Autor: Tess Gerritsen
Sprecher: Michael Hansonis
Länge: 12 Std. 59 Min. (ungekürzt)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Während die junge Ärztin Toby Harper Nachtschicht hat, taucht in der Notaufnahme ein alter Mann auf. Er redet wirr, reagiert kaum auf ihre Behandlung – und ist so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht ist. Als im Krankenhaus ein Patient mit den gleichen Symptomen stirbt, vermutet der Pathologe Daniel Dvorak eine hochansteckende Krankheit. Die Spur der beiden Patienten führt zur Seniorenresidenz Brant Hill. Und dort stoßen Toby und Daniel auf Unvorstellbares…

Zum Hörbuch:
Dr. Toby Harper ist Ärztin in der Notaufnahme eines kleineren Krankenhauses in Boston und leistet dort gerade ihre nächtliche Bereitschaftsschicht ab, als ein offensichtlich geistig verwirrter und unbekleideter älterer Mann eingeliefert wird. Das Ärzteteam führt einige Untersuchungen durch und alarmiert den Sohn des Mannes. Bis dieser jedoch eintrifft, muss sich Harper um einen weiteren Notfall kümmern, der die Aufmerksamkeit der gesamten Nachtschicht erfordert. Der Ärztin gelingt es jedoch nicht, den Patienten zu retten. Als der benachrichtigte Sohn schließlich das Krankenhaus erreicht und seinen Vater sehen will, ist der alte Mann plötzlich verschwunden – und das, obwohl dieser mit Gurten an sein Krankenbett fixiert wurde.

Fortan steht Dr. Harper unter Beschuss, denn als Leiterin der Nachtschicht trug sie die Verantwortung für den Patienten, der nun vermutlich verwirrt durch die Bostoner Straßen zieht oder womöglich schon gar nicht mehr am Leben ist. Die Krankenhausleitung wird zudem von den Verantwortlichen von „Brant Hill“, einem luxuriösen Seniorenpflegeheim für Wohlhabende, unter Druck gesetzt. Denn der Verschwundene zählte zu den Bewohnern des Heims, welches überdies zu den besten Kunden des Krankenhauses gehört.

Wenig später landet ein zweiter Brant-Hill-Patient in Tobys Notaufnahme, und auch dieser ältere Herr weist die gleichen Symptome auf. Angus Parmenter, ein vorher kerngesunder und kräftiger Senior, ist ebenfalls völlig verwirrt und halluziniert. Doch kaum haben Harper und ihr Team den Gesundheitszustand des Mannes einigermaßen unter Kontrolle, taucht der Chefarzt von Brant Hill auf. Carl Wallenberg will den Patienten sofort überführen und platzt mitten in Tobys Untersuchungen hinein. Als Parmenter kurz darauf sogar stirbt, wird die Ärztin misstrauisch und ordnet eine Untersuchung der Leiche an. Wallenberg will dies jedoch unter allen Umständen verhindern und fordert bei der Krankenhausleitung sogar die Entlassung Harpers. Toby gelingt es jedoch noch, den Gerichtsmediziner Dr. Dvorak zum Fall hinzuzuziehen. Dieser findet bei der Obduktion Erschreckendes heraus: Der alte Mann starb an den Folgen der Creutzfeldt-Jakob, einer fortschreitenden Gehirnerkrankung, bei der das Hirngewebe nach und nach schwer beschädigt wird. Die Spuren führen Harper und Dvorak zum Brant-Hill-Pflegeheim, wo sie eine schockierende Entdeckung machen…

Die ersten Stunden von Tess Gerritsens Roman „Roter Engel“ erinnern weniger an einen Thriller als ein Krankenhausdrama à la „Emergency Room“. Patienten mit mysteriösen Symptomen treffen in der Notaufnahme ein und es kommt zu dramatischen Szenen, in denen es um Leben und Tod geht. Dann geht es noch um persönliche Schicksale wie das der Ärztin Dr. Harper, die sowohl beruflich unter Beschuss steht aber auch Schwierigkeiten in ihrem Privatleben zu meistern hat. Ihre Mutter ist nämlich schwer an Alzheimer erkrankt und ihr langjähriger Betreuer hat einen neuen Job angenommen. Nun muss Toby ihren ohnehin schon stressigen Job mit der Pflege ihrer Mutter unter einen Hut bringen, was die Ärztin oft vor große Probleme stellt. Eine neue Pflegefachkraft ist schwer zu finden und Tobys Schwester muss sich um ihre eigene Familie kümmern, kommt somit also auch nicht als Betreuung infrage.

