Breaking_News_Rezi

Tom Hagen ist Kriegsreporter und zählt nicht zuletzt dank seiner enormen Risikobereitschaft zu den erfolgreichsten seiner Branche. Aufgrund von jahrelanger Erfahrung verfügt er im Nahen Osten über ein ausgezeichnetes Netzwerk, das ihm auch zu seinem neuerlichen Sensations-Coup verhelfen soll: In Afghanistan werden seit einigen Wochen drei Entwicklungshelfer vermisst, die allem Anschein nach von den Taliban gefangengehalten werden. Hagen gelingt es, mit den Entführern Kontakt aufzunehmen und den Aufenthaltsort der Geiseln in Erfahrung zu bringen, was der Reporter dazu nutzen will, um bei der anschließenden spektakulären Befreiungsaktion unmittelbar vor Ort zu sein und aus erster Hand darüber berichten zu können. Auch von der Ausbootung durch die leitenden Einsatzkräfte lässt sich Hagen nicht abhalten und heftet sich mit seinem kleinen Team auf die Fersen der Spezialeinheit. Doch was ein weiterer Höhepunkt seiner journalistischen Tätigkeit werden sollte, endet in einer Katastrophe und Tom Hagens Karriere liegt in Trümmern – bis er drei Jahre später auf die Story seines Lebens trifft…

Ein mühsamer Einstieg in Frank Schätzings neuen Roman

Wenn man Frank Schätzings neuen Roman „Breaking News“ in die Hand nimmt, muss man vermutlich erst einmal kurz schlucken: Knapp 1000 Seiten stark, eng beschrieben und ein echtes Schwergewicht – wer sich auf die Reise in den Nahen Osten wagt, sollte besser eine Menge Zeit einplanen. Denn dass Schätzings Werk kein knackiger Thriller für zwischendurch ist, wird beim Lesen schon nach wenigen Seiten klar, auch wenn Tom Hagens potenzieller Scoop einen verheißungsvollen Einstieg liefert. Doch genauso schnell wie der Reporter wird auch der Leser schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Nach dem kapitalen Fehlschag Hagens fällt dessen Karriere erst einmal in ein tiefes Loch – und die Handlung schlägt leider zunächst einen ähnlichen Weg ein. Es vergeht Seite um Seite, ohne das man überhaupt den Ansatz eines Plots erkennt, was die Motivation zum Weiterlesen doch auf eine harte Probe stellt.

Die Geschichte Israels auf 1000 Seiten

Dabei ist „Breaking News“ gar nicht mal langweilig, auch wenn (sehr) lange Zeit (sehr) wenig passiert. Tom Hagens Jagd nach einer guten Story ist nämlich nicht die einzige Seite dieses Romans: Mindestens genauso viel Aufmerksamkeit schenkt Schätzing der Geschichte einer jüdischen Familie, die ursprünglich vor der Judenverfolgung in Deutschland geflüchtet ist und sich nun in Israel ein neues Leben aufbauen will – und vom Regen fast in die Traufe gerät. Denn das Land ist zerrüttet durch den erbitterten Konflikt zwischen der jüdischen Bevölkerung und den arabischen Nachbarn, die meilenweit von einem friedlichen Miteinander entfernt sind. Anhand dieser Familie erzählt Frank Schätzing nun im Schnelldurchlauf die Geschichte Israels, wobei „Schnelldurchlauf“ bei diesem Autor durchaus mit Vorsicht zu genießen sind – denn Schätzing braucht dafür fast alle seiner 955 Buchseiten. Die Historie dieses Nahost-Konflikts ist aber so komplex, dass man in einem solchen Unterhaltungsroman wichtige Ereignisse immer nur anreißen kann. Hier gilt es eine ausgewogene Mischung aus Information und Entertainment zu finden, und dies gelingt Schätzing nicht immer. Gerade wenn man (wie ich) kein Experte auf diesem Gebiet ist, muss man sich doch recht mühsam durch die bis in die 1930er Jahre zurückgehende Geschichte arbeiten, die zudem lange Zeit gar keine durchgehende Geschichte ist. Es dauert nämlich satte 500 Seiten, bis Schätzing den Grundstein für seinen Thrillerplot gelegt hat und vermutlich wird nicht jeder Leser die Geduld für eine derart ausgeprägte Einführung mitbringen.

