Autor: Martin Krist
Umfang: 416 Seiten
Verlag: Ullstein Taschenbuch
Erscheinungsdatum: 10. August 2012

Klappentext:
Die alte Frau sieht alles kommen. Sie findet die toten Mädchen. Sie kennt ihren Mörder. Aber sie wird schweigen. Der kleine Junge bangt um seine verschwundene Schwester, denn er hat etwas gesehen. Er will reden, doch niemand hört ihm zu. Seit Alex Lindner vor Jahren seinen Dienst als Kommissar quittiert hat, lebt er zurückgezogen in der Provinz. Als auch hier ein Mädchen verschwindet, weiß er: Der Mann, den er damals vergeblich jagte, ist zurück. Diesmal muss er ihn fangen, denn der Blutzoll wird steigen.

Meine Buchbesprechung:
Laura Theis hat es wahrlich nicht leicht: Ihr Mann hat sie für ihre beste Freundin verlassen, beruflich steht sie aufgrund ihrer Unzuverlässigkeit kurz vor dem Rauswurf und dann muss sie sich auch noch alleine um die Erziehung ihrer beiden Kinder kümmern. Der kleine Sam läuft verträumt und tollpatschig durchs Leben und würde ohne ständiges Antreiben nichts auf die Reihe bekommen und ihre Tochter Lisa steckt mitten in der Pubertät, was ihre Mutter auch regelmäßig zu spüren bekommt – besonders als sie mitten im morgendlichen Alltagsstress einen Anruf von Lisas Lehrerin erhält, dass diese nicht zum Schulausflug erschienen ist. Laura fällt aus allen Wolken und legt sich die Standpauke schon zurecht, doch als sie auch nach Stunden keinen Hinweis auf Lisas Aufenthaltsort hat, alarmiert sie beunruhigt die Polizei…

In der Provinz verschwindet ein junges Mädchen – die Tat eines Serienmörders?

Währenddessen hat Alex Lindner ganz andere Sorgen. Seit er von seinen Eltern die örtliche Kneipe „Elster“ in Finkenwerda übernommen hat, steckt er seine ganze Kraft in die Aufrechterhaltung der heruntergekommenen Gaststätte. Außerdem steht er kurz vor einem richtungsweisenden Treffen mit einem großen Lebensmittelhändler, der möglicherweise seine Spreewaldgurken-Rezeptur übernehmen will. Als er jedoch vom Verschwinden der 16-jährigen Lisa Theis erfährt, lässt er alles stehen und liegen und stürzt sich in die Suche nach dem Mädchen. Denn während alle anderen noch davon ausgehen, dass die rebellische Teenagerin freiwillig von Zuhause abgehauen ist, hegt Alex einen grausigen Verdacht: Bis vor drei Jahren war Lindner nämlich noch selbst als Polizist tätig und jagte einen brutalen Serienmörder, der jedoch nie gefasst werden konnte. Doch nun hat es den Anschein, als sei die „Bestie“ von damals wieder aufgetaucht…

Neuer Roman von Marcel Feige unter dem Pseudonym „Martin Krist“

Der neue Thriller „Die Mädchenwiese“ stammt aus der Feder des deutschen Autors Martin Krist – allerdings ist dieser Name nur ein Pseudonym, hinter dem sich der Schöpfer der Kommissar-Kalkbrenner-Reihe Marcel Feige verbirgt. Ich bin zum ersten Mal durch die Leseprobe bei vorablesen.de auf das Buch aufmerksam geworden und hatte anschließend das Glück, dass mir der Titel als Rezensionsexemplar angeboten wurde, was ich aufgrund des durchaus gefälligen Ersteindrucks gerne angenommen habe.

Beschaulicher Einstieg mit cleverer Erzählstruktur

Die Protagonisten der Handlung sind schnell aufgezählt: Neben der Familie Theis, bestehend aus Laura und ihren Kindern Sam und Lisa, sowie der Figur des Ex-Polizisten und jetzigen Kneipiers Alex Lindner steht vor allem Berta Kirchberger, eine alte und zurückgezogen lebende Frau, im Mittelpunkt der Erzählung. Alle Figuren werden gleich auf den ersten Seiten des Buches vorgestellt, sodass man ohne großes Vorgeplänkel direkt in die Story einsteigen kann. Von einem typischen Thriller ist man allerdings zu diesem Zeitpunkt noch ein gutes Stück entfernt, denn zunächst sieht erst einmal alles nach einem freiwilligen Verschwinden Lisas aus. So bekommt der Leser anfangs eine Szene zwischen dem Mädchen und ihrem Bruder präsentiert, in der Lisa sich heimlich über das Wochenende in die Stadt zum Feiern absetzen will. Man merkt schnell, dass das Familienleben bei den Theis‘ in letzter Zeit sehr angespannt war, was die Anzeichen für eine jugendliche Flucht noch verdichtet. So läuft auch im Buch zunächst alles in diese Richtung, die Spannung ist daher auf den ersten rund 100 Seiten noch auf einem überschaubaren Niveau. Das heißt jedoch nicht, dass es zu Beginn langweilig zugeht, denn für Unterhaltung sorgt Martin Krist schon durch seine Art und Weise, wie er seine Geschichte erzählt.

