Mind Control_Rezi

Dass US-Bestsellerautor Stephen Kind ein begnadeter Erzähler ist, dürfte sich inzwischen nicht nur bei eingefleischten Fans herumgesprochen haben. Und wer eine derart außergewöhnliche schriftstellerische Gabe besitzt, der darf es sich auch erlauben, gleich drei Bücher über ein und dasselbe (natürlich fiktive) Ereignis zu schreiben, in diesem Fall den Anschlag eines Wahnsinnigen, der mit einem Mercedes in die Menschenmenge vor der Jobbörse einer amerikanischen Kleinstadt hineinfährt – einzig und allein mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zu töten. Während „Mr. Mercedes“ sich noch unmittelbar der Aufklärung dieses unfassbaren Verbrechens widmete und mit dem alternden privaten Ermittler Bill Hodges in einem für Stephen-King-Verhältnisse überraschend klassischen Old-School-Krimi auf Verbrecherjagd schickte, war die Amokfahrt in der Fortsetzung „Finderlohn“ zwar noch einer der Auslöser der neuerlichen Handlung, spielte dann aber eine eher untergeordnete Rolle – allerdings wieder mit Ex-Cop Hodges und seinen kauzig-liebenswürdigen Helfern in den Hauptrollen.

Der Schlussakt im Fall der „Mr. Mercedes“-Anschlags

In „Mind Control“, dem Schlussakt der Bill-Hodges-Trilogie, schließt sich nun wieder der Kreis, und wieder beginnt die Geschichte mit der Katastrophe am Job-Center, die uns Stephen King diesmal aus der Perspektive von zwei Rettungssanitätern erleben lässt, die sich um die schwer verletzten Überlebenden des Anschlags kümmern müssen. Allerdings ist auch dieser Rückblick wieder nur der Aufhänger und spannt gekonnt den Bogen zu den neuerlichen Ereignissen, die Bill Hodges und seine treuen Helfer der „Finders Keepers“-Detektei auf den Plan rufen: Jahre später stirbt nämlich eine der Überlebenden des Amoklaufs unter rätselhaften Umständen bei einem vermeintlichen erweiterten Suizid. Allerdings galt die Frau trotz ihrer fast vollständigen Lähmung als Folge des Anschlags als äußerst lebensfroh, sodass ihr Tod eine Reihe von Fragen aufwirft. Und ganz nebenbei wächst in der psychiatrischen Abteilung des örtlichen Krankenhauses eine neue alte Bedrohung heran, denn Brady Hartsfield, der Todesfahrer von damals, scheint langsam aus dem Wachkoma aufzuwachen und seinen für immer verloren geglaubten Verstand wiederzugewinnen – und Hartsfield hat mit Bill Hodges noch eine alte Rechnung offen…

Der Horror kehrt zurück…

„Mind Control“ hat also eine nicht unbedeutende Vorgeschichte und so empfiehlt es sich, die beiden Vorgängerromane auch tatsächlich gelesen zu haben, bevor man sich an die Lektüre dieses Trilogie-Abschlusses begibt. Das dritte Buch mag vielleicht sogar ohne Vorkenntnisse funktionieren, wer aber in den vollen Genuss der King’schen Erzählkünste kommen und die clever verknüpften Handlungsstränge in ihrem ganzen Ausmaß bewundern möchte, der kommt um „Mr. Mercedes“ und „Finderlohn“ auf keinen Fall herum. Es sei allerdings eine kleine Warnung für die Leser (bzw. Hörer) ausgesprochen, welche mit Stephen King sonst eher nicht so viel am Hut haben und die ersten beiden Bände vor allem für ihren Old-School-Charme und die klassische Detektivgeschichte geschätzt haben: mit „Mind Control“ macht King – wie der Titel schon ankündigt – wieder einen Schritt „back to the roots“ und vermischt das bekannte Krimi-Gerüst großzügig mit Einflüssen aus dem Horror-Genre. Für treue King-Fans sind diese übernatürlichen Elemente – konkret geht es hier hauptsächlich um Telekinese – vermutlich kein Problem, schließlich zeichnet sich fast jedes Buch des Autors dadurch aus, wer „Mr. Mercedes“ und „Finderlohn“ aber auch für ihren vergleichsweise hohen Realitätsgrad geschätzt hat, muss sich beim Trilogie-Finale vermutlich ein wenig umgewöhnen.