Interessante Verknüpfung von Fiktion und Realität

Doch oh Wunder – das Durchhalten lohnt sich. Je tiefer man nämlich in die Geschichte Israels hineinblickt, desto besser versteht man auch die Zusammenhänge, vor allem wenn man dann auch immer wieder auf reale Persönlichkeiten trifft, die Schätzing mit in seine Handlung integriert hat, allen voran Israels ehemaliger Premierminister Ariel Scharon, dem die vielleicht größte Aufmerksamkeit zuteil wird. Diese Verknüpfung aus echter Geschichte und fiktiver Handlung macht „Breaking News“ dann doch interessant, zumal der Roman nach knapp 650 Seiten dann auch endlich zum erwarteten Politthriller wird – und plötzlich überraschend viel Action bietet. Schnelle Szenenschnitte, kurze und präzise Sätze, kaum Zeit zum Luftholen: Im Endspurt hat der Roman fast schon Hollywood-Format, sodass das letzte Drittel im Vergleich zur zähen Vorgeschichte wie im Flug vergeht.

Fordernder Mix aus Politthriller, Historienroman und Familiensaga

„Breaking News“ hinterlässt letztlich also einen etwas zweigeteilten Eindruck. Die erste Hälfte ist zwar nie wirklich langweilig, aber stellenweise doch sehr mühsam, ohne erkennbaren Plot und gerade für Nicht-Nahost-Experten oft nur schwer durchschaubar. Danach wird Schätzings Wälzer aber deutlich zugänglicher und kann schließlich doch noch mitreißen. Der häufig etwas abgehackte und zuweilen auch ein wenig subjektiv und belehrend wirkende Erzählstil mag vielleicht nicht Jedermanns Sache sein, man kann dem Autor aber nicht vorwerfen, dass er schlecht recherchiert hat: Wer das Ende des Buches erreicht hat, dürfte um einige neue Informationen und politischen Kenntnisse reicher sein. Sucht man einen schnellen Action-Roman, ist man bei „Breaking News“ sicherlich völlig falsch, für wen eine Mischung aus Thriller, historischem Roman, Familiensaga und politischer Lehrstunde aber verlockend klingt, könnte mit Frank Schätzings neuem Werk glücklich werden.

Breaking News
  • Autor:
  • Umfang: 976 Seiten
  • Verlag: Kiepenheuer & Witsch
  • Erscheinungsdatum: 6. März 2014
  • Preis Geb. Ausgabe 26,99 €/eBook 21,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Fordernder Politthriller über den Nahost-Konflikt, der seinen Lesern über 500 Seiten viel Geduld abverlangt, dann aber doch noch eine spannende und lehrreiche Geschichte bietet.

Kommentar verfassen:

Cancel

2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Hey,
    schöne Rezi. Bestätigt mich ein wenig in meinem Zögern… 😉
    Ich überlege schon lange, ob ich den neuen Schätzing kaufen soll oder nicht. Aber das Thema hat mich nicht so richtig gekickt und schon „Der Schwarm“ hatte damals für mich seine Längen und hätte durchaus um gut ein Drittel kürzer sein können.
    Ich denke also, nachdem ich deine Rezi gelesen habe, werde ich es mir umso mehr noch einmal gut überlegen, ob ich mir diesen Schätzing zu gemüte führe oder nicht.

    Danke für die Rezi und liebe Grüße, Thomas von Tom´s Lesewelten!
    http://toms-lesewelten.blogspot.de

    • Ich muss allerdings auch sagen, dass mich „Breaking News“ von der Israel-Thematik eigentlich auch überhaupt nicht anspricht, ich umgehe da z.B. auch völlig die Berichterstattung in den Medien.

      Wenn man sich aber erst einmal in „Breaking News“ hineingearbeitet hat ist das aber eigentlich doch recht interessant die Entwicklung des Landes zu verfolgen.