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Ein eiskalter und brutaler Bankraub gibt den Ermittlern um Kommissar Harry Hole Rätsel auf: Wieso musste die Bankangestellte sterben, obwohl der Täter seine Beute längst bekommen hatte?

Es ist mitten am Nachmittag, als in Norwegens Hauptstadt Oslo eine Bankfiliale überfallen wird. Der Täter geht überaus kontrolliert vor und scheint perfekt vorbereitet, sodass der Raub kaum länger als fünf Minuten dauert. Doch als der Täter seine Beute aus dem Tresor erhalten hat und kurz davor ist, die Flucht zu ergreifen, geschieht das Unfassbare: Weil der Filialleiter sechs Sekunden zu lange gebraucht hat, um den Tresor zu öffnen und dem Räuber die Beute auszuhändigen, erschießt der Mann eiskalt eine der Kassiererinnen, bevor er mit dem Geld verschwindet.

Harry Hole ermittelt in einem eskalierten Banküberfall 

Auch Tage nach dem eskalierten Raub hat die Osloer Polizei immer noch keine heiße Fährte – zu professionell ist der Täter bei dem Überfall vorgegangen und hat nicht nur keine Spuren hinterlassen, sondern ist auch den Sicherheitskameras in der Bank und der näheren Umgebung gekonnt ausgewichen, sodass die Ermittler keinerlei Hinweise auf die Identität des Mannes gewinnen können. Um neuen Schwung in die Ermittlungen zu bringen, wird Kommissar Harry Hole dem Raubdezernat zur Unterstützung zugeteilt und dieser nimmt sich gemeinsam mit der jungen Videoanalytikerin Beate Lønn die Bänder der Überwachungskameras noch einmal im Detail vor – wobei die beiden plötzlich einige Ungereimtheiten entdecken…

Der vierte Fall für Jo Nesbøs sturen Ermittler

Mitte November erscheint mit „Koma“ der zehnte Roman des Norwegers Jo Nesbø um den eigenwilligen Ermittler Harry Hole – was ich mir zum Anlass genommen habe, um endlich mal wieder in der Reihe weiterzulesen. Denn obwohl ich bereits einige der Bücher im Regal stehen habe, bin ich lesetechnisch erst beim vierten Band der Krimiserie angelangt, der den Namen „Die Fährte“ trägt und Harry Hole mit einem rätselhaften Banküberfall konfrontiert, der vor allem durch den sinnlosen Mord an der Angestellten Stine Grette für Aufsehen sorgt. Während das Raubdezernat Oslo unter der Leitung des arroganten und sich selbst überschätzenden Rune Ivarsson lediglich von einem aus dem Ruder gelaufenen Überfall ausgehen, betrachtet Hole die Tragödie vorrangig als Mord – was zwischen Ivarrson und Hole für einige Unstimmigkeiten sorgt. Dank der guten Beziehungen zu seinem Vorgesetzten Bjarne Møller darf Harry aber parallel zum Raubdezernat unter der Mithilfe der Videotechnikerin Beate Lønn seiner Theorie auf eigene Faust nachgehen.

Ein Bankraub, ein ungeklärter Mord und ein rätselhafter Suizid – zu viel Story für ein Buch

Eigentlich hat Hole aber gar kein allzu großes Interesse an diesem Fall, denn er ist nach wie vor davon besessen, den Mord an seiner früheren Partnerin Ellen aufzuklären. Dies ist vor allem für die Leser interessant, die den direkten Vorgänger „Rotkehlchen“ gelesen haben, da „Die Fährte“ in diesem Punkt die Handlung des dritten Bandes aufgreift und weiterführt – allerdings immer nur nebenher und zumindest aus meiner Sicht nicht mit der erhofften Fokussierung. Møller lockt seinen besten Kommissar und Freund Harry Hole aber mit der Aussicht auf eine Wiederaufnahme der Ermittlungen in Ellens Mordfall, sodass Hole sich dann doch mit dem gewohnten Einsatz in den Raubmordfall stürzt.

Das macht insgesamt also schon einmal zwei mehr oder weniger parallele Ermittlungen, doch für den Autor Jo Nesbø war dies offenbar noch nicht genug: So öffnet er für seine Romanfigur noch eine weitere Baustelle, indem er eine von dessen früheren Geliebten über die Klinge springen lässt, kurz nachdem Harry den Kontakt zu dieser wieder aufgenommen hatte. Da auch dieser Todesfall einige Ungereimtheiten aufweist und Hole zudem noch persönlich in den Fall verwickelt ist, gibt es für den Ermittler also jede Menge zu tun. Jo Nesbø gelingt es auch, diese drei Handlungsstränge zu einer spannenden und weitestgehend plausiblen Geschichte zu verstricken, allerdings wirkte der Roman auf mich gerade zum Ende hin etwas überladen. Die Story ist so komplex und verworren, dass man es als Leser schwer hat, hier noch den Überblick zu behalten, zumal der Autor die verschiedenen Fälle zwischendurch gerne mal für abgeschlossen erklärt, nur um diese dann mit einer neuerlichen Wendung doch wieder zu öffnen. Da sich die drei Teil-Geschichten dann auch noch hin und wieder überschneiden, wirkt „Die Fährte“ gerade im Schlussdrittel sehr konstruiert und die Auflösung ein wenig an den Haaren herbeigezogen – wenngleich Nesbøs Erklärung stimmig ist und keine logischen Fehler aufweist.

Der ewige Säufer

Etwas nervig ist auch, dass auch die Hauptfigur ein wenig auf der Stelle tritt und gerne mal in alte Muster zurückfällt, was vor allem Holes Alkoholproblem betrifft. Dieses war nun in allen bisherigen Harry-Hole-Romanen ein bestimmendes Thema, was auf Dauer wirklich etwas ermüdend wird. Irgendwie denkt man mit jedem neuen Buch „Jetzt hat er es endlich geschafft“, nur um wenig später mitverfolgen zu müssen, wie der Ermittler wieder mal zur Flasche greift und abstürzt. Dennoch macht es auch im viertel Anlauf immer noch Spaß, den sturen Polizisten bei seinen Nachforschungen und vor allem dem Austragen seiner kleinen Konflikte mit Kollegen, Vorgesetzten oder Verdächtigen zu begleiten, da der trockene Humor Holes und seine grenzwertigen Alleingänge nach wie vor hohen Unterhaltungswert haben. Somit ist auch „Die Fährte“ insgesamt ein guter Kriminalroman und eine würdige Fortsetzung der Reihe, der für meinen Geschmack jedoch eine etwas entschlacktere Story nicht geschadet hätte.

Fazit:
Guter und spannender Harry-Hole-Krimi, dessen Story allerdings zu überladen ist und dadurch gerade zum Ende hin sehr konstruiert wirkt (7/10).

Buchcover
Autor: Jo Nesbø; Originaltitel: Sorgenfri; Umfang: 576 Seiten; Verlag: Ullstein Taschenbuch; Erscheinungsdatum: 13. Februar 2006; Preis: Taschenbuch 9,95 €/eBook 8,99 €.

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Eine Anwort zu diesem Beitrag

  • Ich habe selbst noch keins aus der Serie gelesen, aber mein Mann ist seit dem Sommerurlaub Harry Hole-Fan und am Ende von Band 3.
    Mal sehen, was er zu Nummer 4 sagen wird. Bisher, sagt er, werden die von Mal zu Mal besser.