterricht vorgesetzt bekommen zu haben, denn es vermittelt auf berührende und unterhaltsame Weise so viel mehr über den Zweiten Weltkrieg, als es trockene Lehrbücher oder langweilige Arbeitsblätter in der Regel schaffen. Zudem kann ich nur wirklich zur Lektüre der englischen Originalfassung raten, da in dieser viele Sätze und Begriffe aus der deutschen Sprache verwendet, übersetzt und erklärt werden – hier weiß ich gar nicht, wie man dies in der Übersetzung vernünftig hätte lösen können. Doch egal ob auf Deutsch oder Englisch, gelesen haben sollte man Markus Zusaks „The Book Thief“ auf jeden Fall.

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The Book Thief
  • Autor:
  • Deutscher Titel: Die Bücherdiebin
  • Original Titel: The Book Thief
  • Umfang: 554 Seiten
  • Verlag: Black Swan
  • Erscheinungsdatum: 8. September 2007
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
9/10
Fazit:
Außergewöhnlich erzählter und sehr bewegender Roman über das Leben im Krieg, der vor allem von den faszinierenden und warmherzigen Charakteren lebt.

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8 Antworten zu diesem Beitrag

  • Das Cover sieht nett aus.
    Hervorragend gemachter Beitrag. Ich habe leider den Text nicht gelesen, aber wer schon so viele Bilder zu einem Buch macht, was selten ist, ist schon hervorragend genug. 🙂

    Liebe Grüße, Gregor

  • Über das Buch habe ich bis her nur gutes gelesen. Ich werde es mir wohl doch mal kaufen müssen^^ Danke für die schöne Rezi. Vielleicht interessiert dich dann auch „Lenas Tagebuch“ von Lena Muchina

  • Hallo,

    bei mir ist es schon einige Zeit her, dass ich das Buch gelesen habe, aber ich kann nur zustimmen: Es ist ein tolles, lesenswertes Buch!

    Liebe Grüße,
    Fraencis

  • Interessant, dass du hier hervorhebst, dass man es auf Englisch gelesen haben sollte. Ich habe es mir auf Deutsch aus der Bücherei ausgeliehen und wollte es mir auch auf Deutsch besorgen, weil bei manchen angeklungen ist, dass Markus Zusak es mit deutschen Begriffen nicht allzu genau nimmt – dem widersprichst du jetzt aber, oder?

    • Wie meinst du das denn, dass er das mit den deutschen Begriffen nicht so genau nehme?

      Ich fands halt sehr amüsant auf Englisch wenn dann so deutsche Begriffe wie Saukerl etc. erklärt werden und ich kann mir das schlecht vorstellen wie diese ganzen Übersetzungen auf Deutsch funktionieren sollen, das wäre dann ja alles doppelt auf deutsch?

      • Ich glaube, dass war, dass er die irgendwie falsch eingearbeitet hat, aber z.B. auch Namen wie Rudy werden dann im Deutschen Rudi geschrieben (das ist dann natürlich schon Meckern auf höchstem Niveau xD).
        Also doppelt war da nichts, aber ich habe das englische ja nie gelesen und kann’s deshalb nicht beurteilen. Vielleicht schnappe ich mir das einfach mal im Buchladen und lese kurz rein ;-).

        • Ich würde ja auch den Film gerne im Original sehen, das ist bestimmt lustig wenn die sich mit den deutschen Sätzen einen abwürgen 😀

          • Hast du den Trailer gesehen? Ich bin da ein bisschen abgestoßen, weil die Akzente so gekünstelt sind ^^. Vor allem verstehe ich das doch nicht, wenn Engländer/Amerikaner vorgeben, einen deutschen Akzent zu haben ^^. Das wäre dann mal ein Film, den ich nicht im Original sehen will :-D.