Dies erfolgt nämlich über drei Handlungsstränge, von denen zwei gleich auf den ersten Blick miteinander verbunden sind. Krist wechselt regelmäßig und in kurzen Abständen zwischen Laura Theis und Alex Lindner und sorgt durch die vielen Szenenwechsel für willkommene Abwechslung. Immer wieder springt man von Lauras verzweifelter Suche nach ihrer Tochter zum gurkenzüchtenden Kneipenbesitzer, wobei Lindner erst etwas später in den Fall Lisa Theis eingreift. Zunächst muss er sich nämlich noch mit der Zukunft der „Elster“ und seiner eigenen Herkunft beschäftigen, da ein Brief plötzlich sein gesamtes bisheriges Leben infrage stellt. Zu diesen beiden Geschichten gesellt sich aber noch ein dritter Erzählstrang, der sich deutlich von den beiden anderen unterscheidet. In Rückblenden berichtet Berta Kirchberger, die aufgrund ihres kauzigen Auftretens im Dorf als Hexe verschrien ist, über ihr bewegtes Leben – und das hat wirklich einiges zu bieten. Gebannt verfolgt man eine tragische Geschichte über Missbrauch und Gewalt, die sehr intensiv erzählt wird und einen gelungenen und spannenden Gegenpol zur Vermisstenstory bietet.

Sehr spannende und mitreißende zweite Hälfte

Natürlich merkt aber auch irgendwann der letzte in Finkenwerda, dass hinter Lisas Verschwinden doch mehr stecken könnte als die Laune eines aufsässigen Teenagers. Das dauert zwar überraschend lange – wobei vor allem Lauras Schwager Frank, der selbst bei der Polizei ist, fast unglaubwürdig lange die Augen vor der Wahrheit verschließt – doch wenn der Fall dann einmal ins Rollen kommt, zieht Martin Krist auch die Spannungsschraube deutlich an. Nun rückt er auch nach und nach mit Enthüllungen über die Hauptfiguren raus, die zwar schon früh angedeutet werden, bei denen man sich als Leser aber zunächst eine Weile gedulden musste. Gekonnt führt der Autor im letzten Drittel dann die offenen Fäden zusammen, was in einem wirklich sehr spannenden Schlussakt gipfelt. Zwar geizt Krist ein wenig mit Überraschungen oder unvorhergesehenen Wendungen und die Enthüllung des Mörders war für mich auch nicht mehr allzu überraschend, der Spannung tut dies aber keinen Abbruch. Dafür sorgen alleine schon die sehr kurzen Kapitelabschnitte und die vielen kleinen Cliffhanger, die geschickt zum Weiterlesen animieren.

Interessante Figurenkonstellation und glaubwürdige Charaktere

Auch die Figurenkonstellation des Romans weiß zu gefallen. Bis auf den erwähnten Polizisten, der aufgrund seiner Berufserfahrung die Situation eigentlich besser einzuschätzen wissen müsste, agieren alle Charaktere sehr glaubwürdig und nachvollziehbar und bieten auch viele Möglichkeiten zur Identifikation. Mir persönlich hat die Figur des Alex Lindner am besten gefallen, der sehr hartnäckig und gegen alle Widerstände nach dem vermissten Mädchen fahndet. Lisas Mutter kommt verständlicherweise nicht ganz so gut weg, die Vernachlässigung ihrer Kinder basiert aber auf durchaus nachvollziehbaren Gründen, sodass Krists Darstellung der Frau nicht zur reinen Schuldzuweisung wird. Viele werden vermutlich auch den kleinen Sam ins Herz schließen, allerdings fand ich diese Figur mit fortschreitender Handlung zuweilen recht anstrengend. Natürlich hat er es unter Berücksichtigung seiner familiären Situation nicht leicht, doch dieses permanent weinerliche und unbelehrbare Häufchen Elend strapaziert nicht nur die Nerven seiner Mutter, sondern aus meiner Sicht auch die des Lesers.

Schlussfazit:
Martin Krist hat mit „Die Mädchenwiese“ einen gelungenen Thriller hingelegt, der trotz etwas behäbigem Beginns durchweg kurzweilig geschrieben ist und mit glaubwürdigen und interessanten Charakteren punktet. Ebenfalls lobend zu erwähnen ist das sehr stimmungsvolle Provinz-Setting, das vor allem durch die anschaulichen Spreewald-Passagen eine packende Atmosphäre erzeugt. Wer sich hierbei nicht nur auf seine Vorstellungskraft verlassen möchte, der findet auf der Facebook-Seite des Autors übrigens auch ein paar schöne Fotos mit entsprechenden Buchzitaten, welche die Stimmung des Romans recht gut einfangen.

Packender Thriller für warme Sommerabende

Trotz der sehr geradlinig verlaufenden Handlung, die manchmal ein wenig zu sehr vorhersehbar ist, bewegt sich die Geschichte vor allem in der zweiten Hälfte auf einem sehr hohen Spannungsniveau und überzeugt auch durch die gut miteinander verwobenen Handlungsstränge. Da das Buch über weite Strecken frei von blutrünstigen und reißerischen Gewaltdarstellungen ist, eignet sich „Die Mädchenwiese“ auch gut für zartbesaitete Gemüter. Fazit: Clever konstruiert, spannend geschrieben – kurz gesagt, ein guter Thriller für warme Sommerabende.

Meine Wertung: 8/10

Informationen:
„Die Mädchenwiese” von Martin Krist ist im Ullstein Taschenbuch Verlag erschienen und hat einen Umfang von 416 Seiten. Das Buch ist für 9,95 € als Taschenbuch und für 6,99 € als eBook erhältlich. Weitere Infos gibt es auf der Verlags-Homepage. An dieser Stelle auch noch ein Dankeschön an den Ullstein Verlag sowie Martin Krist, die mir das Buch zum Rezensieren zur Verfügung gestellt haben.

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