Autor: Stephan Ludwig
Umfang: 368 Seiten
Verlag: Fischer
Erscheinungsdatum: 25. April 2012

Klappentext:
Der packende Auftakt zur neuen Reihe mit Kommissar Claudius Zorn!
Zwei Morde in einer Stadt, die seit Jahren nur natürliche Todesfälle kannte. Blutig, brutal, unerklärlich: Warum gibt ein Killer seinem Opfer Schmerzmittel, bevor er es quält? Hauptkommissar Claudius Zorn soll die Ermittlungen leiten: Er hat Kopfschmerzen, er hat keine Lust, er hat keine heiße Spur. Als er dann noch merkt, dass ihn bei den Ermittlungen irgendjemand austricksen will, bekommt Zorn richtig schlechte Laune. Und der Mörder hat noch nicht genug …

Meine Buchbesprechung:
Claudius Zorn ist 42 Jahre alt und seit rund zwei Jahrzehnten bei der Polizei. Sonderlich weit hat es der Kriminalkommissar in der Hierarchie nicht geschafft, was vielleicht auch darauf zurückzuführen ist, dass in seinem Revier nicht wirklich viel passiert und es so kaum Möglichkeiten gibt, sich besonders hervorzutun. Hauptsächlich liegt seine überaus durchschnittliche Polizeikarriere aber vor allem daran, dass Zorn überhaupt keine Lust auf die Arbeit hat. Das ist zwar auch seinen Vorgesetzten und Kollegen nicht verborgen geblieben, doch es scheint sich auch kaum jemand sonderlich darum zu kümmern – schließlich ist ja in der Stadt auch nicht viel los.

Ein Tatort ohne Leiche, aber mit jeder Menge Blut

Das ändert sich aber, als von einem anonymen Anrufer eine Lärmbelästigung in einem unbewohnten Haus gemeldet wird. Als die Beamten vor Ort eintreffen, machen sie als Geräuschquelle einen verlassenen CD-Player in einem Kellerraum ausfindig, der auf volle Lautstärke eingestellt wurde. Direkt daneben befindet sich eine riesige Blutlache und bei der großen Menge wird schnell klar, dass man es hier vermutlich mit einem Mord zu tun hat. Allerdings fehlt jede Spur von einer Leiche, was die Laune des nun ermittelnden Claudius Zorn auch nicht gerade merklich verbessert. Noch dazu sitzt ihm plötzlich auch der Staatsanwalt im Nacken, der hinter dem Blutbad die Tat eines Psychopathen vermutet und auf eine schnelle Aufklärung des Falls drängt. Merkwürdig ist jedoch, dass bei der Untersuchung des Blutes Spuren eines starken Schmerzmittels gefunden werden. Denn welcher Mörder würde sein Opfer damit betäuben, nur um es anschließend auf brutalste Weise zu Tode zu foltern?

Claudius Zorn: faul, herablassend, übellaunig – aber irgendwie sympathisch

Was nach dem schockierenden Prolog gleich als erstes auffällt, ist die überaus interessante Hauptfigur Claudius Zorn. Man kennt kaputte und verbrauchte Kommissare mit gestörtem Privatleben ja zur Genüge, doch was der Autor Stephan Ludwig hier auf den Leser loslässt, ist noch einmal ein ganz besonders Kaliber. Zorn ist mit seinem Leben auch nicht sonderlich zufrieden, was aber nicht an irgendwelchen Schicksalsschlägen oder Beziehungsproblemen liegt, sondern vor allem an seiner Einstellung. Denn Ludwig stellt gleich zu Beginn der Geschichte klar, dass Zorn bisher jeden seiner über siebentausendsechshundert Arbeitstage gehasst hat. Warum er überhaupt zur Polizei gegangen ist, weiß er selber nicht mehr genau, und wenn er an die noch vor ihm liegenden Jahre denkt, wird ihm gleich ganz anders. Der Kommissar langweilt sich zu Tode, doch was ihn daran hindert, etwas daran zu ändern, ist seine schier grenzenlose Faulheit. Seine Mitmenschen sind ihm auch mehr oder weniger egal, weshalb er auch keine Scheu hat, seine miese Laune an ihnen auszulassen. Als dann auch noch die Blutlache gefunden wird und alles auf einen Mordfall hinauszulaufen scheint, geht ihm das mal so richtig gegen den Strich, vor allem weil der aalglatte Staatsanwalt einen auf dicke Hose macht und Zorn massiv unter Druck setzt.

Der „dicke Schröder“: Unscheinbar, aber mit ungeheurem Arbeitseifer und mit allen Wassern gewaschen

