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In seinem dritten Roman „Der Prophet des Todes“ schickt Vincent Kliesch erneut seinen Ermittler Julius Kern auf Mörderjagd und bringt zugleich seine Trilogie um Kern und dessen Erzrivalen Tassilo Michaelis zum Abschluss.

Seit den Vorfällen aus den beiden Vorgängern „Die Reinheit des Todes“ und „Der Todeszauberer“ sind nun ein paar Jahre vergangen und Julius Kern arbeitet weiterhin als Hauptkommissar in der deutschen Hauptstadt. Als er zum Tatort seines neuen Falls gerufen wird, gehen er und sein Ermittlerteam auf den ersten Blick von einem tragischen Familiendrama aus: Allem Anschein nach hat eine verzweifelte Frau erst ihren Mann vergiftet und sich anschließend selbst mit einem Strick das Leben genommen. Zurück bleibt das gemeinsame Kleinkind, dessen lautes Schreien den Leichenfundort für die Polizisten noch bedrückender macht. Der Fall scheint klar, zumal die Familie in der jüngeren Vergangenheit schon öfter mit dem Jugendamt zu tun hatte und es mehrfach zu Streitigkeiten zwischen den Eltern kam.

Hauptkommissar Kern geht einer mysteriösen Todesprophezeihung nach

Allerdings machen die Umstände am Tatort Kern etwas stutzig und er sieht sich in seinen Zweifeln bestätigt, als man in der Wohnung einen seltsamen Brief mit einer beunruhigenden Botschaft findet. Der Absender hatte der Frau in diesem Schreiben prophezeit, dass sie innerhalb von drei Tagen erst ihren Mann und dann sich selbst umbringen würde. Noch bizarrer wird die Geschichte, als herauskommt, dass auch der Mann wenige Tage zuvor eine ähnliche Vorhersage erhalten hat. Kerns Bestrebungen, den Fall mit vollem Polizeieinsatz zu untersuchen, werden aber von der Staatsanwalt einen Riegel vorgeschoben – schließlich könne man für so einen offensichtlichen Tathergang nicht wertvolle Zeit und Ressourcen verschwenden. Nachdem kurz darauf eine weitere Botschaft direkt an Kern gerichtet wird, ermittelt dieser auf eigene Faust weiter…

Der Abschluss der Julius-Kern/Tassilo-Michaelis-Trilogie

Wie eingangs erwähnt handelt es sich bei „Der Prophet des Todes“ um den dritten und (so hat es zumindest der Autor verlauten lassen) abschließenden Teil der Julius-Kern/Tassilo-Michaelis-Reihe. Somit überrascht es nicht, dass der Berliner Hauptkommissar auch in diesem Band wieder auf seinen Erzrivalen trifft, mit dem er sich schon in den beiden Vorgängern herumschlagen musste. Zur Erklärung für alle Neueinsteiger: Tassilo Michaelis hat vor Jahren in einer Racheaktion mehrere Menschen grausam ermordet, konnte dafür aber aus diversen Gründen nicht strafrechtlich belangt werden – was an Julius Kern, der den Fall damals untersuchte, immer noch nagt. Wer die beiden vorangegangenen Bücher nicht gelesen hat, darf aber trotzdem einen Sprung ins kalte Wasser wagen, denn Vincent Kliesch leistet hier zahlreiche Hilfestellungen und rekapituliert die bisherigen Ereignisse sehr ausführlich. Das ist gut für alle, die mit diesem Teil erst in die Reihe einsteigen, jedoch für Kenner der Serie nicht unbedingt von Vorteil.

Einsteigerfreundlich, aber für Kenner der Reihe mit zu vielen Wiederholungen

Das liegt ganz einfach daran, dass man dann nämlich mit zahlreichen Wiederholungen leben muss, die in diesem Ausmaß wirklich nicht notwendig sind, da die Figurenkonstellation und ihre Hintergründe schon immer ziemlich prägnant und auch recht leicht verständlich waren, sodass man die wichtigsten Aspekte relativ schnell verinnerlichen kann. Zudem haben sich für mich im Laufe der Handlung immer mehr Abnutzungserscheinungen dieses Szenarios bemerkbar gemacht, da in allen drei Büchern mehr oder wenigen die gleichen Haupt- und Nebenfiguren auftauchen und sich so wenig Neues bietet. Das wäre nicht schlimm, wenn die Rahmenhandlung mitreißend geschrieben wäre, allerdings ist dies nur bedingt der Fall. Kliesch lässt seine gute und sehr interessante Ausgangsidee nämlich recht früh zugunsten des Kern/Michaelis-Konflikts fallen und schöpft das Potenzial des Prophezeihungs-Mysteriums bei weitem nicht aus. Es wirkt beinahe so als hätte der Autor nur einen Anlass gebraucht, um seine Widersacher erneut aufeinander loszulassen und anschließend den Fall aus den Augen verloren. So fällt dann auch die Auflösung dieses Teils der Geschichte ziemlich unspektakulär und etwas ernüchternd aus.