Erst mit foranschreitender Story tauchen immer mehr Thriller-Elemente auf, vor allem mit Auftauchen der Brant-Hill-Ärzte. Offensichtlich versucht das Seniorenheim irgendetwas zu vertuschen, denn die Anzeichen deuten auf illegale oder zumindest ethisch fragwürdige Experimente hin. Dabei geht es um das Streben nach ewiger Jugend, verbunden mit Prionen-Forschung und abartigen Embryo-Versuchen. Folglich geht Gerritsen hier oft sehr ins (medizinische) Detail und wirft mit vielen Fachbegriffen um sich. Ärgerlicherweise werden diese meist gar nicht für Nicht-Mediziner erklärt, was für den Hörer oft etwas frustrierend sein kann, so z.B., wenn Dr. Harper und Dr. Dvorak die Patientenakte eines Opfer auseinandernehmen und man so gut wie gar nichts versteht. Da dies die Bereiche des Allgemeinwissens deutlich überschreit, wäre die ein oder andere Erläuterung durchaus hilfreich gewesen.

Zudem braucht die Autorin sehr lange, bis so etwas wie Spannung aufgebaut wird. Am Anfang ist noch überhaupt nicht erkennbar, wohin das Ganze einmal führen soll, was durch eine zusätzliche Nebenhandlung noch weiter verschleiert wird. Hier begleitet man nämlich die offenbar geistig etwas zurückgebliebene Prostituierte Molly, die von ihrem Zuhälter scheinbar zu geheimnisvollen Experimenten gezwungen wird. Der Zusammenhang zum Hauptfall wird erst sehr spät erkennbar, wodurch die Nebenstory lange völlig fehl am Platz wirkt. Außerdem nimmt die Geschichte gegen Ende eine leicht abstruse Entwicklung und man kommt sich stellenweise vor wie in einem Science-Fiction-Film mit Alien-Elementen, was so gar nicht zu meinen Erwartungen an einen Tess Gerritsen-Roman passte. Hier mangelt es meiner Meinung nach etwas an Realismus, allerdings sorgen diese Passagen aber auch für Atmosphäre, die fast schon ins Horror-Genre geht.

Ein weiteres Problem sind in meinen Augen die Protagonisten. Hier fehlt es an echten Sympathieträgern, denn weder Dr. Toby Harper als auch der Gerichtsmediziner Dr. Dvorak sind besonders umgänglich. Durch ihre privaten und beruflichen Schwierigkeiten ist die Ärztin oft frustriert und gereizt und wirkt meist zickig, was auf die Dauer etwas nervt. Auch Dr. Dvorak ist eher ein zwielichtiger Charakter, der wenig überzeugen kann.

Zum Sprecher:
Wie von Tess Gerritsen-Hörbüchern gewohnt, ist hier wieder Michael Hansonis als Sprecher im Einsatz. Dieser leistet gute Arbeit und trägt viel zur Atmosphäre bei, allerdings muss ich auch zugeben, dass seine Stimme etwas gewöhnungsbedürftig ist. Entweder man mag ihn, oder man mag ihn nicht. Mir hat er auch bei Jeffery Deavers „Nachtschrei“ schon recht gut gefallen, ich kann aber auch verstehen wenn man sich mit seiner Art nicht so ganz anfreunden kann. An der ein oder anderen Stelle wären etwas mehr Emotionen durchaus wünschenswert, insgesamt aber eine recht ordentliche Leistung.

Mein Fazit:
„Roter Engel“ von Tess Gerritsen ist weniger ein Thriller, als ein Medizin-Drama mit Science-Fiction- und sogar Horrorelementen. Dieser Mix funktioniert aber nicht besonders gut und es braucht recht lange, bis die Geschichte richtig in Fahrt kommt. Die Thematik rund um Altersforschung ist jedoch originell und noch relativ unverbraucht, allerdings hätte die ethische und moralische Diskussion für meinen Geschmack noch etwas tiefer gehen dürfen. Ebenfalls negativ fällt die häufige Verwendung von medizinischen Fachbegriffen ins Gewicht, die es Ungeschulten sehr schwer macht, der Geschichte zu folgen. Leider mangelt es auch an wirklichen Identifikationsfiguren, denn die Hauptdarsteller sind nicht besonders sympathisch. So bleibt ein passabler „Thriller“, der gegen Ende durchaus unterhält, aber auch gehörige Längen aufweist. Von Tess Gerritsen bin ich aber eigentlich Besseres gewohnt. Wer mal was richtig Gutes von der Autorin lesen oder hören möchte, sollte lieber zu einem der „Maura Isles & Jane Rizzoli“-Bücher (z.B. „Die Chirurgin“) greifen.

Meine Wertung: 6/10

Informationen:
„Roter Engel“ von Tess Gerritsen hat eine Spieldauer von 12 Std. und 59 Min. und ist ungekürzt für 29,95 € bei audible.de erhältlich. Im Flexi-Abo kostet der Titel wie gewohnt nur 9,95 €. Weitere Informationen gibt es auf der Detail-Seite bei Audible.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • hmmm..den Titel wollte ich mir letztens erst bei audible kaufen…bin froh es doch nicht getan zu haben….danke für die ehrliche Rezi!

    • Hallo Sarah,

      gern geschehen 😉

      Ist aber ja auch immer eine Geschmacksfrage, das Hörbuch hat ja (z.B. bei audible) auch durchaus bessere Bewertungen gekommen…

      Mir hat es eben aus den oben genannten Gründen nicht so zugesagt.