Todesfrist_Rezi

Ein überraschender Besuch ihres Vaters versetzt die Münchner Kommissarin Sabine Nemez in helle Aufregung: Völlig aufgelöst berichtet ihr dieser von der Entführung ihrer Mutter und dem Ultimatum, das der Kidnapper ihm per Telefon gestellt habe – entweder er schaffe es, innerhalb von 48 Stunden den Grund für die Entführung seiner Ex-Frau herauszufinden, oder Sabines Mutter müsse sterben. Als Sabine von dieser Drohung erfährt, ist ihre Mutter aber bereits mehr als zwei Tage in der Gewalt ihres Entführers – und tatsächlich geht nahezu zeitgleich die Meldung von einem Leichenfund im Münchner Dom bei der Polizistin ein. Als sie am Tatort eintrifft, wird ihre Befürchtung zur schrecklichen Gewissheit: Ihre Mutter wurde ermordet, und das augenscheinlich auf äußerst grausame Art und Weise. Für Sabine ist diese Entdeckung ein furchtbarer Schock, doch ihr bleibt keine Zeit zur Trauer, denn ihr Vater gerät nur wenig später ins Visier der Ermittlungen und findet sich plötzlich als Hauptverdächtiger im Verhörraum wieder. Sabine hat nur eine Chance, die Unschuld ihres Vaters zu beweisen: Sie muss den Mörder ihrer Mutter auf eigene Faust finden…

Wenn aus Kinderbüchern knallharter Thrillerstoff wird

Sie sind Teil der Kindheit eines wohl jeden von uns und haben eine lange Tradition als Gute-Nacht-Lektüre und Vorlesegeschichten, doch bei strengerer Betrachtung gehören sie eigentlich kaum in die Hände Minderjähriger: Märchen und Kinderbücher, die mit scheinbar harmlosen Reimen und bunten Bildern daherkommen, dabei aber vor Gewalt und Brutalität eigentlich nur so strotzen. Zu solchen Werken gehören auch die Geschichten des „Struwwelpeters“ aus der Feder des Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann, in denen ungezogene Kinder für ihr Fehlverhalten bestraft werden: Daumenlutschern werden die Daumen abgeschnitten, unwillige Esser verhungern elendig und kleine Feuerteufel verbrennen qualvoll. Eigentlich der perfekte Stoff für einen Erwachsenenthriller, dachte sich wohl auch der österreichische Schriftsteller Andreas Gruber, und nahm diese Geschichten zum Aufhänger seines Romans „Todesfrist“, in denen ein Serienkiller frei nach dem alten Kinderbuch Frauen auf grausame Weise ermordet.

Ein Kiffer, Dieb und Arschloch als Profiler-Genie

Indirekt zu den Opfern dieses Mörders zählt auch die weibliche Hauptfigur des Buches, denn Sabine Nemez, ihre Zeichens Ermittlerin beim Münchner Kriminaldauerdienst, hat ihre Mutter an den Psychopathen verloren und will den Täter nun zur Strecke bringen – auch, um ihren Vater zu entlasten, der als verärgerter Ex-Mann der Toten schnell als Hauptverdächtiger gilt. Dabei stellen sich ihr aber zahlreiche Hindernisse in den Weg, denn zum einen soll sie als unmittelbar Betroffene nicht an den Ermittlungen teilhaben, zum anderen scheint ihr auch ein aufgeblasener Kollege den Fall entreissen zu wollen, womit wir beim zweiten Protagonisten dieses Thrillers wären: Maarten S. Sneijder, BKA-Profiler mit niederländischen Wurzeln, der auf die Nennung seiner Initiale deutlich mehr Wert legt als auf eine einvernehmliche Zusammenarbeit. Für Sabine und ihre Nachforschungen ist dieser Mann ein wahrer Albtraum, für die Leser aber ein Geschenk des Himmels, denn so unsympathisch Maarten S. Sneijder auch wirken mag: Für die Geschichte ist dieser Profilneurotiker ein absoluter Gewinn. Wo trifft man schon mal auf einen Ermittler, der völlig ungeniert zur Steigerung des eigenen Denkvermögens Marihuana raucht, schamlos und mit schöner Regelmäßigkeit eine große Buchhandelskette beklaut und mit seiner unfreundlichen und arroganten Art jeden vor den Kopf stößt? Möglicherweise hat Andreas Gruber bei dieser Figur vielleicht ein wenig dick aufgetragen, weil Maarten S. Sneijder aber eben nicht nur Arschloch ist, sondern seinen Ruf als Profiler-Genie auch durchaus zurecht genießt, macht das Zusammenspiel der beiden Ermittlerfiguren (falls man das bei den ganzen Reibereien überhaupt so nennen kann) beim Lesen wirklich Spaß.