Antworten auf (fast) alle Fragen

Diese Vernachlässigung ist ärgerlich, kann von mir in gewissen Punkten aber noch nachvollzogen werden, schließlich ist man als Leser der Vorgänger höchstwahrscheinlich eh mehr an der Fortführung der Geschichte um Julius Kern und den charismatischen Psychopathen Tassilo interessiert. Dieser wird vom Autor auch die angemessene Aufmerksamkeit entgegengebracht und die in den Vorgängern aufgeworfenen Fragen werden endlich beantwortet – und das weitestgehend zufriedenstellend. Allerdings war das Finale für mich eine Spur „over the top“, so manche Erklärung und Wendung kommt da schon arg konstruiert daher. Zudem ist die Auflösung für erfahrene Kliesch-Leser auch ein wenig zu früh zu erahnen – aber immerhin darf man im dritten Band der Reihe wenigstens eine ganze Weile miträtseln, während die Täter der ersten beiden Bände immer frühzeitig enthüllt wurden.

Guter und spannender Thriller, aber leider nicht mehr

Bei aller Kritik muss aber auch hervorgehoben werden, dass auch „Der Prophet des Todes“ ein kurzweiliger und spannender Thriller geworden ist, den man gut „weglesen“ kann. Abgesehen vom etwas schwächeren Mittelteil ist das Erzähltempo angenehm hoch, die altbekannten Charaktere sind immer noch faszinierend und Tassilo Michaelis zieht als Bösewicht nach wie vor Interesse, Abscheu und Sympathie des Lesers auf sich – das muss man als Autor auch erst einmal schaffen. Zudem darf auch Uve Teschner als Sprecher nicht unerwähnt bleiben, der die Geschichte wie immer packend interpretiert hat. Eine richtige Enttäuschung ist das Buch daher nicht, allerdings habe ich mir vom Ende der Trilogie ehrlich gesagt ein wenig mehr erwartet. Ich hoffe, Kliesch lässt die Serie nun auch wirklich ruhen und widmet sich in seinen kommenden Werken etwas Neuem – bei der Kern/Michaelis-Geschichte wurde nun erzählt, was erzählt werden musste und damit reicht es auch.

Fazit:
„Der Prophet des Todes“ ist insgesamt betrachtet der schwächste Teil der Reihe, sorgt aber dennoch für einen zufriedenstellenden Abschluss der Trilogie (7/10).

Hörbuchcover
Autor: Vincent Kliesch; Sprecher: Uve Teschner; Spieldauer: 8 Std. 51 Minuten (ungekürzt); Anbieter: Random House Audio, Deutschland; Veröffentlicht: 2012; Preis: 20,95 €.

Link zum Hörbuch

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Also, ich habe den ‚Prophet des Todes‘ ja gehört, ohne die Vorgänger zu kennen. Und selbst mich hat es genervt, wie viel Platz und Erklärungen es eingenommen hat, die Vorgeschichte zu erzählen. Hat das Tempo aus der Sache genommen, fand ich.

    Tassilo fand ich als Bösewicht zwar recht ‚attraktiv‘, aber die Folterszenen sind mir als überzogen im Kopf geblieben. Effekthascherei, wenn du mich fragst. Muss ich nicht haben.

    Nicht im Kopf geblieben war mir Julius Kern. Da musste mir deine Rezi das Gedächtnis auffrischen. Was zeigt, dass Kern jetzt auch nicht unbedingt der beeindruckendste Kommissar ist, dem ich je begegnet bin.

    Alles in allem gebe ich dir recht: gut runterzulesen und nicht schlecht, aber es gibt Besseres. Für mich austauschbar mit vielen derartigen Thrillern.

    LG,
    papercuts1

    • Was mich eigentlich am meisten an dem Buch gestört hat, ist dass die Ausgangsstory mit der Todesprophezeihung irgendwie völlig nebensächlich wurde und dann zum Schluss nur noch so lieblos abgefrühstückt wurde. Ich fand den Ansatz nämlich echt interessant und da hätte man meiner Meinung nach wirklich mehr draus machen können.

      LG,
      Sebastian