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Er öffnet nur von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang und niemand weiß, wo er am nächsten Tag seine Zelte aufschlagen wird. Doch egal wo er Halt macht, überall lassen sich die Menschen vom Nachtzirkus verzaubern…

13. Oktober 1886: In der Umgebung von London öffnet zum ersten Mal der „Cirque des Rêves“ seine Pforten. Erschaffen vom Zirkusdirektor Chandresh Christophe Lefevre, bietet die Attraktion ihrem Publikum Nacht für Nacht ein einzigartiges und unvergessliches Spektakel voller Magie und atemberaubender Akrobatik, dessen Zauber sich kaum jemand entziehen kann. Das Besondere an diesem Zirkus: Sowohl der „Cirque des Rêves“ als auch seine Künstler sind komplett in schwarz-weiß gehalten und der Tross folgt zudem keinem festen Tourneeplan, sondern taucht völlig überraschend und wie von Zauberhand an seinen unterschiedlichen Stationen auf, wo er dann bei Einbrucht der Nacht seine Zuschauer in eine wahre Traumwelt entführt.

Ein magisches Duell an einem magischen Ort

Gleichzeitig ist der „Cirque des Rêves“ aber auch der Schauplatz eines erbitterten Duells zweier großer Magier, die sich dort in einem jahrzehntelangen Wettkampf messen. Die Zauberer Hector Bowen, genannt „Prospero“, und Alexander treten jedoch nicht selbst gegeneinander an, um den Besseren von beiden zu ermitteln, sondern schicken ihre Schüler in den Ring bzw. die Manege, die sie seit deren Kindheit begleiten und in ihren magischen Fertigkeiten unterrichten. Während sich Alexander für den Waisenjungen Marco als vielversprechendsten Kandidaten entschieden hat, hat Prospero seine Tochter Celia als Vertreterin für das große magische Duell ausersehen. Beiden Zauberern ist jedoch klar: Einer der beiden Schüler wird den Wettstreit mit seinem Leben bezahlen…

Der „Cirque des Rêves“ öffnet seine Pforten…

Es ist schon eine Weile her, dass Erin Morgensterns Fantasyroman „Der Nachtzirkus“ die Bestsellerlisten stürmte und seine Spuren auf den vielen Bücherblogs hinterließ und es gab damals kaum jemandem, der nicht auf irgendeine Weise über dieses Buch gestolpert ist. Auch ich habe mich von den vielen euphorischen Kritiken anstecken lassen und eine Eintrittskarte für den geheimnisvollen „Cirque des Rêves“ gelöst, weil mich das magische Setting unheimlich angezogen hat. Ich bin zwar selbst kein großer Zirkusfan, weil ich mit den ewig gleichen Akrobatiknummern oder „lustigen“ Clowns nicht allzu viel anfangen kann, war aber gerne bereit, mich ebenfalls vom Nachtzirkus verzaubern zu lassen.

… und verzaubert mit einer einzigartigen Atmosphäre

Dies ist Erin Morgenstern zum Teil auch gelungen, denn der „Cirque des Rêves“ erzeugt gleich von Beginn an eine einzigartige Atmosphäre, der man sich nur sehr schwer entziehen kann. Seine Magie ist an jeder Ecke zu spüren und nur allzu gerne würde man selbst einen Blick hinter die Zeltwände des Zirkus werfen, um mitten in der Nacht die spektakulären Vorführungen zu genießen. Dabei bietet Chandresh Christophe Lefevres Attraktion auf den ersten Blick nichts Besonderes: Akrobaten, Wahrsager, Zauberer oder Schlangenmenschen – also nichts, was man nicht irgendwo schon gesehen hätte. Der „Cirque des Rêves“ bietet jedoch keinen faulen Zauber oder nur gute Illusionen, sondern wahre Magie. So ist es keine Überraschung, dass der Zirkus mit den „Rêveurs“ bereits eine treue Anhängerschaft gewonnen hat, die den Künstlern seit Jahren von Station zu Station hinterherreist – was angesichts dessen unvorhersehbarer Route gar nicht so einfach ist.

Schwache Story mit einem kaum präsenten Zauberer-Duell

Atmosphärisch überzeugt Morgensterns Roman also auf ganzer Linie, allerdings hält die Story bei weitem nicht das, was der Klappentext verspricht. Von dem „tödlichen Wettstreit“ zweier verfeindeter Magier bekommt man nämlich in den knapp 14 Hörbuchstunden nicht allzu viel mit. Wer auf actionreiche Zaubererduelle im Stil von Harry Potter gehofft hat, ist hier ohnehin falsch, aber das war mir auch vor der Lektüre durch das Lesen einiger Buchrezensionen schon klar. Ich erwartete auch gar keine packenden Zweikämpfe mit funkensprühenden Zauberstäben oder magische Kreaturen, die aufeinander losgelassen werden, sondern mir war bewusst, dass „Der Nachtzirkus“ eine eher ruhige Geschichte sein würde. Dass dann aber tatsächlich so wenig bzw. so gut wie nichts passiert, hat mich dann aber doch überrascht und enttäuscht. Das Duell plätschert mehr oder weniger am Rande vor sich hin und ist dadurch kaum greifbar, und auch die (zwar angenehm behutsam und ohne Kitsch) erzählte Liebesgeschichte kann nicht wirklich überzeugen.

