Schwarze Tränen_Rezi

Im einen Moment träumte die schwangere Sinead McKeown noch vom perfekten Familienglück, im nächsten liegt plötzlich ihr ganzes Leben in Trümmern: Als eine Explosion ihr kleines Cottage in Irland zerstört, kommt dabei nicht nur ihr geliebter Ehemann Gari ums Leben, auch Sinead wird durch die Trümmerteile schwer verletzt und verliert ihr ungeborenes Kind. Während die junge Witwe sich im Krankenhaus erholt und das Unfassbare zu verarbeiten versucht, muss sie aber schon den nächsten Tiefschlag verarbeiten: Die Ermittlungen der irischen Polizei ergeben, dass Gari bereits kurz vor der Explosion erstochen wurde und man geht daher nicht mehr von einem Unfall aus, sondern sieht in Sinead eine eiskalte Mörderin, die ihren Ehemann auf dem Gewissen hat. Sinead hat nur eine Chance ihre Unschuld zu beweisen: Sie muss den Killer auf eigene Faust ermitteln – doch kurz nach ihrer erfolgreichen Flucht aus dem Krankenhaus ist nicht mehr nur die Polizei der erfahrenen Reporterin auf den Fersen…

Anschläge in (Nord)Irland und Strahlungsopfer in Frankreich

Irland, 1994: Das Land ist vom seit Jahrzehnten tobenden Nordirlandkonflikt geprägt, die Grenze zum zerrütteten Nachbarland streng bewacht und immer wieder dominieren Anschläge und blutige Krawallen das Nachrichtenbild. Für Sinead McKeown ist dies trauriger Alltag, trotzdem hat sich die Kriegsreporterin zumindest die Illusion einer perfekten Familienidylle inmitten all des Terrors bewahrt – diese stürzt jedoch zusammen, als ihr Mann bei einem Anschlag auf das gemeinsame Cottage ums Leben kommt und Sinead als dringend Tatverdächtige im Krankenhaus aufwacht. Wenig später ist die junge Frau auf der Flucht und macht in den Trümmern ihres Hauses eine Entdeckung, die ihr ganzes gemeinsames Leben mit ihrem Mann Gari in Frage stellt. All das passiert auf den ersten Seiten des Thrillers „Schwarze Tränen“ aus der Feder von Jérôme Delafosse, und damit gibt der Franzose auch gleich einmal das Tempo für die folgenden knapp 500 Seiten vor. Denn als wäre Sineads heikle Flucht und die gefährliche Suche nach der Wahrheit noch nicht spannend genug, gesellt sich auf dem europäischen Festland noch ein zweiter dramatischer Handlungsstrang zur Geschichte dazu: In Paris kommt ein Verdächtiger im Rahmen einer Verfolgungsjagd ums Leben, bei der anschließenden Untersuchung der Leiche werden an dem Toten starke Strahlenverletzungen entdeckt – und mit derartigen Wunden ist der Mann in Frankreichs Hauptstadt offenbar nicht alleine…

Komplexer Story-Mix aus Geheimdienst-Verschwörung und Wissenschaftsthriller

Über Langeweile kann man sich bei „Schwarze Tränen“ also nun wahrlich nicht beschweren – im Gegenteil: Das Buch hat fast schon zu viele Story-Elemente und Handlungsstränge zu bieten. Nach dem Beginn in Irland bzw. dessen nordirischem Nachbarn, der nicht nur mit viel Dramatik, sondern auch einigen sehr bedrückenden Impressionen des aus heutiger Sicht fast schon surrealen Kriegszustands des Gebiets punktet, verlagert sich die Geschichte schnell nach Frankreich, wo auch die beiden Handlungsstränge von Delafosse früh zusammengeführt werden. Was zunächst so klingt als würde die Story dadurch übersichtlicher, entwickelt sich schnell zu einem sehr komplexen und für den Leser nicht immer ganz einfach Handlungskonstrukt – denn der Franzose hat in seinen Roman wirklich alles reingepackt, was aus Autorensicht auch nur ansatzweise zusammenpassen könnte: Nordirlandkonflikt, Familientragödie, Mordserie, radioaktive Bedrohung, Geheimdienste, Verschwörung, Mythologie, Astronomie und noch vieles mehr. Diese Kombination sollte logisch vielleicht besser nicht allzu häufig hinterfragt werden, Delafosse hat es aber erstaunlicherweise geschafft, diesen kruden Mix zu einer wirklich spannenden Story zusammenzustricken. Es gibt kaum mal eine Seite Zeit zum Luftholen, ständig gibt es Überraschungen und Wendungen und neue Geheimnisse und Mysterien fast im Kapiteltakt.

