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Ein brutaler Serienkiller hat es auf schwangere Frauen abgesehen und hält mit seinen Morden ganz Paris in Atem. Kommissar Passan weiß ganz genau, wer der Täter ist, kann ihm die Verbrechen aber nicht nachweisen…

Hauptkommissar Olivier Passan ist ein alter Hase bei der Pariser Mordkommission und hat sich durch seine kompromisslose und eigenwillige Vorgehensweise in der Vergangenheit nicht viele Freunde gemacht. Auch in seinem aktuellen Fall geht Passan wieder am Rande der Legalität vor, um einen wahnsinnigen Serienkiller zu fassen: Der „Geburtshelfer“ schlachtet auf brutale Art und Weise schwangere Frauen ab und verbrennt anschließend die ungeborenen Föten. Bereits drei Frauen sind dem Mörder schon zum Opfer gefallen und Passan stürzt sich wie besessen in die Ermittlungen, um dem Schrecken endlich Einhalt zu gebieten.

Ein besessener Kommissar auf Serienmörder-Jagd

Dabei ist er sich sicher, dass hinter den Morden der erfolgreiche Autohändler Patrick Guillard steckt. Allerdings hat Passan keine handfesten Beweise, um Guillard die Verbrechen auch zur Last legen zu können, was den ruhelosen Ermittler fast in den Wahnsinn treibt. Als er dann aber einen Hinweis über den Täter bekommt, sieht Passan die große Chance gekommen, um Guillard endlich überführen zu können. Da die Zeit jedoch drängt, sieht der Kommissar aber davon ab, Verstärkung anzufordern und macht sich nur mit seinem Partner an die Verfolgung der heißen Spur – mit fatalen Folgen: Für das vierte Opfer des Geburtshelfers kommt jede Hilfe zu spät und Passan wird wegen seines Verhaltens strafversetzt und darf sich dem Verdächtigen aufgrund einer gerichtlichen Anordnung auch nicht mehr nähern. Doch auch das bringt den Ermittler nicht von seinem Kreuzzug gegen Guillard ab…

Viel zu früh vorweggenommene Auflösung

Jean-Christophe Grangé zählt für mich mittlerweile zu den wenigen Autoren, bei denen ich mehr oder weniger sofort blind zuschlage, sobald ein neuer Roman von ihnen herauskommt. Zwar habe ich erst relativ spät zu den Büchern von Grangé gefunden, seine düsteren Thriller voller menschlicher Abgründe haben es mir aber dennoch sehr angetan. „Die Wahrheit des Blutes“ begann für mich diesmal jedoch mit einem kleinen Dämpfer, denn als die Handlung einsetzt, ist der Fall eigentlich schon gelöst. Grangé lässt nämlich zu keiner Zeit ernsthafte Zweifel daran aufkommen, dass es sich bei dem Autohändler Guillard auch tatsächlich um den Mörder handelt. Es geht also eigentlich „nur noch“ darum, ob Olivier Passan den Täter auch tatsächlich zur Verantwortung ziehen kann – wodurch dem Roman gleich zu Beginn schon ein Großteil der Spannung genommen wird.

Gewohnt düstere Atmosphäre und blutige Morde

Dennoch erzeugt aber auch „Die Wahrheit des Blutes“ sofort wieder die düstere Atmosphäre, die man von den Werkes des Autors gewohnt ist und folgerichtig auch erwarten darf. Die Schilderungen der Morde sind wie so oft sehr drastisch und angesichts der besonderen Umstände der Opfer auch schwer zu verkraften, sodass manche Passage schon ein wenig grenzwertig erscheint – gerade wenn es um die Verbrennung der ungeborenen Kinder geht. Ob solche Szenen in dieser Ausführlichkeit wirklich sein müssen, sei wieder mal dahingestellt, wer die Werke des Autors kennt, sollte aber ungefähr wissen, was auf ihn zukommen wird.

Zwei Storys in einem Roman

Etwas befremdlich ist hingegen die Aufteilung des Romans, denn im Prinzip bietet „Die Wahrheit des Blutes“ gleich zwei eigenständige Geschichten in einem Buch. Parallel verlaufende Handlungsstränge sind an sich keine große Überraschung, allerdings ist es in diesem Fall tatsächlich so, dass es gegen Mitte des Buches einen richtigen Schnitt gibt und die Geschichte plötzlich eine ganz andere Richtung einschlägt. Dies ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, zumal Grangé seinen Lesern im Schlussdrittel eine relativ absurde und ziemlich wilde Story vorsetzt, die gerade im völlig übertriebenen Showdown einfach nur an den Haaren herbeigezogen wirkt.

Eine Lehrstunde in japanischer Kultur

Wer bei Grangés neuestem Buch aber auf jeden Fall auf seine Kosten kommen wird, sind eingefleischte Japan-Fans. Die Hauptfigur der Geschichte, der Ermittler Olivier Passan, ist nämlich nicht nur von der Jagd auf den „Geburtshelfer“ besessen, sondern auch von der japanischen Kultur, was sogar dazu geführt hat, dass er mit einer Japanerin verheiratet ist. Allerdings befinden sich die Passans gerade in einer schlimmen Ehekrise, die eigentlich kaum noch zu retten ist, was auch an Oliviers Japan-Wahn liegt. Dieser ist nämlich von den strengen Traditionen dermaßen fasziniert, dass er sein ganzes Leben entsprechend dieser Kultur ausgerichtet hat – sehr zum Missfallen seiner Frau Naoko, die Japan gerade wegen dieser Einschränkungen und einer Kindheit voller Zwänge den Rücken gekehrt hat und durch die Besessenheit ihres Mannes erneut mit den so verhassten Ritualen und Bräuchen konfrontiert wird.

Interessante und sehr gut ausgearbeitete Ermittlerfigur

Doch gerade dieser Konflikt ist die eigentliche Stärke des Romans und weitaus interessanter als die etwas spannungsarme Serienkiller-Story. Neben vielen Reizpunkten sorgt dieser Hintergrund nämlich auch für eine sehr detailliert ausgearbeitete Hauptfigur, die trotz der anfangs etwas klischeehaften Charakterzeichnung (einsamer Wolf, grenzwertige Ermittlungsmethoden, kaputtes Familienleben) deutlich mehr zu bieten hat, als es zu Beginn den Anschein hat. Man wird Olivier Passan aufgrund seines oft jähzornigen und rücksichtslosen Auftretens sicherlich nicht mögen, aber eine faszinierende Persönlichkeit ist der Ermittler in jedem Fall. Somit ist „Die Wahrheit des Blutes“ insgesamt zwar nicht so überzeugend wie Jean-Christophe Grangés letzte Romane, für einen guten Thriller mit ein paar Schwächen reicht es aber immer noch locker.

Fazit:
Gelungener Psychothriller, der zwar in der Serienkiller-Story schwächelt, aber mit einer facettenreichen Hauptfigur und interessanter Japan-Thematik punktet (7/10).

Hörbuchcover
Autor: Jean-Christophe Grangé; Sprecher: Dietmar Wunder; Originaltitel: Kaïken; Spieldauer: 13 Std. 12 Minuten (ungekürzt); Anbieter: Lübbe Audio, Deutschland; Veröffentlicht: 19. Juli 2013; Preis: 29,95 € (9,99 € im Flexi-Abo).

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