Gerade in der Hörbuchfassung verwirrende Erzählstruktur

Mein Hauptkritikpunkt ist aber die Erzählstruktur des Buches, die es gerade in der Hörbuchversion fast schon unmöglich macht, der Handlung folgen zu können. Dass Erin Morgenstern ihre Geschichte auf mehrere Zeitebenen schildert, ist dabei nicht einmal das Problem und an sich auch durchaus interessant, zumal man so auch viel über die Historie des „Cirque des Rêves“ erfährt. Der Knackpunkt ist aber, dass diese Zeitsprünge oft nur ein bis zwei Jahre umfassen und die Autorin munter rund um die Jahrhundertwende in ihrer Story vor- und zurückspringt, ohne dass sich für den Hörer merklich etwas verändert hat. Gerade wenn man die Geschichte als Hörbuch nur nebenbei hört und bei der Erwähnung der Jahreszahl nicht gerade mit voller Aufmerksamkeit bei der Sache ist, verliert man sich hier schnell in einem heillosen Durcheinander, aus dem ich bis zum Schluss nicht richtig herausgefunden habe. Eigentlich müsste man daher dringend von der Hörbuchfassung abraten, wenn Matthias Brandt nur nicht so fantastisch lesen und die Stimmung der Erzählung eigentlich perfekt einfangen würde…

Atmosphärisch beeindruckend, storytechnisch eher schwach

Insgesamt hat mich „Der Nachtzirkus“ also etwas enttäuscht zurückgelassen. Die Atmosphäre des Romans ist zwar überragend, Morgensterns Schreibstil wirklich toll und auch die vielen skurrilen Charaktere sind interessant, wenngleich auch nicht immer besonders detailliert ausgearbeitet. Die müde Story und die dadurch fast durchgehend fehlende Spannung kann jedoch zu keinem Zeitpunkt überzeugen und sorgt durch die verschachtelte Erzählweise zudem häufig für Verwirrung. Ich hätte mich wirklich gerne völlig von der Geschichte verzaubern lassen, doch dafür passiert für meinen persönlichen Geschmack einfach viel zu wenig. Ich kann jeden verstehen, der das Buch wegen seiner Atmosphäre und seiner magischen Ausstrahlung heiß und innig liebt – mir selbst reicht dies alleine jedoch nicht aus und ich hätte mir deutlich mehr Handlung gewünscht.

Fazit:
Atmosphärisch und sprachlich beeindruckender Roman, dessen Zauber aufgrund der fast nicht existenten Handlung jedoch etwas verpufft (6/10).

Hörbuchcover
Autorin: Erin Morgenstern; Sprecher: Matthias Brandt; Originaltitel: The Night Circus; Spieldauer: 14 Std. 09 Minuten (ungekürzt); Anbieter: HörbucHHamburg HHV GmbH, Deutschland; Veröffentlicht: 15. März 2012; Preis: 17,95 € (9,99 € im Flexi-Abo).

Link zum Hörbuch

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Ich bin in letzter Zeit dank der Fantrailer auf YT geradezu besessen von dem Buch und überlege schon, ob ich es nicht noch mal lesen sollte. Dabei stimme ich dir eigentlich in so allem zu. Selbst beim Lesen ist es mir schwer gefallen, den Zeitablauf nachzuvollziehen und wirklich spannend war es nicht. Aber oh, die Atmosphäre! Ich hatte außerdem den Vorteil, dass meine Ausgabe keinen Klappentext hatte und ich das Buch auf gut Glück mitgenommen hatte. So wusste ich also lange nichts von dem Preis, den der Wettstreit einfordern würde. Da konnte ich dann also selbst mitfiebern, bis es mir dann irgendwann klar geworden ist, wann der Wettkampf zu Ende sein würde.

    • Ich bin ja auch mal gespannt ob’s mit der Verfilmung klappt, die werde ich mir dann sicherlich nicht entgehen lassen.

      Vielleicht bin ich dann ja auch wieder um der Stimmung, um es noch einmal mit der gedruckten Ausgabe zu versuchen, denn ich hab wirklich das Gefühl, dass mir es dann etwas leichter fallen würde, der Geschichte zu folgen.