Atemberaubendes Erzähltempo, aber eher wenig überzeugende Charaktere

Allerdings hat diese geballte Ladung Action auch einen gewissen Preis, denn wer in Thrillern Wert auf interessante Charaktere legt, wird bei „Schwarze Tränen“ wohl vermutlich nicht ganz auf seine Kosten kommen. Die beiden Hauptfiguren, Kriegsreporterin Sinead McKeown und der französische Polizist Raphael Zeck, fallen weder als große Sympathieträger auf, noch lässt ihnen der Autor viel Raum zur Entfaltung – dafür bleibt bei der vollgepackten Story schlicht keine Zeit. Zudem nehmen den beiden auch die unzähligen Nebencharaktere der diversen an der Story beteiligten Parteien viel Platz weg. Was mir überdies nicht so gut gefallen hat, ist dass die Geschichte insgesamt sehr hektisch ist und Delafosse seine Leser für meinen Geschmack zu schnell durch die Handlung treibt. Jedes Geheimnis wird fast im ersten Anlauf gelöst, jeder Zusammenhang ohne Fehlversuche hergestellt und auch die Schauplatzwechsel waren für mich zu abrupt – die Ermittlungen wirken in diesem Tempo einfach nicht besonders glaubwürdig. Das gilt übrigens auch für die Auflösung, die dann doch sehr ins Mythische abdriftet, dafür aber mit einem richtigen Paukenschlag endet, den man wohl erst einmal kurz verdauen muss. „Schwarze Tränen“ ist nicht unbedingt ein typischer französischer Thriller, hat aber auf jeden Fall viel zu bieten, allen voran die sehr komplexe und spürbar sorgfältig recherchierte Story und ein atemberaubendes Erzähltempo. Wenn man bei einem solchen Buch nicht zwingend sympathische oder gut ausgearbeitete Charaktere braucht und bei der Logik hin und wieder ein Auge zudrücken kann, bekommt mit Jérôme Delafosses Roman 500 Seiten spannender Unterhaltung geboten.

Schwarze Tränen
  • Autor:
  • Original Titel: Les larmes d'Aral
  • Umfang: 512 Seiten
  • Verlag: Blanvalet
  • Erscheinungsdatum: 20. April 2015
  • Preis Taschenbuch 9,99 €/eBook 8,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Der Franzose Jérôme Delafosse legt mit seinem Wissenschafts-/Geheimdienst-Thriller „Schwarze Tränen“ ab der ersten Seite ein atemberaubendes Tempo vor und sorgt mit einer komplexen und rasanten Handlung für viel Spannung, vernachlässigt dabei aber seine beiden nur mäßig überzeugenden Hauptfiguren und nimmt es trotz beeindruckender Recherche mit der Glaubwürdigkeit auch nicht immer ganz genau.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Ich hab das Buch ja auch schon gelesen und war recht positiv überrascht gewesen. Mit den rasanten Tempo und dem seltsamen Ende muss ich dir aber recht geben. Ich weiß noch, dass ich die letzten Seiten sogar 2x gelesen habe um auch alles zu „verstehen“ 😛

    • Also nach den letzten Seiten war ich echt kurz ein bisschen geschockt und eigentlich fand ich diese Expedition zum Ende hin auch nicht uninteressant, aber es war trotzdem irgendwie merkwürdig 😀