Ein etwas beschwerlicher Start, über den die grandiosen Charaktere aber hinweghelfen

Was bei King hingegen schon fast zum guten Ton gehört, ist die eher gemächliche Anfangsphase des Buches, wenn man von dem schockierenden Prolog – denn die Mercedes-Amokfahrt verliert auch beim dritten Mal nichts von ihrem Schrecken – einmal absieht. Dabei hat „Mind Control“ natürlich alleine schon wegen des deutlich kürzeren Umfangs keine Längen epischen Ausmaßes wie z.B. „ES“ oder „The Stand“, trotzdem kommt die Geschichte diesmal ein wenig schwer in Fahrt. Dafür darf man sich aber im Gegensatz zum zweiten Band über ein deutlich früheres Wiedersehen mit Bill Hodges und seiner pfiffigen, psychisch aber ein wenig angeknacksten Partnerin Holly Gibney freuen, die sich auch diesmal wieder von ihrer besten Seite zeigen. Stephen King hat hier vielleicht nicht seine interessantesten Figuren geschaffen, dafür aber wohl ohne Frage seine liebenswürdigsten und es ist einfach ein Genuss, diese herrlich normalen Charaktere mit all ihren kleinen (und großen) Macken bei der Ermittlungsarbeit und ihrem aufopferungsvollen Kampf gegen das Böse zu begleiten – auch wenn sich von Beginn an ein wenig Melancholie und Abschiedsschmerz breit macht.

Ein absolut würdiges Finale der Bill-Hodges-Trilogie

Insgesamt ist „Mind Control“ somit sicherlich kein spektakuläres, aber ein mehr als würdiges Finale, das der Bill-Hodges-Trilogie trotz der neuen übersinnlichen Elemente in ihren Grundzügen treu bleibt und einen gelungenen und sehr zufriedenstellenden Abschluss der Geschichte bietet. Dazu trägt natürlich auch wieder einmal David Nathan als Sprecher der Hörbuchfassung bei, der von den Werken Stephen Kings schon gar nicht mehr wegzudenken ist. Dieser wurde zwar von dem Autor schon einmal mehr gefordert als in „Mind Control“, liefert dessen ungeachtet aber eine tadellose Vorstellung ab und es ist zu einem großen Teil auch ihm zu verdanken, dass mir die Charaktere dieser Reihe so sehr ans Herz gewachsen sind. Egal ob als warmherzig-sturer Bill Hodges oder als nerdig-belehrende Holly Gibney – David Nathan ist für mich untrennbar mit dieser Trilogie und ihren Protagonisten verbunden und ich hoffe inständig, dass „Mind Control“ nicht das letzte Mal war, dass sich meine Wege mit diesen grandiosen Charakteren gekreuzt haben.

Mind Control (Bill Hodges #3)
  • Autor:
  • Sprecher: David Nathan
  • Original Titel: End of Watch
  • Reihe: Bill Hodges #3
  • Länge: 13 Std. 55 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Random House Audio, Deutschland
  • Erscheinungsdatum: 9. September 2016
  • Preis MP3-CD 18,69 €/Download 14,85 €
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Mit „Mind Control“ liefert Stephen King ein zwar nicht unbedingt spektakuläres, aber absolut würdiges Finale der Mr.-Mercedes-Trilogie und schafft es trotz des Einsatzes übersinnlicher Elemente, dem klassischen Old-School-Charme der Vorgänger treu zu bleiben – ein gelungener und mit einer guten Portion Wehmut verbundener letzter Fall für Ex-Cop Bill Hodges und seine tapferen und liebenswürdigen Helfer.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Ich glaube, dieses Buch gefällt mir am wenigsten von den drei, aber ich habe es immer noch genossen – vor allem weil ich David Nathans Stimme und die Charaktere so sehr mag. Ich hoffe auch, dass wir sie wiedersehen.

    • Ich glaube ich fand es letzten Endes ungefähr auf einem Niveau mit dem ersten Buch. Ich hätte mir zwar gewünscht dass es realistisch bleibt und King vielleicht ohne übersinnliche Elemente ausgekommen wäre, allerdings hat es mich auch nicht wirklich gestört.

      Ich brauche unbedingt ein Holly-Gibney-Spin-Off! 😀