Packender Nervenkitzel mit einem kultigen Ermittlerduo

Auch bei der Story fährt Gruber schwere Geschütze auf und sorgt mit mehreren ineinander verschachtelten Handlungssträngen für ein raffiniertes Verwirrspiel, das aber jederzeit logisch und glaubwürdig bleibt. Zwar könnte es anfangs für ein wenig Konfusion sorgen, dass zwei Nebenfiguren sehr ähnlich angelegt sind, mit ein wenig Konzentration behält man hier aber dennoch den Durchblick. Die verhältnismäßig frühe Enthüllung des Täters fällt ebenfalls nicht im geringsten negativ ins Gewicht, denn die Geschichte bleibt auch weiterhin temporeich und hat immer noch einige Überraschungen auf Lager. Und auch wenn der Mörder in „Todesfrist“ nicht gerade zimperlich mit seinen Opfern umgeht, so ergeht sich Gruber nicht in ewig langen Gewaltdarstellungen, sondern überlässt die unappetitlichen Details meist der Fantasie seiner Leser. Insgesamt liefert der Autor hier also einen wirklich packenden und jederzeit spannenden Thriller ab, der durchgehend für Nervenkitzel sorgen kann. Manch einer mag sich vielleicht an der sicherlich etwas überzeichneten männlichen Ermittlerfigur stören, für mich hat der kiffende, stehlende, respektlose, selbstverliebte, letzten Endes aber doch gar nicht so unsympathische Maarten S. Sneijder jedoch bereits jetzt schon Kultstatus – mögen noch viele weitere Fälle für ihn und Sabine Nemez folgen.

Todesfrist
  • Autor:
  • Reihe: Maarten S. Sneijder #1
  • Umfang: 416 Seiten
  • Verlag: Goldmann Verlag
  • Erscheinungsdatum: 18. März 2013
  • Preis Taschenbuch 9,99 €/eBook 8,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
9/10
Fazit:
Andreas Gruber liefert mit seinem Roman „Todesfrist“ die Erwachsenenversion der altbekannten „Struwwelpeter“-Geschichten und bietet einen hochspannenden und raffinierten Thriller, der nicht nur mit einer packenden und cleveren Story, sondern auch mit einer wirklich originellen und schon jetzt kultigen Ermittlerfigur aufwarten kann.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Hey 🙂

    Bin schon gespannt, wie dir „Todesurteil“ gefallen wird. Ich bin mittlerweile auch schon Fan von Maarten S. Sneijder (Ich hab meine Lektion schon gelernt, das S nicht zu vergessen 😉 ) und bin neugierig, was Gruber nächstes Jahr mit ihm als Hauptfigur abliefern wird.

    Liebe Grüße
    Ascari

  • Ich bin erleichtert, dass dir das Buch gefallen hat. Andreas Gruber gehört zu meinen Lieblingsautoren und Maarten S. Sneijder hat es mir besonders angetan. Dann bleibt dir jetzt eigentlich nichts anderes übrig, als dir gleich den nächsten Band zu besorgen. Den fand ich genauso gut, wie seinen Vorgänger und außerdem fühlt sich das Cover cool an. Ähm… *hust*