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Krebskrankes Mädchen verliebt sich in krebskranken Jungen – klingt nach weinerlicher Schnulze, ist es aber bei weitem nicht.

Hazel Grace Lancaster ist 16 Jahre alt und es grenzt an ein Wunder, dass sie überhaupt dieses junge Alter erreicht hat. Mit 13 Jahren wurde bei ihr Schilddrüsenkrebs diagnostiziert und wenige Monate später lag sie bereits auf dem Sterbebett, bis ein experimentelles Medikament sie unverhofft zurück ins Leben geholt hat. Zwar besteht für Hazel nach wie vor keine Aussicht auf Heilung, doch das Mittel verschafft ihr zumindest mehr Zeit. Besonders viel weiß sie jedoch nicht damit anzufangen, denn die Krankheit schränkt sie in ihrem Leben stark ein, sodass Hazel ihre Tage meist in ihrem Zimmer mit ihrem Lieblingsbuch verbringt. Wenn sie mal das Haus verlässt, dann nur, wenn sie von ihrer Mutter zum Besuch einer Selbsthilfegruppe mit Leidensgenossen genötigt wird. Als sie dort aber eines Tages Augustus Waters kennenlernt, nimmt ihr Leben plötzlich eine unerwartete Wendung…

„Cancer books suck.“ Wirklich?

Ich gebe es ehrlich zu: Ich habe lange Zeit einen großen Bogen um John Greens Roman „The Fault in Our Stars“ gemacht. So begeistert die Kritiker- und Lesermeinungen auch ausgefallen sind, halte ich es doch meist eher mit der Haltung von Greens Protagonistin Hazel Grace Lancaster: Cancer books suck. Auf klischeehafte Romanzen voller Tragik und künstlichem Auf-die-Tränendrüse-drücken kann ich eigentlich ganz gut verzichten. Letztlich war meine Neugier dann aber doch zu groß und ich habe dem Buch nach langem Zögern eine Chance gegeben – und ich habe es nicht für eine Sekunde bereut.

Hazel Grace Lancaster: 16, unheilbar krank, unglaublich sympathisch

John Green braucht ziemlich genau eine Seite, um seine Leser dazu zu bringen, die 16-jährige Hauptfigur ins Herz zu schließen. Denn Hazel versinkt trotz ihrer Krankheit nicht in Selbstmitleid, sondern überrascht mit einem ziemlich sarkastischen, aber äußerst amüsanten Humor, mit dem sie aus ihrem Leben erzählt. Viel zu erzählen gibt es hier eigentlich zunächst nicht, denn Hazel verkriecht sich meist zuhause zwischen Büchern oder auf dem Sofa, wo sie mit ihrer Mutter „America’s Next Topmodel“ in der Endlosschleife guckt. Im Schnelldurchgang bekommt man parallel ihren bisherigen Krankheitsverlauf inklusive Diagnose, Beinahe-Tod und überraschender Erholung (sofern man die Aussicht auf ein Leben im Ungewissen so bezeichnen kann) geboten – ohne große Sentimentalität oder medizinische Vorträge.

Charmante, amüsante und wunderbar unkitschige Romanze

Hazels soziale Kontakte finden sich neben ihren Eltern vor allem in der örtlichen Selbsthilfegruppe, die eigentlich nur durch ihren guten Freund Isaac erträglich sind und die ihr durch das permanente Wiederkäuen der immer gleichen Lebensgeschichten und die durch die hohe Sterberate herbeigeführte Fluktuation ansonsten eher wenig dabei helfen, aus ihrer vermeintlichen Depression herauszukommen. Das ändert sich, als in der Gruppe plötzlich Isaacs Freund Augustus Waters auftaucht, zu dem Hazel schnell Zugang findet und zu dem sie sich sofort hingezogen fühlt – die zu erwartende Lovestory bahnt sich hier an und schreitet im Folgenden auch recht zügig voran. Zu meiner großen Erleichterung schildert John Green diese Romanze aber völlig schmalzfrei und wunderbar charmant, sodass man praktisch keine andere Chance hat, als sich von Hazel und Gus verzaubern zu lassen.

Warmherzige und liebenswerte Charaktere

„The Fault in Our Stars“ lebt dabei zu einem großen Teil von seinen großartigen Charakteren, die mit nur einer (beabsichtigten) Ausnahme allesamt unglaublich sympathisch sind – und das nicht etwa durch gezielte Beschreibungen von Seiten des Autors, sondern in der Regel durch das, was die Charaktere sagen und wie sie sich einander gegenüber verhalten: ehrlich, humorvoll, warmherzig und ganz einfach authentisch. Hier kommt es der Geschichte auch sehr entgegen, dass nahezu alle Beteiligten selbst vom Krebs entweder direkt oder durch Familienmitglieder betroffen sind, denn so gehen die Figuren in der Regel ohne falsche Zurückhaltung, krankheitsbedingte Vorbehalte oder peinlich berührende Unsicherheit miteinander um. Gerade das Zusammenspiel zwischen Hazel (Schilddrüsenkrebs), Augustus (Knochenkrebs) und Isaac (Augenkrebs) ist überaus unterhaltsam, da sich alle gut in den jeweils anderen hineinfühlen können und dadurch fast immer den richtigen Ton treffen – das reicht von einfühlsamen Verständnis bis zum bitterbösen Sarkasmus, dessen es manchmal auch bedarf, um den anderen aus einem Loch herauszuziehen. Doch auch abseits der Hauptfiguren bietet der Roman zahlreiche Charaktere (z.B. Eltern), die man durch kleine, aber feine Gesten schnell ins Herz schließt.