Glücklicherweise gibt es da aber noch den „dicken Schröder“, seinen pummeligen kleinen Partner, von dem Zorn auch nach jahrelanger Zusammenarbeit nicht mal den Vornamen kennt. An diesen delegiert Claudius jede noch so kleine Arbeit, und dabei ist ihm auch völlig egal, ob Schröder nicht vielleicht besseres zu tun hätte als erneut Überstunden zu machen, um für seinen Vorgesetzten mal wieder einen Bericht zu tippen. Wer jetzt aber denkt, der vermeintlich unscheinbare Sidekick wäre ein dämlicher Arbeitsknecht ohne eigenen Willen, der irrt hier gewaltig. Der „dicke Schröder“ ist mit allen Wassern gewaschen, besitzt eine Engelsgeduld und ist in Sachen Ehrgeiz und Motivation fast das genaue Gegenteil von Zorn. Auch der faule Kommissar zeigt sich immer wieder überrascht von Schröders Arbeitsmoral und seinen Ideen, würde sich aber eher die Hand abhacken, als es seinem Partner gegenüber zuzugeben. Trotzdem lässt der Autor recht schnell durchblicken, dass Zorn trotz der arroganten und herablassenden Fassade seine rechte Hand durchaus zu schätzen weiß. Insgesamt ergibt sich somit ein höchst unterhaltsames Ermittlerduo, welches sich perfekt ergänzt und nebenbei einige sehr amüsante Szenen produziert. Neben den bissigen Dialogen sei hier vor allem auf die geniale Passage im örtlichen Schwimmbad hingewiesen, die dem Leser die Lachtränen in die Augen schießen lässt. Nicht selten erinnert dieses ungleiche Team an das Duo Carl Mørck/Hafez el-Assad aus den Jussi-Adler-Olsen-Krimis, welches sehr ähnlich angelegt ist.

Die Story: Spannend und abwechslungsreich, aber ein wenig zu konstruiert

Natürlich reicht für einen guten Krimi ein originelles Ermittler-Team alleine nicht aus, zusätzlich bedarf es auch noch einer spannenden Geschichte. Diese ist auch bei „Zorn – Tod und Regen“ gelungen, wenngleich lange Zeit nur mühsam ein roter Faden zu erkennen ist. Ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Ereignissen scheint nicht immer vorhanden, sodass man als Leser über weite Strecken völlig im Dunkeln tappt. Nichtsdestotrotz ist der Plot abwechslungsreich und packend, was auch durch ein gewisses Maß an Brutalität erreicht wird. Diese hält sich aber im Vergleich zu manch amerikanischem Thriller noch in Grenzen und sollte selbst zartbesaitete Gemüter nicht vom Lesen abhalten. Die Auflösung schließlich ist vielleicht ein wenig zu weit hergeholt und selbst für geübte Krimileser nicht zu erahnen, wenngleich die Geschichte durchaus schlüssig zu Ende gebracht wird.

Dann wäre da noch der Regen…

Unbedingt erwähnt werden muss an dieser Stelle auch noch das Setting der Story. Der genaue Ort der Handlung wird zwar bis zum Ende hin nur angedeutet und liegt irgendwo im Osten der Bundesrepublik (Halle?), doch trotzdem wird die Stadt fast zu einer weiteren Hauptfigur. Während der gesamten Dauer des Buches regnet es unaufhaltsam in Strömen und mit der Spannung steigt gleichermaßen auch der Wasserpegel. Dadurch wird eine triste und düstere Atmosphäre erzeugt, die gut zur Handlung passt und zudem einen angenehmen Gegenpol zu den humorigen Passagen bildet. Allerdings übertreibt es Stephan Ludwig letztendlich auch mit dem Wetter ein wenig, und wenn am Schluss die halbe Stadt unter Wasser steht, so wirkt das schon ein wenig surreal.

Schlussfazit:
„Zorn – Tod und Regen“ von Stephan Ludwig ist ein überraschend kurzweiliger Thriller, was zum einen auf die spannende Story aber auch auf das originelle Ermittlerduo zurückzuführen ist. Die Geschichte ist zwar nicht herausragend, überzeugt aber durch ein hohes Erzähltempo, schockierende Ereignisse und überraschende Wendungen. Dass gerade das Ende ein wenig zu konstruiert geraten ist, fällt dabei nicht übermäßig negativ ins Gewicht.

Was das Buch aber aus der Masse hervorstechen lässt, sind die beiden Protagonisten Zorn und Schröder, welche sich perfekt ergänzen und für den für einen Thriller ungewöhnlich präsenten Humor verantwortlich sind. Knackige Dialoge und so manche urkomische Szene sorgen für einen hohen Unterhaltungswert und sind alleine schon das Geld wert. Das Duo besitzt ernormes Potenzial und so freut es mich sehr, dass im Herbst bereits die Fortsetzung „Zorn – Vom Lieben und Sterben“ erscheinen wird. Der Auftakt der Reihe ist zwar vielleicht nicht unbedingt der raffinierteste Thriller, lässt aber zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen und ist daher für jeden Krimifan eine Empfehlung wert.

Meine Wertung: 8/10

Informationen:
„Zorn – Tod und Regen“ von Stephan Ludwig ist im Fischer Verlag erschienen und hat einen Umfang von 368 Seiten. Das Buch ist für 8,99 € als Taschenbuch erhältlich. Weitere Infos gibt es auf der Verlags-Homepage.

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Eine Anwort zu diesem Beitrag

  • Ich bin ja immer ein bisschen zwiegespalten wenn es um „gescheiterte“ Ermittler geht, das ist mir oft einfach zu banal, allerdings mochte ich Adler-Olsens Duo sehr gerne und ich schätze, ich werde mir auch „Tod und Regen“ irgendwann mal anschauen. Ein kleines Booklet mit einer Leseprobe liegt noch irgendwo bei mir auf dem Schreibtisch, ich bin aber noch nicht dazu gekommen, reinzulesen. Danke aber schonmal für die ausführliche Rezension!