Ernst, humorvoll und voller unvergesslicher Szenen

Bei einem „Krebs-Buch“ wie „The Fault in Our Stars“ erwartet man fast zwangsläufig traurige Szenen am Fließband, umso überraschter war ich beim Lesen, wie häufig mir John Green mit seiner Geschichte ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hat. Natürlich ist die Thematik ernst und auch an den Charakteren geht die schwere Krankheit nicht spurlos vorbei: die permamente Gefahr, in Depressionen abzurutschen, Angst vor dem Tod, Verlustängste, Angst, geliebte Menschen durch das eigene Leiden zu sehr in Anspruch zu nehmen oder zu verletzen – all diese Punkte werden vom Autor angesprochen, ohne dabei aber zu dick aufzutragen. Trübsinnige Momente werden durch gefühlt doppelt so viele schöne Szenen aufgewogen und es gibt schier unendliche viele Passagen, die einem beim Lesen vor lauter Glück das Herz höher schlagen lassen. Es ist fast beängstigend zu sehen, wie zielsicher John Green zu jedem Zeitpunkt die passenden Worte findet und genau die richtige Mischung zwischen Humor und Tragik findet. Und obwohl „The Fault in Our Stars“ mit knapp 300 nicht einmal besonders eng bedruckten Seiten nicht gerade umfangreich ist und locker an einem langen Nachmittag weggelesen kann, so bietet das Buch dennoch so viele Momente, an die man sich auch noch Monate später erinnern wird. Ich kann mir zum Beispiel nicht mehr vorstellen, bei der Stadt Amsterdam nicht an John Greens Buch denken zu müssen…

Ein einzigartiges Buch

Wer also immer noch zu der Minderheit gehört, die „The Fault in Our Stars“ noch nicht gelesen hat, sollte dies schnellstmöglich nachholen. Auch wenn der Roman leicht als Jugendbuch abgestempelt wird, so ist er doch für eigentlich jede Art von Leser geeignet und dürfte kaum jemanden kalt lassen. Das Buch ist ungemein kurzweilig, intelligent, warmherzig, tragisch, humorvoll – kurz gesagt: einzigartig. Ich habe das Buch innerhalb von einem halben Jahr zwei Mal gelesen und musste mich beim Zuschlagen des Buches bereits wieder davon abhalten, direkt nochmal von vorne zu beginnen. Man könnte alleine Stunden damit verbringen, schöne Zitate aus dem Buch herauszusuchen und hätte am Ende wahrscheinlich fast den ganzen Roman markiert. Mein Rat: Am besten beim Lesen viel Zeit nehmen, bewegende Abschnitte ruhig mehrmals lesen und auf sich wirken lassen und so das Buch in seiner ganzen Schönheit aufnehmen. Man sollte sich auch nicht von der Angst vor Tränen von der Lektüre abhalten lassen, denn trotz der ernsten Thematik und der traurigen Momente habe ich „The Fault in Our Stars“ insgesamt als sehr positives und lebensbejahendes Buch empfunden, dass mich nach der letzten Seite einfach mit einem seligen Gefühl zurückgelassen hat.

Fazit:
Wunderschön geschriebener Roman voller Humor, Warmherzigkeit, Tragik und Glück, der viele unvergessliche Momente bietet und noch lange nach der Lektüre nachwirkt (10/10).

TFIOS
Autor: John Green; Deutscher Titel: Das Schicksal ist ein mieser Verräter; Umfang: 336 Seiten; Verlag: Dutton Juvenile; Erscheinungsdatum: 10. Januar 2012; Preis: Gebundene Ausgabe 12,95 €/Taschenbuch 7,20 €/eBook 5,49 €.

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6 Antworten zu diesem Beitrag

  • Ich hab das Buch Ende Dezember nun schon zum zweiten Mal gelesen und war wieder ganz angetan.
    Ich hatte zunächst auch befürchtet, es könnte kitschig oder zu jugendlich werden – bin mittlerweile schon etwas länger dem Teenager-Alter, bzw. dem Jugendbuch-Genre entwachsen. Doch TFIOS kann man auch mit Mitte zwanzig noch wunderbar lesen und sich in die Geschichte verlieben. Für mich wird das zweite Mal sicher nicht das letzte Mal sein.
    Ist TFIOS Dein erster Roman von John Green? Sein Debüt „Looking for Alaska“ fand ich nämlich auch richtig gut und überhaupt nicht kitschig.

    LG, Katarina 🙂

    • Ja, TFIOS war mein erstes John-Green-Buch, wird aber mit Sicherheit nicht das letzte sein.

      Ich überlege allerdings noch ob ich mir direkt einen der Schuber hole oder die Bücher lieber nach und nach kaufe, falls mir die anderen dann doch nicht so gut gefallen sollten…

      Und danke fürs Verlinken! 🙂

  • Ein wunderbares Buch. Hab ich in einem Ritt durchgelesen und war völlig verzückt. Hab geweint und gelacht. Absolut ein Goldstück,

  • Eines der ganz wenigen Bücher, bei denen ich sogar weinen musste. Fand es genauso großartig und toll wie du und würde es wirklich jedem empfehlen. 😉

Pings: